10.07.2025

»Manchmal muss man einfach einen traurigen Song hören«

Tim Key in The Ballad of Wallis Island
Tim Key in The Ballad of Wallis Island
(Foto: Universal)

Tim Key und James Griffiths über die schmerzvolle Wohlfühl-Komödie The Ballad of Wallis Island

Die lebende Desert Island Disc: Ein verschro­bener Lotto-Millionär lockt sein Folks­inger-Idol Herb McGwyer auf seine einsame Insel für ein Privat­kon­zert. Und insgeheim für den Versuch einer Reunion mit seiner musi­ka­li­schen wie privaten Ex-Partnerin.
The Ballad of Wallis Island ist im Gewand einer Wohlfühl-Komödie ein Film über Schmerz, Einsam­keit und das Fest­ste­cken im Leben. In einer Haupt­rolle und als Co-Autor: Tim Key, einer der origi­nellsten Köpfe der aktuellen BritCom-Szene. Der Film eröffnete das Filmfest München 2025. Zu diesem Anlass trafen wir Tim Key und Regisseur James Griffiths. Der Text ist eine Montage aus den einzeln geführten Gesprächen.

Das Gespräch führte Thomas Willmann

artechock: Wenn Geld keine Rolle spielen würde – wen würden Sie für ein Privat­kon­zert anheuern?

James Griffiths: Wenn alle noch am Leben wären, würde ich liebend gerne Crosby, Stills, Nash & Young aus der Woodstock-Zeit wieder­ver­einen. Diese Harmonien! Die Beach Boys wären bei mir auch ganz weit vorne. Aber auch da ist freilich jüngst einer verstorben.
Wenn’s drum geht, Leute zusam­men­zu­bringen, die noch am Leben sind, dann würde ich Simon & Garfunkel nehmen. Das wäre glaub ich ein gutes Konzert.

Tim Key: Wenn Geld und Tod keine Rolle spielen? Okay. Dann müssen es die Beatles sein!

artechock: Und wenn der Tod ein Hindernis wäre? Was ja sein könnte...

Tim Key: Ja, was sein könnte. (Lacht) Dann würde ich gern Dolly Parton sehen.

artechock: Oh, inter­es­sante Wahl! Und Mr. Griffiths, wen würden Sie wählen unter Leuten, die aktuell in einer Besetzung aktiv sind?

James Griffiths: Ich bin ein riesiger Radiohead-Fan. Und ich liebe es, Thom Yorke zuzu­schauen. Ich halte ihn für einen der groß­ar­tigsten Performer, die ich je live erlebt habe. Mit denen einen Privat-Gig zu haben wäre ziemlich krass.

artechock: Und glauben Sie, dass so eine reine Privat­vor­stel­lung wirklich eine Freude wäre?

Tim Key: Nein, ich denke, das wäre einfach nur seltsam. Ich würde nicht gern, wie es im Kontext des Films geschieht, einen Koffer voller Geld aushän­digen. Ich denke, das ergäbe eine sehr seltsame Dynamik. Charles im Film scheint damit kein Problem zu haben. Er glaubt: Nachdem die finan­zi­elle Trans­ak­tion erledigt ist, sind sie zwei Menschen auf Augenhöhe, die einfach ein paar nette Tage mitein­ander verbringen. Charles hat alles überhaupt nicht weiter durch­dacht. In der Realität hätte ich das immer im Hinter­kopf: Ich habe der Person das ganze Geld gegeben, und sie verbringen ihre Zeit nur mit mir, weil sie müssen.

James Griffiths: Ja, ich fände die Situation eher peinlich, unan­ge­nehm. Ich hätte gern zumindest meine Familie dabei. Ein paar Leute um mich wären schon nett. Auch für die Menschen, die da auf der Bühne stehen. Das stell ich mir sehr schwer vor, wenn man nur ein kleines Publikum hat. Als Live-Act nimmt man ja auch die Energie des Publikums auf.

artechock: In fiktio­nalen Filmen über angeblich welt­berühmte Musik-Stars ist deren Musik selten wirklich über­zeu­gend. In The Ballad of Wallis Island aber glaubt man total, dass es Herb McGwyer und Nell Mortimer gibt, und dass sie mit diesen Songs bekannt wurden. Wie ist Ihnen das gelungen?

