USA/F 2014 · 116 min. · FSK: ab 12 Regie: McG Drehbuch: Adi Hasak, Luc Besson Kamera: Thierry Arbogast Darsteller: Kevin Costner, Amber Heard, Hailee Steinfeld, Tómas Lemarquis u.a. |
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Ort ohne Welt |
Als nach dem Showdown Ethan Renner (Kevin Costner) aus einer Ohnmacht erwacht, schaut er geradewegs unter den Rock einer breitbeinig über ihm stehenden Frau (Amber Heard). Seine Reaktion? »Have I gone to hell?«
Natürlich – denn für einen wie ihn, haftet überhaupt allem, was nicht männlich ist, und/oder US-amerikanisch, weißer Hautfarbe und fest im vorigen Jahrhundert verankert, ein merklicher Schwefelgeruch an, so es nicht gleich ganz des Teufels ist.
Vier Töchter hat Luc Besson – und man kann ihnen nur von Herzen wünschen, dass er seine patriarchalischen Kontrollfiktionen ganz in seinen Filmen ausleben kann und sie unbehelligt davon lässt.
Es ließe sich argumentieren, dass Besson schon seit Léon im Wesentlichen immer wieder und wieder die gleiche Geschichte erzählt: die von der mehr oder minder kindlichen Frau, deren Unschuld
von einem alternden Mann auf mehr oder minder (aber meistens: mehr) gewalttätige Weise vor der bösen, bösen Welt beschützt werden muss.
Das wäre nicht weiter schlimm – im Gegenteil: oft steht im Zentrum eines großen künstlerischen Werks ja eine prägende Obsession. Nur: Besson ist leider auch nicht der Erste (zwanglos fällt einem etwa Dario Argento ein), bei dem im Alter die Kunstfertigkeit merklich nach-, dafür die Aggressivität der Besessenheit deutlich zunimmt. Und
inzwischen wird’s bei ihm richtig ungustiös.
Vor allem die Filme, die er nur schreibt und produziert, sind seit Jahren eigentlich nur noch Variationen ein und desselben Films: Jenes Films vom weißen, alternden, männlichen US-Amerikaner, der in das widerliche Europa muss, das von fremdländischen, fremdartigen (und ergo: bedrohlichen) Menschen bevölkert wird und wo die Frauen aufmüpfig werden (d.h. hier: ansatzweise selbständig und erwachsen) – und der dort mit Gewalt alles ausmerzen oder unter Kontrolle bekommen muss, was eben, s.o., nicht US-amerikanisch, männlich, von weißer Hautfarbe und fest im vorigen Jahrtausend verwurzelt ist. Damit alles wieder so schön – und so schön übersichtlich – wird, wie es für ihn früher mal schien.
Die Variation der immergleichen Besson-Formel findet in 3 Days to Kill einen seltsamen (vorläufigen) Höhepunkt: Zugleich wirkt das Drehbuch nur noch hingerotzt, ist selbst für Besson-Verhältnisse bemerkenswert schludrig und hanebüchen, voller unverbundener, uneingelöster Ansätze und unbeabsichtigter Albernheiten. Doch entwickelt es im selben Moment auf seiner unterschwelligeren Ebene eine gänzlich beängstigende Stringenz der Aggressivität und
Paranoia.
Wennn ein narzisstischer Mensch stirbt, stirbt für ihn die Welt, hat David Foster Wallace mal in einer Updike-Rezension gesagt – und nie hat Besson deutlicher als in 3 Days to Kill die Erfahrung der eigenen Vergänglichkeit auf die Welt eines seiner Filme projiziert.
Der CIA-Profikiller Ethan Renner ist buchstäblich todgeweiht – Krebsdiagnose, sechs Monate noch zu leben. Die will er dann doch nicht mehr mit seinem Job verbringen, sondern mit Frau und Tochter. Blöd nur, dass er die beiden über Jahre hinweg wegen seines Jobs vernachlässigt hatte und sie längst glücklich getrennt von ihm in Paris leben. Was Renner freilich nicht dulden kann. Er wird ihnen beweisen, dass sie nur durch, mit, in ihm ihre Erfüllung finden – ob sie wollen
oder nicht.
Freilich bleibt es nicht beim Familiendrama: Die CIA Agentin Vivi Delay (sic!) bietet Renner eine mirakulöse Medizin, die sein Leben verlängert – wenn er dafür in Paris auf ihr Geheiß weiterhin Auftragsmorde ausführt. Dass Renner früher nie da war für Frau und Tochter, weil er irgendwo in der Welt Leute umgebracht hat, macht er nun also wieder gut, indem er in ihre Heimatstadt kommt und dort Leute umbringt.
