Die papierene Brücke

BRD/Ö 1987 · 95 Minuten
Regie: Ruth Beckermann
Drehbuch:
Kamera: Nurith Aviv

Doku­men­ta­tion (16 mm)

»Die Reise, auf die sich Ruth Becker­mann begibt, führt in die Bukowina, die zu der Zeit, als ihr Vater dort geboren wurde, zur öster­rei­chi­schen Monarchie gehörte. Heute ist dieses Gebiet, dessen kultu­relles Zentrum Czer­no­witz war, zum Teil rumänisch, zum Teil russisch. Juden findet man dort nur noch wenige. Und die wenigen rumä­ni­schen Juden denken ans Auswan­dern. Auswan­dern nach Israel. Im Winter 1986 sucht eine ameri­ka­ni­sche Fern­seh­ge­sell­schaft in Wien Komparsen für einen Teil einer Serie, der in There­si­en­stadt spielen soll. Die Bauten wurden billiger und authen­ti­scher als in Hollywood-Studios nach­ge­baut, die ›echten‹ Juden aus Wien an Ort und Stelle gebracht. Eine Masken­bild­nerin sorgt dafür, daß die Juden auch jüdisch aussehen. Aber hier wird nicht das speku­la­tive Unter­fangen einer ameri­ka­ni­schen Produk­ti­ons­ge­sell­schaft doku­men­tiert. Es geht vielmehr um die Beweg­gründe der Komparsen, die bei diesem Unter­nehmen mitmachen.

Ruth Becker­mann’s journey into her family history becomes a document of the history of central European Jewry. Her film, intricate, witty, brave and perhaps threa­tening, is loaded with past memories and present paradoxes.

›Ein jüdischer Friedhof im Norden Rumäniens, in der Gegend, die einmal Bukowina geheißen hat und aus der der Vater stammt. Er hat in den Reihen der Roten Armee überlebt – aber von den jüdischen Gemeinden der Gegend sind fast nur Erin­ne­rungen übrig geblieben. Alte Leute. Die Jüngeren sind wohl nach Israel ausge­wan­dert. Der Strand von Tel Aviv. Die Mutter hat unter der heißen Sonne Paläs­tinas überlebt. Sie empfindet diese Zeit als Rettung und Befreiung. Niemals wollte sie, dass ihre Kinder nach dem Schrecken in Wien aufwachsen sollten. Der Vater verklärt Czer­no­witz. Nie hätte es dort Anti­se­mi­tismus gegeben vor Hitler. Es sei ein harmo­ni­sches Zusam­men­leben gewesen. Von Wien kann er das nicht behaupten. Trotzdem lebt er hier – und das ist auch das eigent­liche Problem und Thema des Films. 1986 hat die Schleusen der Erin­ne­rung geöffnet. Im Film vermischt sich indi­vi­du­elles und kollektiv jüdisches Gedächtnis.‹
John Bunzl, Wiener Tagebuch, April 1987

Produk­tion: Firma Schlap­penhut, Maria­hil­ferstr. 58/7, A-1070 Wien«
(15. inter­na­tio­nales Doku­men­tar­film­fes­tival München)