01.08.2002

Cage Talks

Nicolas Cage in WINDTALKERS
Nicolas Cage in Windtalkers

Nicolas Cage über Windtalkers und seine Zusammenarbeit mit Regisseur John Woo

Der 1964 geborene Neffe von Regie-Genie Francis Ford Coppola spielte sich in den 80er Jahren in die erste Darstel­ler­riege der USA. Jetzt ist Nicolas Cage in der Rolle eines trau­ma­ti­sierten Offiziers in John Woos neuem Film Wind­tal­kers zu sehen.
Mit Cage sprach Rüdiger Suchsland.

artechock: Mr.Cage, Sie haben offen­sicht­lich einen Hang zu ambi­va­lenten, gebro­chenen, dunklen Charak­teren...

Nicolas Cage: Nun, ich inter­es­siere mich nicht für Perfek­tion – die Condition Humaine ist anders. Ich mag es, die Maske herun­ter­zu­reißen, die wir alle immerzu tragen: Andauernd lächelnd, gutge­launt, etc. Ich möchte die Abgründe des Lebens zeigen, und wie man diese über­winden kann. In Wind­tal­kers sucht John Erlösung, er ist spiri­tuell verloren und fühlt sich schuldig, weil er einst seine Männer in den Tod geführt hatte. John reprä­sen­tiert eine Vorstel­lung von Ehre und Loyalität, die jüngeren Gene­ra­tionen verlo­ren­ge­gangen ist.

artechock: Eine Message, die perfekt in Kriegs­zeiten zu passen scheint...

Cage: Ich hasse Krieg. Dieser Film zeigt, dass Krieg die Hölle ist, dass das nicht passieren soll. Wir haben Wind­tal­kers vor dem 11.September gedreht. Wenn er einen Sinn hat, dann den, davor zu warnen, dass Eltern ihre Kinder in den Krieg schicken.

artechock: John Woos Filme handeln immer von Helden. Was ist – in allen Ihren Filmen – für Sie ein Held? Was macht einen Helden aus?

Cage: Wer tapfer genug ist, um sich aufs Schlacht­feld zu wagen, ist eine Art Held. Aber John, meine Figur in Wind­tal­kers verändert sich, wird zu einer anderen Art Held. Er wird selbstlos. Ein Held ist einer, der, wenn das Schicksal
gegen ihn – oder sie – ist, eine Form von spiri­tu­eller Macht, von emotio­naler Stärke findet, um dies zu über­winden. Und zwar in selbst­loser Weise.

artechock: Wind­tal­kers ist nach Face/Off ihr zweiter Film mit John Woo, in einigen Wochen werden Sie den dritten drehen: Einen Western. Sie spielen dort einen irisch-stämmigen Arbeiter, der gemeinsam mit chine­si­schen Arbeitern beim Bau einer der großen Eisen­bahn­li­nien von Ost nach West durch die USA beschäf­tigt ist. Warum ist John Woo ein so guter Regisseur für Sie?

Cage: John Woo ist einfach ein großer Künstler und wahr­hafter Visionär, außerdem ein Gentleman, der die Leute, mit denen er arbeitet, mit Respekt behandelt. Ich glaube, ich verstehe, was er will, wohin er seine Schau­spieler bringen will. Als wir Face/Off gedreht haben, war ich schnell sicher: Mit ihm wird es etwas ganz Beson­deres, Neues werden. Er hat keine Angst vor Gefühlen, vor dem Extremen – und das ist genau das, was auch ich selbst in meiner Arbeit
versuche. Längst nicht alle Regis­seure begreifen das.

artechock: In Wind­tal­kers nimmt sich Woo erstmals einem »echt« ameri­ka­ni­schen Thema an. Zugleich handelt Wind­tal­kers von einem Menschen, der einer Minder­heit angehört. Es geht darin auch um Rassismus, um Iden­ti­täts­fin­dung... – Erfah­rungen, die er selbst machen musste. Ist es für Woo ein Vorteil in Hollywood, als Chinese ein Fremder zu sein, die Dinge von Außen betrachten zu können?

Cage: Ich sehe Woo als Ameri­kaner. Seine Perspek­tive ist die eines echten Künstlers. Das hat nichts damit zu tun, wo er aufwuchs. Ähnliche Rassismus-Erfah­rungen kann man ja auch in anderen Ländern machen, auch in China. Was bei Wind­tal­kers in dieser Hinsicht wirklich inter­es­sant ist, ist, dass die Gruppe wie ein inter­na­tio­naler Quer­schnitt zusam­men­ge­setzt ist: Weißen, Griechen, Navajos, Italo-Ameri­kaner. Ab einem bestimmten Punkt werden sie farben­blind, sehen die Unter­schiede nicht mehr. Sie erkennen sich als zu einer Einheit verbunden. So könnte es viel­leicht auch unserer heutigen Welt ergehen, wenn es bloß keine Kriege gäbe...

artechock: Die klas­si­sche revo­lu­ti­onäre Idee von der Armee als dem Instru­ment der Verge­sell­schaf­tung und der Gleich­heit aller Bürger?

Cage: Ja. Einer der für mich schönsten Sätze des Films sagt: In 50 Jahren verstehen wir uns viel­leicht mit den Japanern prächtig, spielen gegen­ein­ander Fußball... Da sind wir heute! Und da können wir – denken Sie an den 11.September – auch in abseh­barer Zeit mit den isla­mi­schen Ländern sein. Das wäre großartig!