James Griffiths: Tom Basden [der Herb McGwyer spielt] schreibt seit 20 Jahren Songs. Wir haben schon den Kurzfilm zusammen gemacht. [The one and only herb mcgwyer plays wallis island, 2007.] Einige Songs sind auch aus dem Kurzfilm über­nommen. Als es dran ging, daraus einen Langfilm zu machen, hat Tom dieses Oeuvre um Nells Anteil erweitert. Im Kurzfilm gab es nur McGwyer. Daraus wurde McGwyer-Mortimer. Die Musik erzählt viel von ihrer Backstory – den verschie­denen Phasen, die sie gemeinsam durch­laufen, die Anzahl an Alben, die sie veröf­fent­licht haben. Als Tom und ich über die Musik gespro­chen haben, war es uns enorm wichtig, dass es sich anfühlt, als könnte dieser Musiker exis­tieren, aber man habe noch nicht von ihm gehört. Ich wollte, dass die Band authen­tisch genug ist, dass wenn man 2014 auf Spotify gesucht hätte, man da ein McGwyer-Mortimer Album hätte entdecken können. Es musste ein Musikstil sein, der hinrei­chend under­ground ist, dass er nicht ins allge­meine Bewusst­sein gedrungen ist. Der aber auch eine sehr starke Fanbasis hat. Wie die Acts Anfang der 2000er, für die ich viele Musik­vi­deos gedreht habe. Die es nicht in die Charts geschafft haben – die aber dennoch viel Musik veröf­fent­lich haben und auf Tour unterwegs waren.

Tim Key: Als Tom und ich den Kurzfilm schrieben, kam der Moment, wo’s drum ging, die Songs zu kompo­nieren. Und ich erinnere mich, wie ich damals meinte: »Nun, eventuell müssen wir uns dafür einen echten Profi-Musiker suchen.« Und Tom war so: »Nein, kann ich schon selber machen.« Und ich: »Viel­leicht...« Und er: »Nein, kann ich, definitiv.« Und ich wusste, dass er gut war, weil er damals Comedy-Songs geschrieben hat. Aber als er dann den ersten Song für den Kurzfilm schrieb... Das war ein entschei­dender Moment. Wo klar wurde: Wow, wir können für den Kurzfilm einen völlig glaub­wür­digen Folks­inger erschaffen. Ohne das hätte der Kurzfilm nicht funk­tio­niert. Als es dann an den Langfilm ging, war das schon ein wichtiger Baustein, der feststand. Dass Tom die Songs schreiben würde. Und dann ist er noch so viel weiter gegangen als im Kurzfilm. Er hat, glaub ich, zwei, drei Songs aus dem Kurzfilm über­nommen. Dann hat er fünf, sechs Songs benutzt, die er im Lauf der letzten 15 Jahre geschrieben hatte. Nicht für den Film, sondern über die Liebe, sein Leben, solche Sachen. Die schweben da im Film umher. Und als wir den Langfilm schrieben, hat er ein paar Songs maßge­schnei­dert, welche die Beziehung zwischen Herb und Nell im Lauf des Filmes beleuchten. Das macht dann etwa ein Dutzend Songs. Und die sind nicht einfach innerhalb von einem Monat für den Film entstanden. Das ist die Arbeit eines Lebens. Was wir unmöglich für einen Film hätten erschaffen können – außer halt dadurch, dass wir vor 18 Jahren den Kurzfilm gemacht haben, und Tom in einem Geist weiter­ge­macht hat, der irgendwie parallell ist zu der Musiker-Figur, die er im Film spielt. Wir haben für den Film quasi gratis die Arbeit eines ganzen Lebens bekommen. Man kann sowas freilich halbwegs nachahmen. Aber es ist sehr, sehr real, wenn die Jahre sich ansammeln. Der Film steht und fällt damit, ob man glaubt, dass das ein tatsäch­li­cher Musiker ist. Man kann jetzt wirklich das Album kaufen – und es ist wunder­schön. Es ist nicht nur glaubhaft. Es ist offen­sicht­lich seine Musik, und sie ist fantas­tisch.

artechock: Tim, Sie spielen gern Charak­tere, die auf einer Ebene eine gewisse Autorität genießen – wie Charles durch sein Geld. Die aber im Zwischen­mensch­li­chen heillos über­for­dert und unter­legen sind.

