21.02.2013

»Diese wahn­sin­ning gute Rapmusik«

Till Schauder
Till Schauder
(Foto: privat)

Till Schauder über Sport als Türöffner im Iran, die Musik als Zeitgeistfaktor und die Dreharbeiten als One-Man-Team.

Der deutschs­täm­mige Regisseur Till Schauder reiste mit Express-Visa mehrfach in den Iran ein, drehte 120 Stunden Material, sichtete 30 Stunden Archiv­ma­te­rial und machte daraus mit seiner irani­schen Frau und Produ­zentin Sarah Nodjoumi den Film Der Iran Job. Ein Doku­men­tar­film über den ameri­ka­ni­schen Basket­ball­spieler Kevin Sheppard, der in den Iran ging, um dort für den AS Shiraz zu spielen.

Das Gespräch führte Borissa Hellmann.

artechock: Wie kam es zu dem Projekt, einen Film über den Basket­ball­spieler Kevin Sheppard zu machen, der für eine Saison in den Iran zum AS Shiraz ging?

Till Schauder: 2008 hat mir ein Freund einen Artikel geschickt, und in dem Artikel ging es um ein paar ameri­ka­ni­sche Profi­bas­ket­ball­spieler, die im Iran Verträge unter­schreiben, um dort in der Profiliga zu spielen. Und das hat mich sofort inter­es­siert. So war die Idee da, aber die Haupt­figur noch nicht. Denn der Pool ist natürlich begrenzt, weil es nicht so viele Ameri­kaner machen. Viel­leicht 5-8 pro Jahr. Wir haben ein Jahr mit ein paar Spielern ange­fangen, waren aber nie ganz zufrieden und waren eigent­lich kurz davor das ganze Projekt aufzu­geben. Und genau in dem Moment rief uns der Manager von AS Shiraz an und meinte: wir haben gerade Kevin Sheppard unter Vertrag genommen. Wollt ihr den mal treffen auf Skype? Dann haben wir mit ihm geskypt und nach 20 Sekunden war klar, dass wir nicht mehr weiter­su­chen m üssen.

Bei uns sah es am Anfang so aus, als ob wir Jour­na­lis­ten­visa bekommen, und es war der Plan, dass meine Frau und ich mit einem Miniteam und einem ameri­ka­ni­schen Sender dort hin fahren. Und dann kam auf einmal nach mehreren Wochen ein Anruf: ihr kriegt jetzt doch keine Visa und das Projekt sollt ihr auch begraben. Das sei Müll. Und: vergessen Sie’s, Sie werden nie Visa bekommen. Dadurch ist das Projekt auf eine ganz andere Umlauf­bahn geraten, weil wir somit kein Team mitbringen konnten. Somit ist der Fern­seh­deal auch geplatzt und Sarah und ich haben dann unter uns bespro­chen, dass ich alleine fahren sollte. Weil sie zwar einen irani­schen Pass hat, mit dem sie leicht einreisen kann, aber es ist nicht gesagt, dass sie dann wieder rauskommt. Und so bin ich aufgrund meines deutschen Passes als Tourist einge­reist.
Deswegen hab ich mich entschieden, nur eine ganz kleine Kamera mitzu­nehmen und ein draht­loses Mikro und so eine ganz kleine Aufsteck­lampe.

So bin ich immer wieder einge­reist, bis zu meiner letzten Reise, wo es hieß, ich sei jetzt auf einer schwarzen Liste und könnte nicht mehr einreisen. Am nächsten Tag kam dann jemand und sagte, so, hier ist die nächste Maschine nach New York und da setzt Du Dich jetzt rein.

artechock: Wie haben die Leute darauf reagiert, dass Sie in ihrem Umfeld gefilmt haben?

Schauder: Über­ra­schend offen. Das war eigent­lich das Erstaun­lichste. Ich habe mit viel mehr Furcht oder Bedenken der Leute gerechnet. Sie haben mich kurz gefragt, dann hab ich gesagt, das geht über einen Ameri­kaner im Iran und es soll im Westen gezeigt werden. Und dann sind manche gegangen, aber der über­wie­gende Teil der Leute war extrem offen der Kamera gegenüber. Und man sieht es ja im Film, speziell die drei Frauen, das hat mich schwer über­rascht und auch beein­druckt wie offen, die sich darge­stellt haben. Und nicht nur sie, auch Kevin Sheppards Mitspieler und wild­fremde Leute, die er auf der Straße traf. Ich kann mir vorstellen, dass es jetzt anders wäre. Damals war es kurz vor der Wahl (2009) und da war eine Stimmung im Land, dass die Leute derartig die Nase voll hatten vom Status Quo, dass sie Risiken eingingen, die sie vor zehn Jahren nicht einge­gangen wären.

artechock: Die drei irani­schen Frauen, die man im Film sieht, haben also keine Repres­sa­lien zu erwarten gehabt?

