Kinos in München – Filmtheater Sendlinger Tor Plex
Was vom Kino übrig blieb |
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Neu eröffnet | ||
(Foto: Noah Mrosczok) |
Von Dunja Bialas
Plex is more than just a café – it’s a lifestyle hub. –Eigenwerbung
»Wirklich wieder Leben« im Filmtheater Sendlinger Tor, jubelt die »Abendzeitung«. Ins Gebäude des ehemals ältesten Kinos der Stadt ist eine Kaffee-Kette eingezogen, die mit Billigpreisen für Togo-Kaffee steht und ein junges Publikum im Blick hat (»Wir ziehen junges Publikum an«). Der Name: Plex.
Reichlich perplex zieht uns bei Neueröffnung das türkisfarbene Schild an, das großflächig für den neuen Pächter wirbt. Es hängt dort, wo einst die handgemalten Plakate von René Birkner auf die neu angelaufenen Filme aufmerksam machten.
Ein »Plex«: Das könnte vielleicht auch ein Multiplex mit nur einem Saal sein. Gereicht aber hat es nur fürs Foyer, das man jetzt unter dem einsilbigen Wort betritt.
Zu Jahresbeginn musste das alte Kino aus dem Reformstil-Gebäude – übrigens der erste Betonbau Münchens – weichen. Die Familie Preßmar, die das 1913 eröffnete Kino seit Kriegsende zuerst für die G.I.s, dann für alle Münchner, die dem deutschen Film zugeneigt waren, betrieben hatte, musste aufhören, das Gericht hatte geurteilt: »Das Kino darf auch leerstehen.« Hintergrund war ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen der Vermögensverwaltung WIFA und der Filmtheater Sendlinger Tor GmbH, hinter denen sich eine Erbengemeinschaft bzw. die Kinobetreiber verbergen.
Es ging, wie immer, ums Geld. Um den Pachtzins, der viele lange Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, zu niedrig angesetzt war. Gerade in den Fünfzigerjahren war der große Kinosaal mit damals noch 750 Plätzen eine Goldgrube. Die Nachkriegs-Eigentümer-Generation störte sich nicht daran, der alte Fritz Preßmar freute sich. Dann kam das Fernsehen und die Verschuhschachtelung einst großer Kinosäle in viele kleine Parzellen, die nur mit viel Goodwill noch Multiplexe genannt werden dürfen. Für das altehrwürdige Filmtheater war dies keine Option: Der Denkmalschutz hatte lediglich eine Reduzierung auf 400 Plätze möglich gemacht. Und so zog die gähnende Leere in einen nur schwer zu bespielenden Großkinosaal ein.
Dennoch wären die Preßmars vor der Räumung bereit gewesen, eine Monatsmiete von 10.000 Euro zu zahlen – das war der WIFA zu wenig, sie wollten sie außerdem loswerden. Nach dem Rauswurf kümmerte sich ein Makler um die neue Vermietung. Durchaus ernstzunehmende Interessenten wie das Gärtnerplatztheater, das das ehemalige Filmtheater mit dem Opernambiente als Probenraum nutzen wollte, oder Kinobetreiber, die gemeinschaftlich an einer Lösung arbeiteten, wurden mit einer exorbitanten Mietforderung konfrontiert: Verlangt wurden jetzt 20.000 Euro. Im Monat. Einzuspielen von einem Kultur- oder Kinobetrieb. Ist ja Premiumlage!
Wir haben nicht nachgefragt, wie hoch die Miete ist, die Plex zu berappen hat. Das angemietete Foyer eignet sich höchstens als Stehausschank wie das benachbarte Giesinger Bräu, und ehrlicherweise auch das nur bei gutem Wetter. Plex kann aber auf die Touristen und Fußgängerzone-Aspiranten zählen, die einen schnellen Kaffee in die Hand wollen. Ein wenig Umsatz wird also schon drin sein. Ganz nebenbei wird so die ehemalige Traumfabrik zum Transit- und Nichtort degradiert.
Von Zwischennutzung, wie die »Abendzeitung« befand, kann daher kaum die Rede sein. Bislang verband sich mit dem Begriff immer noch das Anliegen, einen Ort zu bespielen und ihm durch Neuausrichtung einen neuen Kultur-Impuls zu geben. Der Zwischennutzungsprofi Michi Kern wird uns da zustimmen. Er hat unter anderem mit den Interims-Projekten Lovelace-Hotel und Sugar Mountain neue Räume für Kultur in München geschaffen, anstatt wie Plex dort Konsum anzubieten, wo Kultur vernichtet wurde.
Plex und die Konkurrenz LAP sind zwei Neuerscheinungen in der Stadt. Das Konzept: Drinnen ist kaum Platz. Also: Coffee to go. Die Preispolitik: Der Espresso kostet 1,50 Euro, der Cappuccino 2,50. LAP wurde von den Lieferdienstgründern von Flink und Delivery Hero ins Leben gerufen. Plex gibt es anders als LAP bislang nur in München. Die Plex-Unternehmer um Geschäftsführer Max Kamp mögen eine Freundesclique sein, mehr wiegt in dem Kontext von Fast Commerce jedoch, dass sie erfahrene Start-up-Gründer und Unternehmensberater sind. So hat Max Kamp als Investment Banker gearbeitet und ein Netzwerk geleitet für die »Heimlichtuer« der Branche (Stealth Start-up).
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»Ist im Plastikgefäß auch Kaffee drin?« – »Die iced Variante des Cappuccinos.«
»Man stößt sich nicht wirklich daran an, aber schmeckt auch nicht wirklich nach was. Gilt für beides.«
»Ein Freund aus Wien ist dabei; der ist Barista, kann auch seinen Senf geben.« – Barista: »Milchschaum misslungen, Espresso muss wässrig gewesen sein, eher Latte als Cappuccino, weil man die Milch zu sehr schmeckt.«
»Wir haben Popcorn geschenkt bekommen.« – »Das lag wahrscheinlich noch im Keller rum.« – Barista: »Nicht mal, wenn man ins Kino geht, nimmt man das Popcorn, und jetzt kriegt man nur noch das.«
(Foto: Noah Mrosczok)+ + +
»Was ich gelernt habe, ist, immer neue Sachen auszuprobieren«, sagt Max Kamp im Gespräch mit Plex-Mitbegründer Philipp Cheng. Das ist der krasse Lebens-Gegenentwurf zu einem Kino, das über 110 Jahre am selben Ort spielte. Die Vermieter wird es freuen: Das Kaffee-Intermezzo ist auf ein Jahr begrenzt.
Und so wird es dann weitergehen, immer neue Zwischenmieter werden ein- und weiterziehen. Noch denkt man an das Kino, das es dort mal gegeben hat, und an das, was der Ort hätte sein können. Es gibt jetzt nur drei Möglichkeiten: Entweder wir vergessen einfach, dass es hier einmal ein Kino gab und immer noch geben könnte. Oder die Vermieter besinnen sich auf ihre städtegemeinschaftliche Verantwortung, die sie für den Platz am Tor zur Stadt haben. Oder: dann doch Enteignung.
»Eine Enteignung ist zulässig, wenn sie zum Wohle der Allgemeinheit erforderlich ist und der Enteignungszweck nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann.« (Bayernportal)