Tim Key: Ich kann nicht genau sagen, wo dieser Typus herkommt. Aber Tom und ich waren zusammen in einer Sketch-Comedy-Truppe. Und wir haben einfach sehr viel Material geschrieben. Von circa 2004 bis 2007 waren wir unglaub­lich produktiv. Mit unseren Karrieren ging nichts voran. Und da war es das Beste, dass wir einfach enorm viel geschrieben haben. Wir haben permanent expe­ri­men­tiert, jeder einzelne Sketch war eine neue Figur. Drei Seiten Dialog, die wir dann auf der Bühne aufführten. Und wir bekamen ein Gespür dafür, welche davon funk­tio­nierten und welche nicht. Und darunter war wohl auch der Archetyp für meine Filmfigur Charles: Ein Typ, der keinen Aus-Schalter hat. Der einfach redet und redet und redet. Ich erinnere mich an Sketche mit mir und Tom, die in dieser Art waren. Und als uns der Plot des Kurzfilms einfiel, waren da zwei Charak­tere, die sehr gut inein­ander greifen: Ein Typ, der sich selbst sehr ernst nimmt und seine Ruhe braucht. Welcher auf einen Mann trifft, der nichts richtig durch­denkt und der jede Stille mit dem unab­lässig spru­delnden Schwall an Schmarrn füllt, der aus seinem Mund kommt. Das fühlte sich sofort nach einer Konstel­la­tion an, die man wunderbar schreiben konnte.

artechock: Können Sie etwas mehr erzählen über die Reise vom Kurz- zum Langfilm?

James Griffiths: Als wir den Kurzfilm drehten, hatten wir einfach Freude an der Dynamik zwischen Fan und Künstler, und wie die sich anfühlt. Die Unbe­hol­fen­heit, Verle­gen­heit daran, und wie daraus viel Komik entsteht. Wir haben dann drüber geredet, daraus eine Lang­film­ver­sion zu machen, einfach weil wir kreativ so eine gute Zeit hatten bei der gemein­samen Arbeit an dem Kurzfilm. Der Kurzfilm war schon immer die Sache, auf die wir am stol­zesten waren. Egal, was und wieviel wir seither gemacht hatten. Es wurde mit der Zeit recht schmerz­haft, dass wir noch immer keine Lang­ver­sion gemacht hatten. Das hat uns alle gejuckt.
Aber wir sind alle in unter­schied­liche Rich­tungen, haben unser eigenes Ding gemacht. Tim sein Standup, Tom als Schreiber und Performer, und ich bin in die USA und hab jede Menge TV-Pilot­filme und Serien gedreht. Erst Covid hat uns dann alle gezwungen, das zu unter­bre­chen.
Und wir haben uns zusam­men­ge­hockt und dachten, der Kurzfilm könnte ein guter Ausgangs­punkt sein, wo wir uns auf eine Insel verkrie­chen könnten, in eine Covid-Bubble, und im gemein­samen Lockdown einen Film machen. Das war der Start des Schreib­pro­zesses. In Wirk­lich­keit hat es dann einige Jahre gedauert, tatsäch­lich den Film zu drehen. Aber das hat uns die Haupt­figur erschlossen und die Dynamik, die zum Antrieb des Kinofilms wurde.

