15.08.2013

»Sie haben das Gesetz gebrochen, aber ich kann sie verstehen«

Sofia Coppola
Sofia Coppola
(Foto: Pathé)

Prominenz, Voyeurismus und Exzess: Sofia Coppola über ihren neuen Film The Bling Ring

In Berlin in der Julihitze: Sofia Coppola hat ein kurzes, dünnes Sommer­kleid an. Um sie herum eine Handvoll Inter­viewer. Alles wirkt eher wie eine kleine Pres­se­kon­fe­renz. Sie trinkt stilles Wasser, und antwortet schnell in sehr kurzen Sätzen.

Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland.

artechock: Könnten Sie sich auch vorstellen, ein fremdes Drehbuch zu verfilmen?

Sofia Coppola: Darüber habe ich noch nie nach­ge­dacht. Für mich ist das Dreh­buch­schreiben Teil der ganzen Arbeit, einen Film zu machen.

artechock: Da sie in einer Künst­ler­fa­milie aufge­wachsen sind, und selber viele „Promi­nente“ kennen: Steht Ihnen The Bling Ring näher als andere Ihrer Filme?

Coppola: Nicht wirklich. Ich wuchs auf dem Land auf, eher behütet, und die Welt von Paris Hilton und Illus­trier­ten­stars ist mir wirklich fremd.

artechock: Was war es, dass Ihr Interesse an dieser Geschichte auslöste?

Coppola: Ich las den Artikel im „Vanity Fair“ und fand ihn sehr bemer­kens­wert. Er sagt viel über unsere Welt und handelt von einem Leben, das sehr anders ist als das, in dem ich aufwuchs. Er war unter­hal­tend, hatte viel Humor. Ich dachte, das könnte ein guter Film werden, aber zuerst glaubte ich nicht, dass ich das machen würde.

artechock: Sehen Sie Ihren Film als Kritik an der Kons­um­ge­sell­schaft und ihre Obsession mit billiger Prominenz?

Coppola: Ich denke, man muss diese Seite unserer Kultur mehr Beachtung schenken. Da ist etwas in unserer Kultur aus dem Gleich­ge­wicht geraten, zumindest in Amerika. Es ist wert, das zu disku­tieren. Aber das Publikum soll selbst entscheiden. Die Perspek­tive der Kinder war inter­es­sant. Sie hatten kein Unrechts­be­wusst­sein.

artechock: Haben Sie irgendwen aus der „Bling Ring“-Bande getroffen?

Coppola: Zwei: Den Jungen und eines der Mädchen.

artechock: Sind die Kids Ihrer Ansicht nach Täter oder Opfer?

Coppola: Sie haben das Gesetz gebrochen, aber ich kann sie verstehen. Sie sind sehr beein­flusst von unserer Gegenwart. Nicht so leicht zu sagen, es ist nicht so simpel.

artechock: Ich habe den Artikel gelesen: Manches haben Sie eins zu eins über­nommen, anderes total verändert. Nach welchen Kriterien haben Sie das gemacht?

Coppola: Je nachdem, was inter­es­sant für mich war.

artechock: Aber nach welchen Kriterien? Was macht etwas für sie inter­es­sant?

Coppola: Das entscheidet sich im Denk- und Schnei­de­pro­zess. Ich kann’s Ihnen nicht recht sagen. Man nimmt das, was man besonders heraus­ra­gend findet.

artechock: Ich sehe Ihren Film als Kritik an der Kons­um­ge­sell­schaft. Aber etwa die Tatsache, dass Sie in Paris Hiltons Villa gedreht haben, könnte man als Wider­spruch dazu verstehen: Sie bedienen auch den Promi-Mythos und benutzen ihn, um den Film zu promoten.

Coppola: Ich wollte etwas Authen­ti­sches machen. Natürlich kann man sagen: Ich promote Paris Hilton. Aber jeder mit etwas Hirn begreift doch, aus welcher Perspek­tive wir an den Stoff ran gehen.

artechock: Sie benutzen unsere voyeu­ris­ti­schen Instinkte...

Coppola: Ja. Aber wir müssen diese aner­kennen. Wir haben diesen Voyeu­rismus, zumindest die aller­meisten von uns haben ihn.
Man muss vernünftig mit ihnen umgehen. Es ist alles eine Frage der Zurück­hal­tung. Es gibt viele Leute die eine Aufmerk­sam­keit genießen, die ihnen nicht zukommt.

artechock: Hat Ihnen jemand gesagt, dass Sie die Kinder glori­fi­zieren?

Coppola: Ich habe gehört, dass das manche sagen. Aber ich versuche, ein vernünf­tiges Maß einzu­halten: Sie wandern ins Gefängnis, ihre Leben sind ruiniert. Ich versuche das nicht zu glori­fi­zieren.

artechock: A propos Maß: Stimmen Sie zu, wenn ich sage, dass ihr Film eine Kritik eines bestimmten Über­masses von Reichtum ist?

Coppola: Ich will niemanden kriti­sieren. Ich mache meinen Film aus einer bestimmten Perspek­tive und gebe die wieder – die Leute können sich dann Ihre Meinung bilden.

artechock: Aber in Ihrem Film ist Quantität eine Qualität...

Coppola: Es geht da definitiv um Exzess. Und klar: Für mich ist das definitiv viel zu viel.

artechock: Welche Beziehung sehen Sie zwischen diesem und Ihren anderen Filmen?

Coppola: Ich analy­siere mich selber nicht. Das mag ich nicht. Aber ich glaube, es gibt bestimmte Themen in allen Filmen, die sich ähneln. Etwa die Frage, was heute Identität bedeutet. Ich denke seit einiger Zeit auch über die Frage nach, warum um Himmels Willen eigent­lich jeder Mensch berühmt sein will. In diesem Sinn ist dieser Film schon eine Art Fort­set­zung meiner Arbeit. Nur die Perspek­tive ist eine neue.

artechock: Wollen Sie, dass Ihre Filme Ausdruck von Schönheit sind?

Coppola: Visuelle Schönheit ist mir sehr wichtig... Ich will, das meine Arbeit das zeigt. Mich inter­es­siert, wie man Geschichten in Bilder übersetzt. Ich versuche mich immer daran zu erinnern, dass es noch anderes gibt als das Visuelle.

artechock: Haben Sie Ziele als Regis­seurin?

Coppola: Ich habe keinen großen Plan. Ich wähle meine Stoffe sehr intuitiv.

artechock: Aber müssen Sie nicht auch darauf achten, dass die Filme sich gut verkaufen? Dass sie in Cannes oder Venedig landen?

Coppola: Nein, eigent­lich nicht. Ich muss nur darauf achten, dass das Budget niedrig genug bleibt.