Die Zeit mit Kathrin

Schweiz 1999 · 96 Minuten
Regie: Urs Graf
Drehbuch:
Kamera: Otmar Schmid

In der Broschüre der Schau­spiel­schule steht geschrieben: »Wir erwarten von den Schülern und Schü­le­rinnen auch, daß sie den Freiraum der Schule nutzen, um die Rolle zu erkunden, die sie in ihrem Leben spielen – aber auch das, was ihnen fremd ist – Vorstell­bares und Unvor­stell­bares.« Und: »Man sagt: Die Schau­spiel­schule ist ein Ort, wo erforscht wird, was der Mensch ist und was er darüber hinaus noch alles sein könnte.« Kathrin Bohny sagte: »So habe ich die Schau­spiel­aus­bil­dung noch nie betrachtet, doch neugierig bin ich schon darauf.« Der Film: Eine junge Frau, die sich und ihre Möglich­keiten erkundet. Der weite Weg, den sie während der vier Jahre ihrer Schau­spiel­aus­bil­dung geht.

Quota­tions from the brochure of a school for actors: »We expect the students to use the free space at school to explore the roles they play in their everyday lives, but also all that is alien to them, both the imaginable and the unima­ginable.« And: »It is said that an actor’s school is a place to discover what Man is and what he could be.«
Kathrin Bohny says »I never thought of training to be an actress in that way, but I’m curious to find out how it will be.« The film: a young woman, learning to know herself, and of what she is capable. The wide path she follows, in the four years that her training as an actress lasts.

Über den Film:
»Auf den ersten Blick doku­men­tiert Die Zeit mit Kathrin von Urs Graf vier knall­harte Ausbil­dungs­jahre an der Schau­spiel Akademie Zürich. Aber in diesem Film geht es letztlich allein um Kathrin – um das reizende Persön­chen, das zu einer Persön­lich­keit wird.
Anfang und Schluß des Films markieren zwei Bewer­bungs­fotos: das Bild eines mädchen­haften Wesens (für die Aufnah­me­prü­fung) und das Bild einer jungen, bezau­bernden Frau, die endlich auf die Bühne will. Was dazwi­schen liegt, erzählt Urs Graf in sorg­fältig insze­nierten, packenden Bildern: fast schmerz­lich schön wirken zu Beginn die betörend sinn­li­chen Nahauf­nahmen. Es ist Kathrins ›Irgendwie-Zeit‹. Die Neuland-Zeit, da sie oft vor Verle­gen­heit kichert und koket­tiert, um dann plötzlich ungemein ernst und berührend nach Haltung zu suchen.
Dann folgt die Zeit der Häutungen. Kathrin muß (laut Lehrplan) ihren ›Panzer‹ abbauen, die ›Extreme‹ erfor­schen, die ›Neutra­lität des Körpers‹ finden. Eine gleich­zeitig verletzt­liche und verschmitzte Kathrin schar­wen­zelt auf Befehl, schmachtet, keucht wie ein Tier, steigert sich souverän in eine wunder­schöne Kuß-Szene hinein – und ringt bei all diesen Übungen mit wach­sender Kraft um ihre Würde: ›Ich möchte bei mir sein, mit voller Kraft – wie beim Holz­spalten.‘ Das sagt die eine unsicht­bare Kathrin, während die andere Sichtbare noch zaudert und Mühe hat. Ein nicht unwe­sent­li­cher Teil des Films lebt von diesen Wider­sprüchen zwischen Bild und Aussage. Das verleiht ihm Weite und hilft, den atemlosen Ernst dieser Ausbil­dung zu hinter­fragen.
Obwohl Urs Graf mit sparsamen Bild­schnitten arbeitet und scheinbar wenig deutende Akzente setzt, ist er alles andere als ein ‘neutraler‹ Filmer. Seine tage­buch­ar­tigen Off-Kommen­tare, in denen er mal Kathrin, mal eine Lehrkraft oder auch sich selber zitiert, sorgen in der Betonung der indi­rekten Rede für eine gewisse Distanz. Hinzu kommt die Insze­nie­rung des eigenen Blicks: Graf macht immer wieder deutlich, daß er und Kathrin einen Vertrag auf Zeit abge­schlossen haben, und daß die Kamera die unbe­stech­liche Dritte im Bunde ist. Wenn Kathrin in ihrem Zimmer eine Video-Sequenz dieser Zusam­men­ar­beit anschaut und danach mit einem ganz neuen Gesichts­aus­druck von ihrem Schmerz und ihrer gewon­nenen Härte spricht, dann ist das großes Kino.«
Dora Meschini in Solo­thurner Zeitung (Auszüge)

BIO-FILMOGRAPHIE
Urs Graf
Geboren 1940 in Olten. Ausbil­dung als Grafiker-Lithograf. Grafik, Indus­trial-Design bei E+U Hiestand, Zürich. Malerei, Cartoons, Foto­grafie, 8mm-Film »Hop Trix« über Leis­tungs­sport. 1967-71 bei Turnus-Film AG (Drehbuch, Regie, Animation, Schnitt).
Gleich­zeitig Beginn eigener Film-Reali­sa­tionen. Seit 1961 wohnhaft in Zürich. Seit 1975 Mitglied des Film­kol­lektiv Zürich.
Produzent aller eigenen Filme, seit 1991 Produzent für das Film­kol­lektiv Zürich der Filme von Thomas Imbach, Eduard Winiger, Theo Stich, Paolo Poloni. Ab 1972 Leitung medi­en­päd­ago­gi­scher Kurse. 1982 Dozent an der DFFB in Berlin. Ab 1983 Dozent für Film an der ETH Zürich. 1988 Dozent für Video an der Höheren Schule für Gestal­tung Basel. 1990 Kunst­preis des Kantons Solothurn.

Filme:
1970 Z.B. UNIFORMEN (mit Marlies Graf Dätwyler)
1971 EINE LINIE IST EINE LINIE IST EINE LINIE
1971 ISIDOR HUBER UND DIE FOLGEN (mit Marlies Graf Dätwyler)
1978 CINEMA MORT OU VIF? (mit Hans Stürm, Mathias Knauer)
1979 KOLLEGEN
1982 WEGE UND MAUERN
1987 ETWAS ANDERES
1991 SERIAT (mit Marlies Graf Dätwyler)
1993 DIE FARBE DES KLANGS DES BILDES DER STADT (mit Elisabeth Wandeler-Deck und Alfred Zimmerlin)
1999 DIE ZEIT MIT KATHRIN