06.11.2025

Drei Kilometer bis zum Ende der Welt

Drei Kilometer bis zum Ende der Welt
Den Blick verstellt: Drei Kilometer bis zum Ende der Welt
(Foto: Salzgeber)

Das Rumänische Filmfestival zeigt in München zwölf aktuelle Produktionen vom Widerspruch und Neuaufbruch des osteuropäischen Landes

Von Dunja Bialas

Kelly Reichardt hat mit ihrem jüngst in die Kinos gekom­menen Heist-Movie The Master­mind den Auftakt gesetzt: zu einer Wieder­be­le­bung des Genres, auf der Leinwand – und jenseits davon, wie der kinder­leichte Juwe­len­raub aus dem Pariser Louvre zeigt. Vom Jahr­hun­dertt­raub träumt auch das rumä­ni­sche Kino, das von diesem Donnerstag an bis zum 15.11. im Film­mu­seum München wieder mit dem Rumä­ni­schen Film­fes­tival gefeiert wird. Mit einem Dutzend langer und kurzer Filme zeigen Film­ku­rator Klaus Volkmer, Film­kri­tiker Bert Rebhandl und Brigitte Drodtloff, Vorstands­vor­sit­zende des in München ansäs­sigen Kultur­ver­eins Ge-Fo-Rum, aktuelle Posi­tionen des rumä­ni­schen Film­schaf­fens. Darunter auch Konti­nental ‘25 des sich immer wieder an neue Film­ex­pe­ri­mente heran­wa­genden Radu Jude. Der in weiten Strecken KI-gene­rierte Dracula war dem Auswahl­team für die Münchner Community dann aber doch zu gewagt.

Es gibt auch sonst genug zu sehen. Mit ihrem Film The Heist of the Century hat Teodora Ana Mihai einen Coup gelandet, der von Rumänien als Oscar-Kandidat für den besten fremd­spra­chigen Film gewürdigt wurde. Cristian Mungiu, als Regisseur von 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage einer der bekann­testen Vertreter der Neuen rumä­ni­schen Welle, schrieb das Drehbuch zu dieser Heist-Variation, in der ähnlich wie bei Reichardt die Größe der Tat am Ende über­for­dert.

Mihais Film heißt im inter­na­tio­nalen Verleih­titel eigent­lich Traffic, was an Handel und Machen­schaften (oder »Deals«) erinnert. Um genau jene geht es im nieder­län­di­schen Ausland und in der rumä­ni­schen Heimat. Mihai nimmt beide Sphären in den Blick, hier die prole­ta­ri­sche Arbeit und die Prosti­tu­tion, dort die ländliche Armut einer wie von der Moderne abge­kehrten Welt. Und natürlich wird der Diebstahl Gegen­stand ausführ­li­cher fami­liärer Diskus­sionen.

Einen Clash mit seinem Herkunftsort erleidet Adi in einem kleinen Dorf im Donau­delta. Er wird nachts brutal zusam­men­ge­schlagen, ein Kuss mit einem Mann soll den Anlass gegeben haben. Auch die liebe­vollen und aufge­klärt wirkenden Eltern entfremden sich zunehmend vom Sohn, der in der Enge der Heimat nicht mehr atmen kann. Emanuel Pârvu, der 2016 in Cristian Mungius Bacalau­reat als Schau­spieler zu sehen war, hat mit Drei Kilometer bis zum Ende der Welt (Premiere war 2024 in Cannes) in ruhiger Tonlage und umar­menden Bildern ein beun­ru­hi­gendes Portrait eines Ortes geschaffen, der entgegen dem aufkei­menden Huma­nismus an den eigenen über­kom­menen Vorstel­lungen festhält.

Farblich in das Blau­schwarz von Tinte getaucht, ist Ink Wash von Sarra Tsora­kidis, die bei mehreren Filmen von Radu Jude mitge­wirkt hat. Wie in ihren Kurz­filmen, von denen sie bereits zahl­reiche insze­niert hat, stehen auch in ihrem Lang­film­debüt Frauen im Zentrum der Handlung. Umgeben vom süffi­santen Geschwätz der Männer versucht sich Lena als Künst­lerin zu behaupten. Dann kommt der Auftrag von einem west­li­chen Investor, und sie gerät unter den Einfluss des Kapitals.

Tomas ist ein junger Schau­spieler, der sich ziellos von Projekt zu Projekt und von Frau zu Frau treiben lässt. Ihn inter­es­siert eigent­lich so richtig: nichts. Immer wieder sieht man ihn slacker­artig auf dem Sofa abhängen. Wenn er nicht gerade Frauen oder Regis­seure betört. Es geht um das richtige Timing, so heißt der Film; dazwi­schen ist immer auch Zeit für etwas Far niente. Die junge Gene­ra­tion sucht sich erst noch ihren Weg, ließe sich inter­pre­tieren – wie der junge Regisseur Lucas Neagu, der seinen Film als Inde­pen­dent-Produk­tion abseits der Schulen reali­siert hat. Ein junges, unver­brauchtes, auch eigen­sin­niges Kino tut sich hier auf.

Rumä­ni­sches Film­fes­tival

6.–15.11.2025
Film­mu­seum München