Tim Key: Bei dem Kurzfilm fühlte es sich gut an, zwei Leute zu haben, die wirklich nicht zusammen sein sollten, ohne einander aber nicht auskommen. Das ist ein klas­si­sches Sitcom-Muster. Auch wenn’s nur für drei Tage ist. Als wir darauf für den Langfilm zurück­griffen, wollten wir schauen, was passiert, wenn wir diese Beziehung über andert­halb Stunden durch­halten könnten. Und dann noch andere Figuren dazu kommen. Aber die beiden Charak­tere hatten was... – mehr, als wohl manch andere Figuren, die wir über die Jahre erfanden.

artechock: Es ist einer der seltenen Fälle, wo die Langfilm-Version wirklich etwas zu bieten hat, was der Kurzfilm nicht besser auf den Punkt bringt. Was sicher auch an den 18 Jahren liegt, die dazwi­schen vergangen sind...

James Griffiths: Ja. Die kreative Reise hätte anders ausge­sehen, wenn wir den Langfilm bald nach dem Kurzfilm gemacht hätten. Das hätte sich sogar beinahe ergeben. Aber damals hätten wir nicht den gleichen Film gemacht. Wir hätten keinen Film über die Vergan­gen­heit machen können, ohne eine Vergan­gen­heit zu leben. Emotional steckt in dem Film sehr viel von dem, was wir alle durchlebt haben.

Tim Key: Ja. Darum hat es 18 Jahre gebraucht. Der Kurzfilm hat zwei Sachen erreicht. Zum einen war er abge­schlossen und fühlte sich sehr stimmig an. Aber zum anderen schien er wie etwas, zu dem wir zurück­kehren sollten. Und ich glaube, weil da beides zugleich war, sind wir drei, vier Jahre nicht auf ihn zurück gekommen. Woraus sieben, acht Jahre wurden. Und allmäh­lich wuchs das, so dass nach zehn Jahren das Gefühl da war, viel­leicht sollten wir uns die Sache nochmal vornehmen. Nach 12 Jahren war da viel­leicht mal eine konkrete Idee. Nach 15 Jahren war Griff [James Griffiths] wieder im Lande, und es kam in Bewegung. Ich erinnere mich an die ganzen Gespräche mit Tom, wo ich gesagt hab: »Aus dem Stoff einen Kinofilm zu machen, wäre meine absolute Priorität. Dafür würde ich alles andere hinschmeißen.« Und er meinte: »Ja, ist bei mir genauso. Aber das bringt nichts, wenn wir kein Drehbuch haben.« Es blub­berten immer mal so Ideen herum – aber schließ­lich gab es den Moment, wo wir beide Zeit hatten und wirklich das Drehbuch schrieben. Und es ist echt erstaun­lich, dass wir beim Schreiben nicht wirklich verstanden haben, was darin steckte. Wir waren glaube ich beide sehr zufrieden mit dem Skript. Aber erst, seit der Film gezeigt wird, und wir Inter­views geben, versteht man selbst so richtig, worum es darin eigent­lich geht. Wir dachten ursprüng­lich, der Haupt­un­ter­schied sei, dass wir nun Nell im Film hatten und damit diese Beziehung. Aber seit wir den Film gemacht haben glaube ich, dass der entschei­dende Unter­schied der ist, dass wir älter sind. Und unsere Figuren seit zehn Jahren an einem Punkt im Leben fest­ste­cken. Das war nie im Gespräch, wenn wir überlegt haben, worum’s in der Lang­ver­sion gehen soll. Das haben wir nie im Pub disku­tiert. Wir haben das rein als Plotpoint disku­tiert: Was wäre, wenn es ein Duo war, und Charles hat sie beide auf die Insel gelockt, ohne dass sie vonein­ander wissen. Wenn ich den Film jetzt betrachte, dann ist das nicht einfach ein Plotpoint. Da ist ein Vibe, eine gewisse Energie bei der es ums Fest­ste­cken im Leben geht. Eine Menge Bausteine waren schon am rechten Platz in dem Kurzfilm. Nur das Alter nicht. Und beim Alter muss man einfach nur warten. Und es wird kommen.