Amber Heard als Vivi Delay wird als halbwegs realistische Figur eingeführt, mutiert dann aber urplötzlich zum Comic-Charakter in Fetischoutfits – ein Indiz dafür, wie Frauen mit Macht in der Welt von 3 Days to Kill nur als Domina-Karikatur denkbar sind und dabei wieder zur Wichsvorlage degradiert werden. Vielleicht aber sogar ein Hinweis, dass alles nach dem Prolog als reine Todesfantasie des Protagonisten lesbar wäre.
Das Paris, in das Renner
zurückkehrt, ist für ihn jedenfalls zu einer Art Vorhölle geworden. Überall lauert das Fremde, überall dringt es ein. Sogar in seine Wohnung: Die findet er von einer afrikanischen Großfamilie besetzt. Welche die Polizei während der kalten Jahreszeit von dort nicht mehr vertreiben kann und darf, weil: Europa! So ist das halt auf dem sozialistischen Dreckskontinent.
Renner freilich ist großzügig und erschießt dann doch die Neger nicht gleich. (Und, ja, Neger ist leider das einzig
treffende Wort für die Klischee-Karikatur, die der Film von den Afrikanern zeichnet.) Schließlich ist eine der Töchter schwanger, und Vatergefühle verbinden – und wer weiß, es soll ja schon vorgekommen sein im Film, dass einem die Neger noch etwas lehren können über Familie, weise und naturverbunden, wie sie nun mal so sind.
Die Verbundenheit der Väter überbrückt sogar religiöser Differenzen: Die Schwierigkeiten, die pubertierenden Töchter erzieherisch im Griff zu behalten, verbinden Renner sogar mit einem muslimischen Patriarchen und zwielichtigen Geschäftsmann. Dass er dem trotzdem ab und zu eine Autobatterie an empfindliche Teile der Anatomie hängen muss, um Informationen zu erpressen – geschenkt! Das steht der Väter-Freundschaft nicht ernsthaft im Wege. Folter ist in 3 Days to Kill ja eh stets ein großer Spaß.
3 Days to Kill ist die Art Film, wo ganz selbstverständlich die Tochter keinen Schulabschlussball besuchen kann, ohne sich sofort der Gefahr einer Gruppenvergewaltigung auf der Toilette ausgesetzt zu sehen, und wo jeder noch so nett scheinende Freund, den sie sich anlacht, zwangsweise mit dem Bösen in Verbindung stehen muss. Genau, wie Papi schon immer vermutet hat! Denn niemand ist gut genug fürs Töchterlein außer Daddy, jeder Schritt in die
(sexuelle) Selbständigkeit und das Erwachsenwerden kann nur eine Katastrophe bedeuten. Und also muss Papi auf die Schultoilette eilen und die zudringlichen Jungs krankenhausreif prügeln und das Töchterchen mit ihrem Glitzerkleid auf seinen Armen hinaustragen – was nicht angenehmer wird dadurch, dass es hier freilich eine Anspielung ist, auf den ikonischen Costner-Moment aus BODYGUARD . Auf diesen ikonisch romantischen Moment.
Und also wird die junge Frau wieder aufs Kindsein zurechtgestutzt, muss wieder Kettenkarussell fahren und Kakao trinken wie einst – und das toll finden, juhu! –, und weil er früher nie Zeit dazu hatte, bringt er ihr halt jetzt (Dr. Freud bitte in die Notaufnahme, Dr. Freud bitte...) das Fahrradfahren bei, am Montmartre innerhalb von fünf Minuten und zum Applaus einer gerührten Rentnergruppe. Und übt mit
ihr den Engtanz ein zu Mamis einstigem Lieblingslied. Was freilich gar nicht creepy ist. Gaaaar nicht...! (Spätestens da wünscht man sich vollends, auch nie mitbekommen zu haben, dass Besson im Alter von Anfang 30 mit einer 15-jährigen angebandelt und diese ein Jahr später geschwängert – und geheiratet – hat.)
Das alles ist so absurd eindeutig und überzeichnet, dass man sich nicht des Gedankens erwehren kann, es sei womöglich doch alles längst Selbstparodie, es treibe Besson das Spielchen nur noch weiter und weiter, weil er selbst nicht glauben kann, dass die Leute es nach wie vor ernst nehmen.
