Bauernkrieg

Schweiz 1998 · 84 Minuten
Regie: Erich Langjahr
Drehbuch:
Kamera: Erich Langjahr

Nach der Sennen-Balladee ist dies der zweite Film einer Bauern-Trilogie, in der sich Langjahr mit der bedrohten Existenz des Bauern am Ende des 20. Jahr­hun­derts, im Zeitalter der Massen­pro­duk­tion ausein­an­der­setzt. Der neue Film stellt das Überleben der Land­wirt­schaft in den Mittel­punkt, in einer Zeit des Übergangs von einer staatlich gelenkten Plan- zur Markt­wirt­schaft. Es ist die Zeit der explo­siven Libe­ra­li­sie­rung des welt­weiten Handels mit Waren. Trotz des Protestes vieler Bauern wurden die neuen GATT-Verträge vom Schweizer Bundesrat unter­zeichnet und vom Parlament genehmigt. Somit wurde die Schweiz 1995 Mitglied der Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­tion WTO. Um in dieser neuen Markt­si­tua­tion überleben zu können, setzen die meisten Bauern auf den tech­ni­schen Fort­schritt und die Hochzucht. Doch viele Betriebe und Höfe können da nicht mithalten, geben auf und werden verstei­gert.
Mit seinen apoka­lyp­ti­schen Visionen der voll­tech­ni­sierten Agro-Industrie ist Bauern­krieg das Gegen­s­tück zu der fast »ursprüng­lich«, idyllisch wirkenden Sennen­bal­lade. Die scho­ckie­renden Bilder aus einer Tier­mehl­fa­brik lassen den unheim­li­chen Eindruck entstehen, die unwürdige Reste­ver­wer­tung sei ein Schicksal, das Tier und Mensch zugleich betrifft.

Following Alpen Ballad, this is the second film in Langjahr’s farming trilogy in which he addresses the endan­gered existence of farming commu­nities in the age of mass produc­tion at the end of the 20th century. His new film focuses on the survival of agri­cul­ture in an era of tran­si­tion from the state-controlled planned economy to the free market, at a time of the explosive libe­ra­li­sa­tion of global trade in commo­di­ties. Despite the protests of many farmers, the new GATT accords have been signed by the Swiss Federal Council and Parlia­ment, paving the way for Swit­z­er­land to join the World Trade Orga­niza­tion. Most farmers see increased mecha­ni­sa­tion and intensive agri­cul­ture as the only way to survive in the face of this trans­formed market. Yet many farms give up as they are unable to keep pace and have to be sold off. In many ways, Peasants’ War with its apoca­lyptic visions of fully mecha­nised agro-industry repres­ents the complete opposite of the »original«, almost idyllic image contained in Alpen Ballad.
Shocking footage from an animal feed factory arouses the uncanny impres­sion that this undi­gni­fied exploi­ta­tion of animal remains is a fate which affects animals and humans alike.

»Es geht mir nicht in erster Linie um eine objektive Darstel­lung der wirt­schaft­li­chen, sozialen und poli­ti­schen Situation des Bauern in der Schweiz. Vielmehr verdichte ich meine Reise mit der Kamera zu einem Film­er­lebnis, zu einem Bild, das in seiner inneren Zusam­men­set­zung ›Bauern­seele‹ wider­spie­gelt, in der sich der einzelne Zuschauer erkennt und so mit der eigenen Situation, mit dem ›eigenen Bauern‹ konfron­tiert ist.«
Erich Langjahr

Über den Film:
»Was der Übergang ›von einer staatlich gelenkten Plan- zur Markt­wirt­schaft‹ für die Bauern und ihre Produk­tion bedeutet, führt Langjahr vor: den beklem­menden Einzug einer seelen­losen Agrar­in­dus­trie, ange­sichts deren Effi­zi­enz­stre­bens ein Begriff wie die ›Würde der Kreatur‹ zum Anachro­nismus wird. Vieles von dem, was Langjahr einfängt, würde sich hervor­ra­gend für scho­ckie­rende Fern­seh­fea­tures eignen.
Besa­mungs­bullen, die wie Models für Werbe­fotos posieren, Knochen­mühlen in einer ›Tier­ver­wer­tungs­an­stalt‹, Gen-Banken und Zwangs­ver­stei­ge­rungen fügt er hingegen zu einer bedrän­genden Studie, die die plakative Ober­fläche durch­dringt und nicht nur komplexe Probleme greifbar macht, sondern wesent­lich tief­ge­hen­dere Fragen nach den Grenzen der west­li­chen Lebens­weise aufwirft. Daß eine solche Arbeit nicht aus einigen schnellen Drehs erwächst, sondern viel Zeit, Geduld und noch mehr Hingabe verlangt, macht sie so selten.«
Josef Lederle in film-dienst 25/98

»Erich Langjahr kommt in seinem Film ohne jeden Kommentar aus. Dadurch verschont er uns auch vor einer entlas­tenden Moral, die uns helfen könnte, uns auf der richtigen Seite zu wissen. Sein Kommentar bedarf nicht der Sprache, ist er doch latenter Subtext subtil montierter Sequenzen. Seine Bilder lassen sich Zeit und erinnern dadurch an die Umständ­lich­keit bäuer­li­cher Kultur und Erzähl­weise. Gleich­wertig sind die einzelnen Sequenzen anein­an­der­ge­reiht, immer richtet sich die Kamera auf scheinbar Banales. Was für ein wohl­tu­ender Gegensatz zu den Repor­tagen des Fern­se­hens, die alles, gerade daß es ange­rissen wurde, mit Hilfe eines Kommen­tars zusam­men­kleben müssen. Neben wenigen anderen Doku­men­tar­fil­mern zeigt auch Langjahr, daß gut gemachte Doku­men­tar­filme bestes Kino sein könen; und politisch dazu. Solche Filme benötigen sehr viel Zeit, aber sie ersetzen Tausende anderer Filme.«
Bernhard Kathan in der Wiener Zeitung

BIO-FILMOGRAPHIE
Erich Langjahr
Geboren 1944 in Baar/Schweiz. Seit 1971 selbstän­diger Film­schaf­fender.

Filme:
1973 BAHNHOF
1973 DER FLUSS
1973 JUSTICE
1974 CANARIA REPORT
1975 USA-TIME
1976 SIEG DER ORDNUNG
1978 MORGARTEN FINDET STATT
1980 ACHTUNG KINDER PUMM
1981 MADE IN SWITZERLAND
1982 DO IT YOURSELF
1983 O.K.
1986 EX VOTO
1990 MÄNNER IM RING
1992 UNTER DEM BODEN
1993 PORTRAIT DE COUREUR
CYCLISTE
1996 SENNEN-BALLADE
1998 BAUERNKRIEG