09.10.2025

Vertrauenssachen

Interviews zu einer Liebesgeschichte
Eine bissige Satire über ein Phänomen unserer Zeit: Interviews zu einer Liebesgeschichte
(Foto: CINEMA! ITALIA!)

Das Filmfestival CINEMA! ITALIA! tourt zum 28. Mal durch Deutschland – in 35 Städten und 40 Kinos. In München gastieren die italienischen Filmtage vom 9. bis 22. Oktober im Theatiner Filmtheater mit sechs Filmen über Menschen an Wendepunkten ihres Lebens

Von Elke Eckert

Die Geschichte von Frank und Nina (La Storia Del Frank E Della Nina) spielt in einem Mailänder Vorort und erzählt vom Leben und den Träumen dreier Jugend­li­cher. Genauer gesagt, erzählt einer der drei davon, und weil dieser Carlo, der auch Gollum genannt wird, nicht sprechen kann, sprüht er das, was er denkt, an die Wände. Frank redet dafür umso mehr und es gibt auch wenig, wozu er nichts zu sagen hat. Nina, die Dritte, will unbedingt studieren, um ein freieres Leben zu haben. Was ange­sichts der Tatsache, dass die 16-Jährige schon Mutter ist und in einer Beziehung mit einem Krimi­nellen steckt, nicht so einfach ist... Paola Randis unkon­ven­tio­nelles Außen­seiter-Porträt ist eine Liebes­er­klärung an ihre Heimat­stadt und ihre jugend­li­chen Helden. Und auch ihre Liebe zum Kino kommt durch visuelle Beson­der­heiten und viele Film­zi­tate nicht zu kurz. (Sonntag, 12.10., 18 Uhr / Dienstag, 21.10., 18 Uhr)

Anna hat nach ihrer Scheidung Mailand den Rücken gekehrt und sich für ein Leben auf dem Land entschieden. Das Grund­stück an der Küste Sardi­niens, auf dem die junge Frau jetzt mit einer Ziegen­herde lebt und Käse produ­ziert, gehörte ihrem verstor­benen Vater. Als eines Tages die Bagger anrollen, weil auf diesem Fleckchen Erde ein Luxus­hotel entstehen soll, beginnt für Anna ein erbit­terter Kampf gegen über­mäch­tige Gegner… Die Handlung des David-gegen-Goliath-Dramas ist von einer wahren Geschichte inspi­riert, die vor nicht allzu langer Zeit auf Sardinien passiert ist. Regisseur Marco Amenta hat die Titel­rolle mit einer Newco­merin besetzt, und Rose Aste enttäuscht das in sie gesetzte Vertrauen nicht. Ihre intensive Perfor­mance trägt den Film und bleibt in Erin­ne­rung. (Freitag, 10.10., 18 Uhr / Mittwoch, 22.10., 18 Uhr)

Vertrauen ist auch das Schlüs­sel­wort des gleich­na­migen Dramas Confi­denza. Während einer Affäre mit seiner Schülerin Teresa offenbart ihr Lehrer Pietro ein Geheimnis, das sonst niemand kennt. Sie tut es ihm gleich. Und so wissen die beiden etwas vonein­ander, das besser nicht publik werden sollte, weil es das Bild, das ihr Umfeld von ihnen hat, völlig verändern würde. Doch kann man jemandem vertrauen, von dem man sich schon vor Jahren getrennt hat und mit dem einen nichts mehr verbindet außer dieses Geheimnis? – Regisseur Daniele Luchetti insze­niert sein Psycho­drama auf mehreren Zeit­ebenen und steigert damit die Fallhöhe, weil Pietro über die Jahre zum verhei­ra­teten, sehr bekannten Buchautor wird, der viel zu verlieren hat. Elio Germano spielt ihn grandios und macht seine Zerris­sen­heit und Angst vor dem Verrat spürbar. Die Geschichte basiert auf einem Roman von Domenico Starnone. (Samstag, 11.10., 20.15 Uhr / Freitag, 17.10., 20.15 Uhr / Sonntag, 19.10, 17.45 Uhr)

Lucia und Paolo sind bereit, sehr viel von sich preis­zu­geben und das auch in der Öffent­lich­keit. Auch wenn Letzterer erst von Lucia überredet werden muss, an der TV-Reality-Show „Leichen im Keller“ teil­zu­nehmen. Mit auf den ersten Blick guten Argu­menten: Nach acht Jahren ist die Beziehung der beiden etwas einge­schlafen und auch ihre Schau­spiel­kar­rieren stecken in einer Sackgasse fest. Da kann ein bisschen Abwechs­lung und Sicht­bar­keit doch nicht schaden… Inter­views zu einer Liebes­ge­schichte (Indagine Su Una Storia D’Amore) ist eine bissige Satire über ein Phänomen unserer Zeit, in der der Wunsch nach Selbst­dar­stel­lung und die Neugierde auf das Leben anderer sich gegen­seitig bedingen und Einschalt­quoten und Klicks in die Höhe treiben. Was das mit den handelnden Personen und einer Gesell­schaft macht, verdeut­licht Gianluca Maria Tavarelli in seiner unter­halt­samen und entlar­venden Tragi­komödie.
(Donnerstag, 9.10., 18 Uhr / Samstag, 18.10., 18 Uhr)

Stefano Chian­tinis berüh­render Film Eine Mutter (Una Madre) zeigt, was es bedeutet, eine solche zu sein. Und das auf außer­ge­wöhn­liche Art und Weise. Es geht um ein Baby und drei Frauen, von denen keine die Mutter des Kindes ist. Die junge Deva hat vielmehr eine schwie­rige Beziehung zu ihrer eigenen Mutter Giovanna, mit der sie in prekären Verhält­nissen zusam­men­lebt. Weil das Geld sehr knapp ist, übernimmt Deva einen Job im Fisch­laden von Carla, die ihren einjäh­rigen Enkel alleine aufzieht. Als sie gele­gent­lich auf ihn aufpasst, lernt Deva Verant­wor­tung zu über­nehmen, auch für ihr eigenes Leben… Haupt­dar­stel­lerin Aurora Giovi­n­azzo schlüpft nicht nur beein­dru­ckend in die Rolle einer harten, trau­ma­ti­sierten jungen Frau, sondern spielt auch deren weiche und verletz­liche Seite über­zeu­gend. (Montag, 13.10., 18 Uhr / Donnerstag, 16.10., 18 Uhr)

Im Film­klas­siker Hände über der Stadt (Le mani sulla città) stürzt im Rahmen der Stadt­er­wei­te­rung ein Wohnhaus in Neapels Armen­viertel ein. Der verant­wort­liche Bauun­ter­nehmer versteht es, die Situation für sich zu nutzen, indem er sich mächtige Verbün­dete schafft. – Das gesell­schafts­kri­ti­sche Drama gewann 1963 bei den Film­fest­spielen in Venedig den Goldenen Löwen und machte Francesco Rosi, der 1922 in Neapel geboren wurde und 2015 in Rom starb, zu einem der bedeu­tendsten italie­ni­schen Regis­seure der Nach­kriegs­zeit. 2008 erhielt Rosi bei der Berlinale den Goldenen Bären für sein Lebens­werk. (Dienstag, 14.10., 18 Uhr / Sonntag, 19.10., 11 Uhr)

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Alle Filme werden im italie­ni­schen Original mit deutschen Unter­ti­teln gezeigt.