09.01.2003

»Bilder können nicht anders, sie lügen«

Robin Williams als Sy Parrish
Robin Williams als Sy Parrish

Der Regisseur Mark Romanek über One Hour Photo

Sein Spiel­film­debut liegt eine gute Weile zurück: 1985 drehte Mark Romanek den schrägen Static. Seither machte er durch (teils unver­gess­liche: siehe Nine Inch Nails' Closer) Musik­vi­deos auf sich aufmerksam. Mit dem Thriller One Hour Photo kehrt der Regisseur auf die große Leinwand zurück.
Mit Mark Romanek sprach André Grzeszyk.

artechock: Hattest du Schwie­rig­keiten One Hour Photo zu reali­sieren?

Mark Romanek: Nichts an diesem Film machte Schwie­rig­keiten. Ich habe in den letzten sieben, acht Jahren viele Projekte zu reali­sieren versucht, aber nichts davon hat geklappt. Bei One Hour Photo haben die Dreh­ar­beiten zehn Monate, nachdem ich mich für die Idee inter­es­sierte, begonnen – und da gab es noch nicht einmal das fertige Drehbuch. Der Film wollte gemacht werden, so wie er jetzt ist. Und das beinhaltet auch Robin Williams.

artechock: War er von Anfang an beteiligt?

Romanek: Ich hatte zu Beginn gar nicht an Robin Williams gedacht. Ein wirk­li­cher Star würde nicht in einem so düsteren Film mitmachen wollen... Also, warum hätte ich ihn beläs­tigen sollen? Ich wollte mit einem guten Inde­pen­dent-Schau­spieler drehen. Aber dann hat Robins Agent das Drehbuch gelesen, und so kam die Idee auf. Ich für meinen Teil war zunächst nicht besonders begeis­tert – was nicht daran liegt, dass ich kein Fan von Robin Williams bin – aber diese Figur sollte jemand sein, den der Zuschauer, fünf Minuten nachdem er ihn gesehen hat, wieder vergisst. Das ist ein Wider­spruch, weil der ganze Film sich um ihn dreht. Also muss der Charakter gleich­zeitig faszi­nie­rend und leicht zu vergessen sein. Und mit einem Star in der Haupt­rolle treibt man diesen Wider­spruch natürlich auf die Spitze.
Das ist auch der Grund, warum wir Robin in seiner körper­li­chen Erschei­nung so stark verändert haben. Das war von Anfang an klar, denn wir mussten die Zuschauer dazu bringen, nicht in erster Linie Robin Williams zu sehen. Er verstand sofort, was die Grund­stim­mung des Films bedeutet und wollte den Film machen. Im Nach­hinein ein Glücks­griff. Das Studio fühlte sich sicherer mit einem Star im Film, weil wir dadurch natürlich mehr Aufmerk­sam­keit bekommen würden. Und zugleich bedeutete die Besetzung Robin Williams, dass der Film noch subver­siver werden würde.

artechock: Was bedeutet Dir die Figur des Sy Parrish?

Romanek: Schon als ich das Drehbuch fertig geschrieben hatte war mir klar, dass dies ein Film mit einem unheim­li­chen Heiligen werden würde, nicht mit einem bösen, erschre­ckenden Menschen. Deshalb endet One Hour Photo auch so über­ra­schend für den Zuschauer. Ich sehe in dem Stoff eine Lovestory über einen Typen, der sich in die Idee einer Familie verliebt, auch wenn sich seine Liebe in sehr krasser Art und Weise mani­fes­tiert.

artechock: Noch einmal zum Ende, das wirklich unkon­ven­tio­nell ist. Hattest du das Recht auf den final cut?

Romanek: Das Studio sagte, dass sie mich nicht zwingen würden, Sachen zu ändern oder heraus­zu­schneiden. Es ist nicht diese Art von Studio. Sie bezahlen den Leuten nicht besonders viel Geld und sie verlangen, dass du deine Filme innerhalb eines sehr straffen Budgets reali­sierst. Im Gegenzug bekommt man völlige kreative Frei­heiten.
Das Ende ist so über­ra­schend, weil der ganze Film immer wieder mit den Erwar­tungen der Zuschauer spielt. In dem Moment, wo das Jagd­messer auftaucht, denkt man, dass bald Blut fließen wird. Aber dem ist nicht so. Die Fami­li­en­photos sind trüge­risch, weil sie immer nur perfekte Momente abbilden. Und viel­leicht sind die Bilder, die uns der Film zeigt genauso trüge­risch. Und viel­leicht ist dies eines der Themen, von denen One Hour Photo tatsäch­lich erzählt: Bilder können nicht anders, sie lügen.

artechock: Wie sah der Produk­ti­ons­pro­zess aus?

Romanek: Der Film wurde in 43 Tagen abgedreht. Dann habe ich mir aber 13 Monate Zeit für den Schnitt genommen. Zum einen, weil ich die Arbeit gemocht habe. Zum anderen war der Film wirklich schwer zu schneiden. Die Zuschauer sollen sich so auf die Charak­tere einlassen, wie ich es will und der Linie bis zum Schluss folgen. Robin Williams bot mir viele Möglich­keiten in seinem Spiel, viele Varia­tionen, so dass ich One Hour Photo noch düsterer hätte schneiden können, oder auch lustiger und leichter. Allein Robin gerecht zu werden hat neun Monate gedauert. Man kann im Schnitt die Leistung eines Schau­spie­lers unter­s­tützen, man kann sie aber auch zunichte machen, und ich fühlte mich Robin gegenüber einfach enorm verpflichtet.

artechock: Vor One Hour Photo hast du viele Video­clips gemacht. War es ein großer Schritt von dort zum Spielfilm?

Romanek: Die Videos waren eine große Hilfe und gaben mir die Möglich­keit, diesen Film zu machen. 10 Jahre Clips haben mich das Handwerk gelehrt. Ich musste mir während des Drehs nicht so viele Gedanken über die tech­ni­sche Seite der Produk­tion machen und konnte mich so auf die Schau­spieler konzen­trieren. Und ich hatte viele Mitar­beiter, die ich mitbringen konnte. Es ist fast wie eine Familie mit der ich arbeite. Das gibt mir ein starkes Gefühl von Sicher­heit.
Jedoch bringen dir die Videos nicht wirklich bei, wie man einen Film macht. Ich habe mich mit One Hour Photo immer gefühlt wie mit einem klas­si­schen Musik­stück, wie mit einer Symphonie. Es gibt Tempi­wechsel, der Rhythmus ist mal schneller, mal langsamer, was es beim Clip nicht gibt.