Heimkinder

BRD 1986 · 290 Minuten
Regie: Gisela Tuchtenhagen
Drehbuch:
Kamera: Gisela Tuchtenhagen

Doku­men­ta­tion (16 mm)

»Fünf Filme erzählen von straf­fällig gewor­denen Kindern und Jugend­lich aus dem Hamburger Johannes-Petersen-Heim.
Ende März 1984 fahren zwei Sozi­al­päd­agogen und ein Lehrer mit sieben Jungen zwischen 12 und 15 Jahren nach Südpor­tugal, um dort drei Monate in Zelten zusam­men­zu­leben und zu lernen. Ende Januar 1985 verlassen vier Erzieher, diesmal mit fünfzehn Jugend­li­chen, Hamburg wieder. Für sieben Monate. Ihr Anspruch: Sieben Jugend­liche auf den Haupt­ab­schluß vorzu­be­reiten und die Jüngeren – alle bisher massive Schul­ver­wei­gerer – an regel­mäßigen Schul­un­ter­richt heran­zu­bringen.

Film 1 (60 Minuten): ABGEHAUEN, ZURÜCKGEBRACHT, WIEDER ENTLAUFEN
Christian, 15 Jahre alt, wird drei Tage vor der Abreise aus der Jugend­straf­an­stalt Neueng­amme am 23.4.1984 entlassen, um mitzu­fahren. Noch vor der Abfahrt stiehlt er ein Auto. Tarkan, 13 Jahre alt, ist seit einer Woche im Johannes-Petersen-Heim. Die Biogra­phien der sieben Jungen ähneln sich. Schulen und andere Heime weigern sich, diese Kinder aufzu­nehmen. Sie kommen alle aus kaputten Familien, sind auf der Straße und im krimi­nellen Milieu aufge­wachsen, in Erzie­hungs­an­stalten gesteckt worden und von dort immer wieder abgehauen. Schul­un­ter­richt haben sie bisher entweder radikal verwie­gert oder nur ab und zu mal mitge­macht. Dafür kennen sie sich auf dem Kiez, auf dem Hapt­bahnhof, in der Stricher- und Drogen­szene aus. Diese Kinder aus ihrer Revolte zu befreien und dabei ihre Lebens­si­tua­tion zu würdigen, erfordert eine entspre­chend außer­ge­wöhn­liche beruf­liche und mensch­liche Leiden­schaft. In Portugal, nach fünf Tagen Fahrt, ist Tarkan verschwunden. Er hat der Gruppe 800 Mark geklaut.

Film 2 (65 Minuten): WARTEN, BIS DER LETZTE VON UNS DA IST
Der zweite Film beginnt Anfang April mit der Rückkehr von Tarkan. Mit den geklauten 800 Mark wollte er wieder nach Hamburg. In der nächsten Nacht ist Christian weg. Die Gruppe fährt weiter nach Lissabon, um dort Nach­for­schungen über Christian einzu­leiten. Gleich­zeitig beginnt der Schul­un­ter­richt. Christian ist von der Polizeit wieder einmal bei einem Auto­dieb­stahl erwischt worden. Drei Tage später ist er wieder bei der Gruppe. Ein pädago­gi­scher Klärungs­ver­such beginnt: Warum das Abhauen? Warum das Klauen? Warum das mit den Autos?

Film 3 (43 Minuten): LIEBE GRÜSSE AUS PORTUGAL
Der dritte Film zeigt den Alltag der Gruppe in Südpor­tugal – das Leben in Zelten und in einem kleinen Bus mit Anhänger und dem täglich uner­bitt­li­chen Schul­un­ter­richt im Frühling 1984.

Film 4 (42 Minuten): MORGEN WIRD WIEDER ALLES GANZ ANDERS SEIN
Chris­tians Betei­li­gung an dieser Fahrt ist nur durch eine enga­gierte Zusam­men­ar­beit zwischen seiner Bewäh­rungs­hel­ferin, dem Staats­an­walt und den Erziehern des Johannes-Petersen-Heims möglich geworden. Gedacht und durch­ge­setzt als letzter Versuch, seine sozial ungüns­tigen Verhält­nisse noch zu beein­flussen. Erst unmit­telbar vor Abfahrt darf Christian aus dem Hamburger Unter­su­chungs­ge­fängnis abgeholt werden. Nach zwei Monaten lebt Christian wieder im Gefängnis, in Portugal. Wegen Dieb­stahls von Radios und Armband­uhren. ›Behör­den­skandal! Eigen­ar­tige Therapie für schwer erzieh­bare Jugend­liche. Sieben Monate Traum­reise auf Kosten der Steu­er­zahler!‹ steht in der Zeitung. Der Bauer-Verlag schickt zwei Reporter nach Südpor­tugal. Es kommt zum Zusam­men­prall. Der Verzicht auf Bestra­fung von ›krimi­nellen‹ Kindern ist Angriffs­ziel rechter Politik und ihrer Presse. Das Amt für Jugend erwägt, das Projekt abzu­bre­chen. Aber, es ist nicht die Zeit für Selbst­mit­leid – die Gruppe arbeitet weiter.

Film 5 (80 Minuten): DER WEG DES GERINGSTEN WIDERSTANDS IST NICHT UNSER WEG INS LEBEN
Der letzte Film beginnt Ende August 1985 mit der Rückkehr der Gruppe nach Hamburg. Drei Tage später ist der erste Schultag, in zwei Wochen für Dirk, Mirko, Wolfgang, Kader, Tommy, Sven und Astrid der wich­tigste Prüfungstag für ihren Haupt­ab­schluß vor einer Kommis­sion. Die sieben Monate vorher haben alle auf diese Prüfung hinge­ar­beitet. Astrid geht zurück in alte Kreise von Zuhältern. Wird sie zur Prüfung kommen

Produk­tion: Film 1 und 2: NDR, Film 3,4 und 5: Common Film Produk­tion/NDR, gefördert vom Hamburger Filmbüro e.V.
Preise: Adolf-Grimme-Preis in Silber, 1985 für Film 1; Lobende Erwähnung der ökume­ni­schen Jury, 1986 Nyon; Doku­men­tar­film­preis 1986 der AG Film­jour­na­listen u.a. mehr«
(15. inter­na­tio­nales Doku­men­tar­film­fes­tival München)