Vielleicht hat er da mit Co-Autor Adi Hasak eine Wette laufen: Der war ja schon mitverantwortlich für From
Paris with Love, bis dato der rassistische, sexistische, arschdumme Tiefpunkt in Bessons Oeuvre. Und irgendwie fällt es einem ja schon schwer zu glauben, dass diese beiden Europäer wirklich die übelsten Klischee-Vorurteile der US-Amerikaner gegenüber ihrem Heimatkontinent teilen, statt sie ad absurdum zu führen.
Sollte Letzteres jedoch die Absicht gewesen sein, dann waren bei 3 Days to Kill Darsteller und Regisseur in den Witz definitiv nicht eingeweiht. Vielleicht existiert in einem Paralleluniversum eine Version des Films, die kein Wort des Drehbuchs verändert hat, die jedoch in ihrer Inszenierung und ihrem Spiel spüren lässt, wie gruslig das Kopfprogramm ist, das der »Held« da fährt. Eine Version, die Unbehagen und Paranoia an die Oberfläche bringt; die es nicht zum possierlichen Gag runterköchelt, wenn Daddy mehrfach kurz vor Mord oder Folter eines seiner Opfer durch einen Anruf des ahnungslosen Töchterleins unterbrochen wird, sondern da wirklich einen Abgrund klaffen lässt. Aber dafür ist schon Kevin Costner die falsche Besetzung, der seine übliche Nummer des sympathischen Jedermanns durchzieht – da hätte es etwa einen Mel Gibson gebraucht, dem der Wahnsinn stets aus den Augen leuchtet.
Das ist besonders bitter, hat Regisseur McG doch einst einen der schönsten Mädels-Actionfilme überhaupt gedreht – Charlie’s Angels, alias Barbie – The Movie. Freilich auch eine reine Männerfantasie, aber eine, die sich ähnlich wie Tarantinos Death Proof unentdeckt ins
Zimmer einer coolen Mädchenclique geschlichen hat und die begeistert beobachtet, wie die sich, von den Jungs unbehelligt, in all die wilden Outfits, Genres, Berufe träumen.
Wie wenig das Wegweiser für die weitere Karriere war, bewies leider schon This Means War. Doch mit 3 Days to Kill hat McG nun auch noch vollends sein Stilbewusstsein, seine visuelle Energie, sein
filmerisches Flair eingebüßt. Der Film verströmt durch und durch eine billige Direct-to-Streaming-Aura; sieht aus wie aus den Frühtagen der Digitalfotografie, wirkt mitunter, als hätte man nicht nur Elemente mancher Action-Sequenzen mit der GoPro gefilmt.
Als James Cameron einst in True Lies – technisch freilich voll auf der damaligen Höhe – eine nicht ganz unähnliche Familienzusammenführung per gewalttätiger Geheimagenten-Action inszenierte, da blieb am Ende wenigstens ein gewisser Grusel im Schlussbild vom ach so trauten, heimeligen Idyll.
3 Days to Kill lässt seinen Protagonisten sein Ziel
ungebrochener erreichen. Alles für ihn Fremde verabschiedet sich aus dem Film. Die Neger – für die der weiße Massa dank seiner Gewaltausübung und Autorität längst zum Idol geworden ist – erkennen von selbst, dass sie anderswo besser aufgehoben sind, und räumen das Feld, die Wohnung. Aber auch Renner sucht sich eine neue Heimat, einen eigenen Raum.
Am Ende hat er seine beiden Frauen – wieder oder erstmals? – da, wo er sie haben möchte: ganz unter seiner Kontrolle, in einem Häuschen fern aller Zivilisation, fern aller Jobs und Männer und Lebensbereiche jenseits der Rollen als Ehefrau und Tochter. Land’s End, auch ästhetisch. Es weihnachtet sehr, und Vivi, die Leder & Latex-Fee, lässt sich noch ein letztes Mal blicken, mit einem lebensverlängernden Geschenk.
Die Welt ist weg an diesem Ort, mit ihrer
Moderne, ihrer andauernden Wandelbarkeit, ihrer Konfrontation mit dem Fremden und der Selbstbestimmtheit anderer Menschen. Hier gibt es nichts, was sich nicht Ethan Renner schuf nach seinem Bilde. Hier gibt es keinen Tod – weil es kein Leben gibt. Und was schert es ihn, wenn es in Wahrheit für die beiden weiblichen Geiseln seiner Fantasie die Hölle sein muss: Für Ethan Renner ist es das Paradies.