Schauder: Doch. Eine von den beiden hat mitt­ler­weile poli­ti­sches Asyl, die zweite ist auch im Ausland. Aber nicht aufgrund des Films. Sie wollten sowieso ins Ausland reisen, aber wegen des Films nicht mehr. Die dritte ist noch im Iran und um die machen wir uns die größten Sorgen, weil wir wissen, dass sie schon zwei Mal vom Geheim­dienst verhaftet und verhört wurde. Ihr Telefon wird abgehört, ihre Emails werden angezapft und ihre Familie und sie selbst haben Ausrei­se­verbot. Das ist bedenk­lich, aber jetzt sprechen wir darüber. Was wir anfangs nicht getan haben, weil wir nicht wußten, wie wir damit umgehen sollten. Aber jetzt machen wir das, weil es die einzige Möglich­keit ist, Aufmerk­sam­keit darauf zu lenken, falls jetzt wirklich etwas ernst­haftes mit ihr passieren sollte.

artechock: Es fällt auf, dass diese Frauen sehr offen und kritisch reden. Männer sieht man jedoch im Film nicht Stellung beziehen. Wie kommt das?

Schauder: Ich hätte gerne die Meinung der Frauen denen der Männer gegen­ü­ber­ge­stellt. Aber es ging einfach nicht, weil die Frauen eine sehr viel stärkere Meinung hatten. Die Mitspieler von Kevin waren so wie viele Sportler: inter­es­sieren sich für ihren Sport, mit welchen Frauen sie ausgehen, wie der nächste Vertrag ist, aber nicht unbedingt für sehr viel mehr.
Es spiegelt ein bisschen die Realität auch wieder, dass Frauen noch unzu­frie­dener sind als Männer. Ich will nicht sagen, dass die Männer nicht unzu­frieden sind, aber Frauen sind Bürger zweiter Klasse innerhalb einer Gesell­schafts­form, die sowieso schon ziemlich repressiv ist.

Ursprüng­lich war ja die Grundidee vor allem die Iraner als Menschen etwas nuan­cierter darzu­stellen, als sie in den west­li­chen Medien darge­stellt werden. Sowohl in den USA als auch hier. Und dieses Verlangen hatte ich aufgrund der Tatsache, dass meine Frau Iranerin ist und ich schon im Iran gewesen war und auch merkte, was da für eine Diskre­panz zwischen der Darstel­lung und der Wirk­lich­keit herrscht. Das war die erste Moti­va­tion. Gleich­zeitig wollte ich auch die Miss­stände im Land zeigen, also die Menschen­rechts­ver­let­zung, die Frau­en­rechts­si­tua­tion. Das ist durch die Grüne Bewegung stärker geglückt, als ich mir vor dem Dreh hätte träumen lassen.
Unser Ansatz war, dass wir über eine ganz unpo­li­ti­sche Figur in dieses Land eintreten und dann über den Sport die Möglich­keit haben in die Bereiche vorzu­stoßen, die uns eigent­lich inter­es­sieren:
Soziales, Religion, Politik.

artechock: Das Ende der Dreh­ar­beiten ist drei Jahre her und Der Iran Job kommt jetzt erst in die Kinos. Warum?

Schauder: Es hat einfach lange gedauert ihn zu machen. Wir hatten nicht die volls­tän­dige Finan­zie­rung. Wir mussten immer Finan­zie­rung auftreiben, während wir noch am Arbeiten waren. Ich wollte nicht etwas machen, was tages­ak­tuell ist. Sondern ich wollte etwas machen, was auch in zehn Jahren noch inter­es­sant ist. Die Tatsache, dass er jetzt, nachdem diese Grüne Bewegung drei Jahre zurück­liegt, läuft und die Leute immer noch eine starke Reaktion zeigen, lässt mich hoffen, dass es viel­leicht ein Film ist, der nicht nur über eine Zeit geht, sondern über etwas Univer­sel­leres.

artechock: Die Musik im Film spielt eine große Rolle?

Schauder: Eine Sache, die von Anfang an klar war, bevor ich überhaupt Kevin gefunden hatte, war die Musik.
Weil ich bei meinen Recher­chen immer in Autos von diesen Spielern mitge­fahren bin oder von anderen Leuten, die mir geholfen haben. Und die haben alle diese wahn­sinnig gute Rapmusik gehört. Obwohl ich das Farsi nicht verstehen konnte, aber merkte, da steckt eine unglaub­liche Energie hinter. Eine Rohheit, die es im ameri­ka­ni­schen Rap nicht mehr gibt, viel­leicht sind die mitt­ler­weile zu kommer­ziell. Außerdem sind sie sehr gut produ­ziert. Und das hat mich über­rascht, weil ich erstens wußte, dass Rapmusik verboten ist im Iran, also das zu produ­zieren und auch sich das anzuhören. Und trotzdem machen es aber alle in der Privat­heit des Autos oder bei sich zu Hause. Und da war mir klar, der Film muss diesen Sound­track haben, weil nichts den Zeitgeist einer Gene­ra­tion so wieder­gibt wie Musik und die wenigsten im Westen wissen ja, dass solche Musik da produ­ziert wird.