James Griffiths: Ja, das hat eine ganz andere Energie, wenn man sich mit 40, 50 wieder­findet, nicht wahr? Wo man zurück­blickt und sich fragt: »How did I get here?« Um es mit den Talking Heads zu sagen. Man hat diese Momente, wo man sich denkt: Keine Ahnung, wie ich hierher geraten bin. Und man in der Vergan­gen­heit hängen bleiben kann. Es ist enorm wichtig, die Schritte zu unter­nehmen, um die Vergan­gen­heit anzu­er­kennen, sich aber weiter voran­zu­be­wegen. Das ist hoffent­lich, was die Charak­tere auf der Insel erfahren.

artechock: Im Kurzfilm kann man noch eher glauben, dass Charlie noch ein drittes Mal im Lotto gewinnen könnte. Im Alter gehen solche Chancen allmäh­lich aus...

James Griffiths: Ja, genau. Je älter man wird, umso kostbarer wird einem diese letzte Chance, noch irgendwie wirklich Dinge zu ändern. Das geschieht im mittleren Alter, dass man sich denkt: Viel­leicht ist jetzt die Zeit, mich nochmal ganz anders zu orien­tieren. Insofern war es der richtige Zeitpunkt für das Ensemble, die Autoren und mich, den Film zu machen.

artechock: Gut, dass Sie gewartet haben!

Tim Key: Das müssen wir uns immer wieder selber einreden... (Lacht)

artechock: Sie waren vom Kurzfilm her wohl schon eine recht einge­schwo­rene Film-Familie. Wie haben Sie die Neuan­kömm­linge inte­griert?

James Griffiths: Das war tatsäch­lich sehr einfach. Weil alle Leute, die an Bord des Films kamen, einfach wunder­bare, groß­zü­gige Schau­spieler und Menschen waren, die jede Menge Neugier und Offenheit mitbrachten und wirklich in der Welt invol­viert sein wollten, die wir zu schaffen versuchten. Ich denke, viel davon geht auf eine Liebe zu Tom und Tim und ihrer Arbeit zurück. Carey [Mulligan] war ein großer Fan von Tims und Toms Arbeit und der Late Night Poetry Shows. Und Sian [Clifford] kennt sie freilich aus den Comedy-Kreisen. Alle haben den Tonfall und die Art Film kapiert, die wir machen wollten. Drum war es sehr leicht, sie in die Gruppe zu inte­grieren.

artechock: Was ist Ihre Rolle als Regisseur, wenn die Autoren auch die Haupt­dar­steller sind?

James Griffiths: Da wir uns schon so lange kennen, haben wir einfach sehr viel gegen­sei­tigen Respekt für unsere Rollen. Ich bin kein Autoren-Regisseur, insofern gibt’s da für mich keinen Konflikt. Ich bin zufrieden damit, meine Rolle anzu­nehmen, den Weg zu weisen und mich um das visuelle Geschich­ten­er­zählen zu kümmern, um den Tonfall, den Look, das Gesamt­ge­fühl. Und ihnen dann zu erlauben, am Set ganz Schau­spieler zu sein.
Wenn sie ans Set kommen, dann lassen sie sehr diszi­pli­niert ihre Schreiber-Seite zurück und konzen­trieren sich ganz auf ihre Rolle als Schau­spieler. Wenn man Leute von einem Kaliber wie Carey, Sian und Akemnji am Set hat, dann muss man als Schau­spieler echt voll auf der Höhe, voll präsent sein.
Und ich gestatte ihnen den Raum, am Set kreativ zu bleiben.
Ich schau den Beiden echt gern zu. Mein Job ist es, am Monitor zu sitzen und mich zu fragen: Glaub ich das wirklich? Bringt das die Geschichte wirklich voran?

artechock: War es schwer, die richtige Balance aus süßeren und herberen Noten zu finden?

James Griffiths: Das ist ziemlich schwer. Viel davon geschieht schon in der Entwick­lung. Wir lassen uns viel Zeit damit, den ganzen Stoff zu hinter­fragen und sicher­zu­stellen, dass alle Figuren in die richtige Richtung gehen. Dass wir die Geschichte vom Tonfall auf die richtige Weise erzählen. Viel davon steckt im Buch, wo Tom und Tim, wenn es zu senti­mental wird, mit einer Pointe gegen­steuern. Aber es bleibt ein totaler Draht­seilakt – aber das finde ich auch aufregend.

