Drei Kilometer bis zum Ende der Welt |
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| Den Blick verstellt: Drei Kilometer bis zum Ende der Welt | ||
| (Foto: Salzgeber) | ||
Von Dunja Bialas
Kelly Reichardt hat mit ihrem jüngst in die Kinos gekommenen Heist-Movie The Mastermind den Auftakt gesetzt: zu einer Wiederbelebung des Genres, auf der Leinwand – und jenseits davon, wie der kinderleichte Juwelenraub aus dem Pariser Louvre zeigt. Vom Jahrhunderttraub träumt auch das rumänische Kino, das von diesem Donnerstag an bis zum 15.11. im Filmmuseum München wieder mit dem Rumänischen Filmfestival gefeiert wird. Mit einem Dutzend langer und kurzer Filme zeigen Filmkurator Klaus Volkmer, Filmkritiker Bert Rebhandl und Brigitte Drodtloff, Vorstandsvorsitzende des in München ansässigen Kulturvereins Ge-Fo-Rum, aktuelle Positionen des rumänischen Filmschaffens. Darunter auch Kontinental ‘25 des sich immer wieder an neue Filmexperimente heranwagenden Radu Jude. Der in weiten Strecken KI-generierte Dracula war dem Auswahlteam für die Münchner Community dann aber doch zu gewagt.
Es gibt auch sonst genug zu sehen. Mit ihrem Film The Heist of the Century hat Teodora Ana Mihai einen Coup gelandet, der von Rumänien als Oscar-Kandidat für den besten fremdsprachigen Film gewürdigt wurde. Cristian Mungiu, als Regisseur von 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage einer der bekanntesten Vertreter der Neuen rumänischen Welle, schrieb das Drehbuch zu dieser Heist-Variation, in der ähnlich wie bei Reichardt die Größe der Tat am Ende überfordert.
Mihais Film heißt im internationalen Verleihtitel eigentlich Traffic, was an Handel und Machenschaften (oder »Deals«) erinnert. Um genau jene geht es im niederländischen Ausland und in der rumänischen Heimat. Mihai nimmt beide Sphären in den Blick, hier die proletarische Arbeit und die Prostitution, dort die ländliche Armut einer wie von der Moderne abgekehrten Welt. Und natürlich wird der Diebstahl Gegenstand ausführlicher familiärer Diskussionen.
Einen Clash mit seinem Herkunftsort erleidet Adi in einem kleinen Dorf im Donaudelta. Er wird nachts brutal zusammengeschlagen, ein Kuss mit einem Mann soll den Anlass gegeben haben. Auch die liebevollen und aufgeklärt wirkenden Eltern entfremden sich zunehmend vom Sohn, der in der Enge der Heimat nicht mehr atmen kann. Emanuel Pârvu, der 2016 in Cristian Mungius Bacalaureat als Schauspieler zu sehen war, hat mit Drei Kilometer bis zum Ende der Welt (Premiere war 2024 in Cannes) in ruhiger Tonlage und umarmenden Bildern ein beunruhigendes Portrait eines Ortes geschaffen, der entgegen dem aufkeimenden Humanismus an den eigenen überkommenen Vorstellungen festhält.
Farblich in das Blauschwarz von Tinte getaucht, ist Ink Wash von Sarra Tsorakidis, die bei mehreren Filmen von Radu Jude mitgewirkt hat. Wie in ihren Kurzfilmen, von denen sie bereits zahlreiche inszeniert hat, stehen auch in ihrem Langfilmdebüt Frauen im Zentrum der Handlung. Umgeben vom süffisanten Geschwätz der Männer versucht sich Lena als Künstlerin zu behaupten. Dann kommt der Auftrag von einem westlichen Investor, und sie gerät unter den Einfluss des Kapitals.
Tomas ist ein junger Schauspieler, der sich ziellos von Projekt zu Projekt und von Frau zu Frau treiben lässt. Ihn interessiert eigentlich so richtig: nichts. Immer wieder sieht man ihn slackerartig auf dem Sofa abhängen. Wenn er nicht gerade Frauen oder Regisseure betört. Es geht um das richtige Timing, so heißt der Film; dazwischen ist immer auch Zeit für etwas Far niente. Die junge Generation sucht sich erst noch ihren Weg, ließe sich interpretieren – wie der junge Regisseur Lucas Neagu, der seinen Film als Independent-Produktion abseits der Schulen realisiert hat. Ein junges, unverbrauchtes, auch eigensinniges Kino tut sich hier auf.
6.–15.11.2025
Filmmuseum München