3 Zimmer/Küche/Bad

Deutschland 2012 · 115 min. · FSK: ab 0
Regie: Dietrich Brüggemann
Drehbuch: ,
Kamera: Alexander Sass
Darsteller: Jacob Matschenz, Katharina Spiering, Anna Brüggemann, Alexander Khuon, Robert Gwisdek u.a.
Ein gutgelaunter Film

Die Patchworkwahrheit

»Wir zahlen keine Provision. und wir wollen auch keine Ofen­hei­zung« – Menschen auf Wohnungsuche. In Berlin, sie sind jung und urban. Keine Not quält sie, sondern Sehn­süchte, aber auch Luxus­pro­bleme sind Probleme. Drei Zimmer/Küche/Bad das klingt fröhlich, und sehr normal. Der so betitelte Film des Berliner Regis­seurs Dietrich Brüg­ge­mann handelt von einem Haufen junger Leute in Berlin. Sie wissen nicht genau, wie sie leben wollen, lieben wollen, was sie überhaupt wollen. Aber da sie Mitte, Ende 20 sind, wird ihnen langsam aber sicher ein bisschen unwohl mit dieser Offenheit, die man leicht mit Unent­schie­den­heit verwech­seln könnte. Geht das? Für ein ganzes Leben?

Dieses Szenario klingt erstmal sehr normal, wie eine weitere der vielen Bezie­hungs­komö­dien aus Berlin-Mitte. Aus zwei Gründen aber ist Drei Zimmer/Küche/Bad einer der inter­es­san­teren und besseren Filme des deutschen Film­jahres 2012, das zugegeben eher durch­wachsen war, ohne große High­lights, oder gar Filme, die das Kino verändern: Regisseur Dietrich Brüg­ge­mann hat zum einen ungemein viel Humor. Dieser Humor ist auch noch erwachsen, fern jener Schmunzel-Putzig­keits-Infan­ti­lität, auf die sich Til Schweiger im fort­ge­schrit­tenen Alter verlegt. So ist dieser Ensem­ble­film mit Hilfe seiner ausge­zeich­neten Schau­spieler – darunter Jacob Matschenz, Alice Dwyer, Aylin Tetzel und Robert Gwiesdek – ein sehr witziger Film mit (typischen Bezie­hungs-?)Dialogen wie diesem: »Nie zeigst du Emotionen« – »Warum auch, die zeigst du doch schon.«

Zum anderen aber ist Drei Zimmer/Küche/Bad eine genaue Moment­auf­nahme seiner Genera­tion. Ihres Bezie­hungs­le­bens zwischen frei flot­tie­render Liebe und neuer Bürger­lich­keit. Es gibt derzeit erstaun­lich viele Filme in Deutsch­land, deren Regis­seure der Genera­tion-um-die-30 entstammen: Ihre Figuren sind einsam, verein­zelt, oft Schei­dungs­kinder, von den Eltern distan­ziert, aber keines­falls verfeindet. Gott bewahre – Feinde hat der moderne junge Deutsche einfach keine mehr, er muss ja auch nicht mehr zur Bundes­wehr. Sie leben zwischen unaus­ge­packten Umzugs­kar­tons, streichen gern die Wände, vorzugs­weise bunt, und suchen mühsam nach ihrem Weg im Leben. Sie wollen Familie, sie suchen in ihr Halt, finden ihn aber oft nicht. Denn die Eltern stecken selbst in der Bredouille. So geht es hier auch um das Verhältnis der Genera­tionen zuein­ander. Die Eltern können den Kindern keine »Gebrauchs­an­wei­sung« mehr fürs Leben liefern. Brüg­ge­mann konsta­tiert, wie andere Kollegen, diese Notlage, aber er macht auch noch etwas mit ihr, deutet sie um.

Wo früh­ver­greiste Mädchen über die »Patch­wor­klüge« schreiben, erzählt Brüg­ge­mann von der Patch­work­wahr­heit. Ständige Wohnungs- und Bezie­hungs­wechsel haben auch ihren Grund in einem Arbeits­leben, in dem aus Flexi­bi­lität längst die totale Mobil­ma­chung geworden ist, die die Menschen mitunter zu perma­nenten Umzügen zwingt, zum Opfer des Privat­le­bens im Namen der Karriere. Umzüge werden hier zum Symbol einer Absage an die Entschie­den­heit und Bescheid­wis­serei, die frühere Genera­tionen, ob 68er-Eltern oder Kriegs­teil­nehmer-Groß­el­tern, an den Tag legten, und die auch neuesten Feuil­le­to­nis­tinnen-Diskursen wie dem Gerede von der Patch­wor­klüge mitwabert. Brüg­ge­manns Botschaft ist demge­genüber eine sympa­thi­sche Vertei­di­gung der Vorläu­fig­keit.
Umzug ist immer Chaos, und er wird hier zum Inbegriff für die Tugend der Orien­tie­rungs­lo­sig­keit und der Selbst­or­ga­ni­sa­tion. Ein Lied dieses gutge­launten, musi­ka­li­schen Films hat die Zeile: »Wir müssen nichts so machen, wie wirs kennen...« – genauso ist es!