Tim Key: Ich glaube, Tom und ich sind beide recht intuitive Schreiber. Und wir wussten von gewissen Bausteinen, dass sie im Film sein würden. Die Dialoge haben wir recht flott geschrieben. Der ganze Humor steht da also schon drin. In den Regie­an­wei­sungen gibt es dann diese kleinen Denk­pausen... Wir finden beide die Vorstel­lung inter­es­sant, dass oft Menschen andere zu schnell abtun, abschreiben. Wir mögen beide, dass Herb sofort Charles abschreibt, und viel­leicht auch das Publikum ihn für einen bloßen Hanswurst hält. Und dies dann im Verlauf des Films allmäh­lich zu wandeln, und einen merken zu lassen, dass er ein Mensch ist, mit Gefühlen und einer Vergan­gen­heit... Nachdem wir die erste Fassung fertig hatten, haben wir dauernd geschaut, wie vorder­gründig im Mix seine Vergan­gen­heit sein sollte. Wir wollten rüber­bringen, dass er verhei­ratet war etc. – aber dem Publikum auch nicht mit dem Vorschlag­hammer kommen. Das ist eine delikate Ange­le­gen­heit, und sie hängt meiner Meinung nach zum Teil am Skript, zum Teil an der schau­spie­le­ri­schen Darstel­lung und dann zum Teil an den Entschei­dungen, die man beim Schnitt trifft. Es gibt da diese Szene, wo das alles ein bisschen mehr ausbuch­sta­biert wird, wo ich mit Carey rede, während wir spazie­ren­gehen. Und das fand ich inter­es­sant: Bei der Szene hatte ich befürchtet, dass sie etwas plump werden könnte. Aber Careys Darstel­lung... Sie ist so gut darin, Wärme und Mitgefühl auf der Leinwand zu kommu­ni­zieren. Und das macht die Szene rund.

artechock: Impro­vi­sieren Sie viel am Set, oder halten Sie sich ans Drehbuch?

James Griffiths: Wenn wir loslegen, ist das Drehbuch sehr stimmig. Und wir sind sehr diszi­pli­niert darin, zuerst das ganze Skript in den Kasten zu kriegen. Danach kann man kreativ werden. Dann geht es für mich darum, ihnen die Gele­gen­heit zu geben, spie­le­risch zu sein und neue Optionen, zusätz­liche Elemente in einer Szene zu finden. Aber ich merke schnell, wenn Dinge zu selbst­ver­liebt werden oder mich aus der Geschichte reißen. Die Jungs sind aber sehr gut darin, mit den Impro­vi­sa­tionen den Figuren treu zu bleiben. Und wir haben das Glück, dass Tims Figur jemand ist, der unglaub­lich wortreich und etwas will­kür­lich ist und nicht aufhört zu reden. Da kann man ziemlich viel rein­werfen und immer noch das Gefühl haben, dass das Charles' Welt ist.

artechock: Wo haben Sie gedreht? Und wieviel Drehtage hatten Sie?

James Griffiths: Wir haben in Pembrokeshire an der Südküste von Wales gedreht. Und wir hatten 18 Tage. Was sehr wenig Zeit ist. Wir hatten viel wech­selndes Wetter, das »Vier Jahres­zeiten an einem Tag«-Wetter von Wales. Regen, Sonnen­schein, Wolken – und dann noch die Gezeiten. Der Dreh war sehr heraus­for­dernd, physisch anstren­gend und sehr schnell. Aber wir hatten eine Crew von Leuten, mit denen ich zum Teil seit 20 Jahren zusam­men­ar­beite. Alle ziehen in die selbe Richtung. Man spürt die Eigen­dy­namik. Das hat eine Energie, die sich glaub ich auch auf die Leinwand überträgt. Wenn ich gewusst hätte, dass der Film so ein großes Publikum findet, hätte ich vermut­lich fünf Tage und ein paar Millionen Dollar Budget mehr verlangt. Aber auch wenn ich all die Sachen sehe, die ich anders machen würde, scheint das Publikum mit seinem frischen Blick sich nicht dran zu stören. Insofern bin ich zufrieden.

artechock: Was bereuen Sie am meisten, nicht in den Kasten bekommen zu haben?

