Annie Hall |
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Diane Keaton 2012 | ||
(Foto: es:Ruven Afanador, CC BY-SA 3.0) |
In den 70er Jahren war Diane Keaton eine Sensation. Sie verkörperte den Zeitgeist pur – eine intellektuelle, gutaussehender, aber nicht offensichtlich hübsche Frau, die den Männern auf der Leinwand ebenbürtig war und sich radikal unterschied von all den Femme Fatales, den Sexbomben den »desparate« oder happy-happy Housewives früherer Jahrzehnte des Hollywoodkinos. Am ehesten noch war sie eine Art Kumpel – so wie Paulette Goddards namenlose Begleiterin des Tramp in Charlie Chaplins Modern Times.
Und vielleicht ist es deshalb kein Zufall, dass man sie, die eigentlich Diane Hall hieß, und sich nach dem einen der zwei größten Komiker des Kinos, nach Buster Keaton nannte, auch schnell mit der Melone des Anderen, des Tramp in Erinnerung hat. Die trug Keaton erstmals 1977 in Woody Allens Annie Hall, der bei uns unter dem nur scheinbar treffenden Titel Der Stadtneurotiker ins Kino kam. Und danach immer wieder.
Nur scheinbar treffend, denn eigentlich ist Der Stadtneurotiker eine einzige Hommage Woody Allens, der damals auch einige Jahre ihr Lebenspartner war, an diese Schauspielerin und Frau. Wie der Titel, so heißt ihre Figur. Und »Annie« war jahrzehntelang Keatons Spitzname.
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In den 1970er-Jahren stand ihre Karriere zunächst ganz im Zeichen ihrer Zusammenarbeit mit Woody Allen, mit dem sie zwischen 1972 und 1993 acht gemeinsame Filme drehte. Aber es gab auch das Universum von Coppolas Der Pate, in dessen drei Teilen Keaton einen markanten Auftritt hat – als selbstbewusste, gepeinigte Ehefrau von Al Pacinos Michael Corleone. Auch mit Pacino verband Keaton, wie leicht zu erfahren ist, eine rund 20-jährige On/Off-Beziehung.
Das »New Hollywood«-Jahrzehnt endete für Keaton mit einem weiteren megalomanen Projekt: Reds von Warren Beatty, ein kryptokommunistischer Film über John Reads Oktoberrevolutionsreportage Zehn Tage, die die Welt erschütterten.
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Danach verstand es die Schauspielerin, sich immer wieder neu zu erfinden, und doch ihrer unverwechselbaren Leinwand-Persona einigermaßen treu zu bleiben, die sich im Jahrzehnt der Reformen und des gesellschaftlichen Aufbruchs herausgebildet hatte: einer Frau, die zugleich exzentrisch und eigenwillig, verletzlich und kompromisslos unabhängig war.
Sie wechselte brillant zwischen dramatischen Rollen – etwa in Marvins Töchter von Jerry Zaks – und komödiantischen Stoffen, wie in Der Club der Teufelinnen von Hugh Wilson.
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Nach eher flüchtigen Anfängen auf der Bühne, unter anderem in der Originalproduktion des Musicals Hair, gab Diane Keaton 1970 ihr Filmdebüt in Love and other Strangers von Cy Howard. Zwei Jahre später wurde sie durch ihre Rolle der Kay Adams in Der Pate weltberühmt. Im selben Jahr begann auch ihre erste Zusammenarbeit mit Woody Allen in Play it Again, Sam.
Andere einzelne Werke aus dieser Zeit blieben eher unbedeutend – mit Ausnahme von Looking for Mr. Goodbar von Richard Brooks, in dem sie an der Seite des jungen Richard Gere spielte.
Anfang der 80er schlug Keaton neue Richtungen ein. Sie spielte in The Little Drummer Girl von George Roy Hill, und schlug einen populäreren, seichteren Karriereweg ein, dem sie bis zum Ende ihrer Laufbahn treu blieb.
Es dominierten die Komödien, 2003 noch einmal sehr erfolgreich mit Nancy Meyers’ Something’s Gotta Give an der Seite von Jack Nicholson. Eine echte Neudefinition ihres Leinwandcharakters blieb allerdings weiterhin aus.
In den letzten zwanzig Jahren ihrer Karriere schaffte es nur etwa die Hälfte ihrer Arbeiten überhaupt in die europäischen Kinos. Unter den bekannteren späten Werken ist vor allem ihre Rolle in Paolo Sorrentinos Serie The Young Pope hervorzuheben.
Auch ihre Arbeiten als Regisseurin und Produzentin von TV- und Kinoproduktionen blieb »unter dem Radar« der hiesigen Öffentlichkeit.
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Aber Diane Keaton, die viermal für den Oscar als »Beste Hauptdarstellerin« nominiert wurde – und beim ersten Mal, 1978 für Annie Hall gewann –, muss ein paar Dinge auch in ihrem weiteren Leben richtig gemacht haben: Wie zu hören ist, hinterlässt sie ein Vermögen von über 100 Millionen Dollar – erworben vor allem durch Immobilienhandel in Kalifornien.
In Erinnerung bleibt Diane Keaton aber als eine der markantesten Schauspielerinnen ihrer Generation, als modernen Filmheldin mit Hut und Witz, als Annie Hall.