Dokumentation (16 mm)
»Die Reise, auf die sich Ruth Beckermann begibt, führt in die Bukowina, die zu der Zeit, als ihr Vater dort geboren wurde, zur österreichischen Monarchie gehörte. Heute ist dieses Gebiet, dessen kulturelles Zentrum Czernowitz war, zum Teil rumänisch, zum Teil russisch. Juden findet man dort nur noch wenige. Und die wenigen rumänischen Juden denken ans Auswandern. Auswandern nach Israel. Im Winter 1986 sucht eine amerikanische Fernsehgesellschaft in Wien Komparsen für einen Teil einer Serie, der in Theresienstadt spielen soll. Die Bauten wurden billiger und authentischer als in Hollywood-Studios nachgebaut, die ›echten‹ Juden aus Wien an Ort und Stelle gebracht. Eine Maskenbildnerin sorgt dafür, daß die Juden auch jüdisch aussehen. Aber hier wird nicht das spekulative Unterfangen einer amerikanischen Produktionsgesellschaft dokumentiert. Es geht vielmehr um die Beweggründe der Komparsen, die bei diesem Unternehmen mitmachen.
Ruth Beckermann’s journey into her family history becomes a document of the history of central European Jewry. Her film, intricate, witty, brave and perhaps threatening, is loaded with past memories and present paradoxes.
›Ein jüdischer Friedhof im Norden Rumäniens, in der Gegend, die einmal Bukowina geheißen hat und aus der der Vater stammt. Er hat in den Reihen der Roten Armee überlebt – aber von den jüdischen Gemeinden der Gegend sind fast nur Erinnerungen übrig geblieben. Alte Leute. Die Jüngeren sind wohl nach Israel ausgewandert. Der Strand von Tel Aviv. Die Mutter hat unter der heißen Sonne Palästinas überlebt. Sie empfindet diese Zeit als Rettung und Befreiung. Niemals wollte sie,
dass ihre Kinder nach dem Schrecken in Wien aufwachsen sollten. Der Vater verklärt Czernowitz. Nie hätte es dort Antisemitismus gegeben vor Hitler. Es sei ein harmonisches Zusammenleben gewesen. Von Wien kann er das nicht behaupten. Trotzdem lebt er hier – und das ist auch das eigentliche Problem und Thema des Films. 1986 hat die Schleusen der Erinnerung geöffnet. Im Film vermischt sich individuelles und kollektiv jüdisches Gedächtnis.‹
John Bunzl, Wiener
Tagebuch, April 1987
Produktion: Firma Schlappenhut, Mariahilferstr. 58/7, A-1070 Wien«
(15. internationales Dokumentarfilmfestival München)