James Griffiths: Ich glaube, für mich sind das die Szenen im Meer kurz vor dem Konzert. Wir haben nicht den richtigen Wellen­gang gehabt. Wir wollten unru­hi­geres Meer. Uns schwebte etwas leicht anderes vor. Und ich glaub, wir haben uns grad so durch­ge­mo­gelt. Aber beim Filme­ma­chen hat man immer Sachen, die man sich anders vorge­stellt hat als das, was man letzt­end­lich bekommt. Ich glaube, wenn ich den perfekten Film gemacht hätte, würde ich vermut­lich in Rente gehen. Und das wollte ich auch nicht.

artechock: Und selbst dann würde man mit Abstand befinden: Das war nicht perfekt...

James Griffiths: Ja. Das ist Teil der kreativen Reise, dass man immer Gele­gen­heit entdeckt zu lernen, zu wachsen und besser zu werden in dem, was man tut.
Es ist auch ein Handwerk. Jedesmal, wenn man etwas macht, lernt man etwas Neues. Einen Film zu machen, verzeiht nichts. Das ist nicht wie mit Fernsehen, das irgendwo so im Äther rumschwebt. Ein Film bleibt einem das ganze Leben. Insofern ist da ein bisschen mehr Druck...

artechock: Hätten Sie den Langfilm in jüngeren Jahren gedreht, wäre vermut­lich auch die Versu­chung größer gewesen, Herb und Nell wieder zusam­men­zu­bringen, oder...?

James Griffiths: Ja. Aber wir alle waren überzeugt, dass es sehr wichtig war, dass sie nicht wieder zusam­men­kommen. Dass es dabei mehr um die Gefühle ging, die Herb auf Nell proji­ziert, als das, was für die beiden wirklich richtig ist.
Wenn Nell auf der Insel ankommt, ist sehr klar, dass sie einfach nur das Konzert absol­vieren und mit ihrem Ehemann wieder verschwinden will. Aber es ist seltsam, wie wir als Menschen immer von anderen verlangen, dass sie sich verbiegen, um unsere Wünsche zu erfüllen...

Tim Key: Nells Ehemann ist ein netter Kerl. Aber das ist egal, weil er durch Herbs Augen immer ein Monster sein wird und ein Typ, der nicht mit Nell zusammen sein sollte. Egal was er tut: Wie er ein Sandwich isst, wie er sein Glas am Wasser­hahn füllt. Wenn man Herb erwischt, wie er ihn dabei anschaut, ist das immer: Der Typ ist ein Arschloch! (Lacht)

Tim Key: Es ist eine sehr persön­liche Geschichte für mich, weil ich eine Scheidung durch­ge­macht habe. Und es gab Zeiten, wo ich verzwei­felt wieder mit meiner Frau zusam­men­kommen wollte. Sie war diejenige, die Nein sagte. Was ich sehr schwierig fand. Und es fiel mir schwer, darüber hinweg zu kommen. Diesen Aspekt des Films empfinde ich als sehr persön­lich. Dieses Gefühl, etwas zu wollen, von dem man vermut­lich weiß, dass es nicht gut ist für einen. Und die Person sagt einem, dass es nicht mehr das Richtige ist für einen. Und trotzdem steckt man da fest. Kommt nicht drüber hinweg.

artechock: Auch das ist Lebens­er­fah­rung, die seit dem Kurzfilm hinzu kam...

James Griffiths: Ja. So schmerz­voll die Erfahrung war... Das ist das Schöne an der Kunst, dass man solche Gefühle ein wenig erkunden kann, über seine Entschei­dungen nach­denken und zurück­bli­cken kann.
Und der Film ist voller Schmerz. Auch wenn es eine wirklich nette Komödie ist und man das Kino beschwingt verlassen kann. Aber da steckt eine Menge Schmerz drin. Speziell in Charlies Figur.
Uns war wichtig, dass man den ganzen Film über glaubt zu wissen, wer Charlie ist, weil er einfach keine Pause macht. Aber genau in den Momenten, wo er aufhört zu reden, erkennt man den wahren Charles unter dieser Rüstung von Humor. Ich glaube, das ist eine wahr­haf­tige Beob­ach­tung über Menschen.
In diesen stillen Momenten spürt man wirklich den Schmerz, die Verwun­dung. Er muss diese Momente durch­ma­chen, damit sein Leben wieder vorangeht. Er muss diesen Schmerz annehmen und verar­beiten. Und das hat er noch verwei­gert. Die Musik erlaubt ihm das.
So geht’s mir auch mit Musik. Manchmal muss man einfach unbedingt einen traurigen Song hören, wenn man traurig ist. Wenn jemand traurig ist, sagen Leute immer: Leg einen fröh­li­chen Song auf, der wird dich aufmun­tern! Für mich stimmt das Gegenteil. Ich will lieber dieses Gefühl wirklich erfahren, eine Weile darin zubringen und mich dann hindurch, wieder heraus zu bewegen.

artechock: Ich liebe das Detail, dass Charles einen extrem guten Aufschlag hat – aber keinen Ball übers Netz zurück bekommt. Weil er Tennis immer nur alleine spielt. Das ist zugleich so lustig und sooo traurig...

James Griffiths: Das entstand aus einer Beob­ach­tung davon, wie es sein muss, ganz allein zu leben. Das war Tom und Tims Idee. Und wir wollten auch eine Szene, in der die beiden Figuren sich ein bisschen näher kommen, die nicht plump war, sondern mit etwas Witz.

Tim Key: Das ist das Schöne daran, wenn man einen Lang- statt einen Kurzfilm schreibt. Man kann ihn mit diesen ganzen kleinen Dingen bevölkern. Solche Sachen zu erzählen macht uns Freude. In der Szene könnten auch VFX zum Einsatz gekommen sein... (Grinst)

artechock: Sie haben den Ball nicht selber geschlagen?

Tim Key: Ich hab den Ball so hart geschlagen, wie ich konnte. Ich hab alles für die Szene gegeben. Aber ja, es musste einfach sehr schnell wirken, drum...

artechock: Tim, Sie sind Autor, Schau­spieler (u.a. in MICKEY 17), Stand Up Comedian. Zu einer Rolle muss ich aber unbedingt fragen: Was genau machen Sie als »Task consul­tant« bei der genialen Gameshow TASKMASTER?

Tim Key: Nun, manchmal geh ich mit Alex Horne [Erfinder, Produzent und Co-Moderator von TASKMASTER] in den Pub. Es ist einer der tollsten Jobs. In der ersten Staffel war ich als Kandidat dabei. Ich und Alex sind beste Freunde. Drum hat er mich nach der ersten Staffel gefragt, ob ich das machen würde. Bei der zweiten Staffel hab ich mir nur noch viel­leicht einen Task ausge­dacht und mir Alex’ Ideen angehört. Bei der dritten Staffel sind wir in den Pub und er erzählte mir seine Task-Ideen und ich sagte: »Fantas­tisch!« (Lacht) Und seit ungefähr der fünften Staffel mache ich eigent­lich fast gar nichts mehr. Es ist ein Ehren­titel. Wenn Alex je irgend­eine Frage haben sollte, ruft er mich an. Aber eigent­lich steh ich nur noch in den Credits.

artechock: Und Sie schreiben auch wunderbar eigen­wil­lige Gedichte. Haben Sie jetzt schon welche über München geschrieben?

Tim Key: Noch nicht. Werde ich aber noch, während ich hier bin. Ich hab inzwi­schen ein paar Gedicht­bände geschrieben. Und der letzte war über L.A., heißt »L.A. Baby!« und erscheint bald. Ich weiß noch nicht, was der nächste wird. Aber der darauf wird dann übers Reisen sein. Ich hab Gedichte in Prag, New York, Austra­lien, Lettland, der Slovakei geschrieben. Also ja, während ich hier bin, werde ich ein paar Gedichte schreiben, die dann vermut­lich in ungefähr zwei Jahren in ein Buch kommen.

artechock: Wir freuen uns drauf und danken für das Gespräch!