14.08.2025
Kinos in München – Filmtheater Sendlinger Tor Plex

Was vom Kino übrig blieb

Kaffee Plex
Neu eröffnet
(Foto: Noah Mrosczok)

Statt Multiplex jetzt Café Plex. Bemerkungen zu einer sogenannten Zwischennutzung des ehemaligen Filmtheater Sendlinger Tor

Von Dunja Bialas

Plex is more than just a café – it’s a lifestyle hub. –Eigen­wer­bung

»Wirklich wieder Leben« im Film­theater Send­linger Tor, jubelt die »Abend­zei­tung«. Ins Gebäude des ehemals ältesten Kinos der Stadt ist eine Kaffee-Kette einge­zogen, die mit Billig­preisen für Togo-Kaffee steht und ein junges Publikum im Blick hat (»Wir ziehen junges Publikum an«). Der Name: Plex.

Reichlich perplex zieht uns bei Neueröff­nung das türkis­far­bene Schild an, das großflächig für den neuen Pächter wirbt. Es hängt dort, wo einst die hand­ge­malten Plakate von René Birkner auf die neu ange­lau­fenen Filme aufmerksam machten.
Ein »Plex«: Das könnte viel­leicht auch ein Multiplex mit nur einem Saal sein. Gereicht aber hat es nur fürs Foyer, das man jetzt unter dem einsil­bigen Wort betritt.

Zu Jahres­be­ginn musste das alte Kino aus dem Reform­stil-Gebäude – übrigens der erste Betonbau Münchens – weichen. Die Familie Preßmar, die das 1913 eröffnete Kino seit Kriegs­ende zuerst für die G.I.s, dann für alle Münchner, die dem deutschen Film zugeneigt waren, betrieben hatte, musste aufhören, das Gericht hatte geurteilt: »Das Kino darf auch leer­stehen.« Hinter­grund war ein jahre­langer Rechts­streit zwischen der Vermö­gens­ver­wal­tung WIFA und der Film­theater Send­linger Tor GmbH, hinter denen sich eine Erben­ge­mein­schaft bzw. die Kino­be­treiber verbergen.

Es ging, wie immer, ums Geld. Um den Pachtzins, der viele lange Jahre, wenn nicht Jahr­zehnte, zu niedrig angesetzt war. Gerade in den Fünf­zi­ger­jahren war der große Kinosaal mit damals noch 750 Plätzen eine Goldgrube. Die Nach­kriegs-Eigen­tümer-Gene­ra­tion störte sich nicht daran, der alte Fritz Preßmar freute sich. Dann kam das Fernsehen und die Verschuh­schach­te­lung einst großer Kinosäle in viele kleine Parzellen, die nur mit viel Goodwill noch Multi­plexe genannt werden dürfen. Für das altehr­wür­dige Film­theater war dies keine Option: Der Denk­mal­schutz hatte lediglich eine Redu­zie­rung auf 400 Plätze möglich gemacht. Und so zog die gähnende Leere in einen nur schwer zu bespie­lenden Großki­no­saal ein.

Dennoch wären die Preßmars vor der Räumung bereit gewesen, eine Monats­miete von 10.000 Euro zu zahlen – das war der WIFA zu wenig, sie wollten sie außerdem loswerden. Nach dem Rauswurf kümmerte sich ein Makler um die neue Vermie­tung. Durchaus ernst­zu­neh­mende Inter­es­senten wie das Gärt­ner­platz­theater, das das ehemalige Film­theater mit dem Oper­nam­bi­ente als Proben­raum nutzen wollte, oder Kino­be­treiber, die gemein­schaft­lich an einer Lösung arbei­teten, wurden mit einer exor­bi­tanten Miet­for­de­rung konfron­tiert: Verlangt wurden jetzt 20.000 Euro. Im Monat. Einzu­spielen von einem Kultur- oder Kino­be­trieb. Ist ja Premi­um­lage!

Wir haben nicht nach­ge­fragt, wie hoch die Miete ist, die Plex zu berappen hat. Das ange­mie­tete Foyer eignet sich höchstens als Stehaus­schank wie das benach­barte Giesinger Bräu, und ehrli­cher­weise auch das nur bei gutem Wetter. Plex kann aber auf die Touristen und Fußgän­ger­zone-Aspi­ranten zählen, die einen schnellen Kaffee in die Hand wollen. Ein wenig Umsatz wird also schon drin sein. Ganz nebenbei wird so die ehemalige Traum­fa­brik zum Transit- und Nichtort degra­diert.

Von Zwischen­nut­zung, wie die »Abend­zei­tung« befand, kann daher kaum die Rede sein. Bislang verband sich mit dem Begriff immer noch das Anliegen, einen Ort zu bespielen und ihm durch Neuaus­rich­tung einen neuen Kultur-Impuls zu geben. Der Zwischen­nut­zungs­profi Michi Kern wird uns da zustimmen. Er hat unter anderem mit den Interims-Projekten Lovelace-Hotel und Sugar Mountain neue Räume für Kultur in München geschaffen, anstatt wie Plex dort Konsum anzu­bieten, wo Kultur vernichtet wurde.

Plex und die Konkur­renz LAP sind zwei Neuer­schei­nungen in der Stadt. Das Konzept: Drinnen ist kaum Platz. Also: Coffee to go. Die Preis­po­litik: Der Espresso kostet 1,50 Euro, der Cappuc­cino 2,50. LAP wurde von den Liefer­dienst­grün­dern von Flink und Delivery Hero ins Leben gerufen. Plex gibt es anders als LAP bislang nur in München. Die Plex-Unter­nehmer um Geschäfts­führer Max Kamp mögen eine Freun­des­clique sein, mehr wiegt in dem Kontext von Fast Commerce jedoch, dass sie erfahrene Start-up-Gründer und Unter­neh­mens­be­rater sind. So hat Max Kamp als Invest­ment Banker gear­beitet und ein Netzwerk geleitet für die »Heim­lich­tuer« der Branche (Stealth Start-up).

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Und wie schmeckt’s bei Plex?

Kaffeetester

»Ist im Plas­tik­gefäß auch Kaffee drin?« – »Die iced Variante des Cappuc­cinos.«

»Man stößt sich nicht wirklich daran an, aber schmeckt auch nicht wirklich nach was. Gilt für beides.«

»Ein Freund aus Wien ist dabei; der ist Barista, kann auch seinen Senf geben.« – Barista: »Milch­schaum miss­lungen, Espresso muss wässrig gewesen sein, eher Latte als Cappuc­cino, weil man die Milch zu sehr schmeckt.«

»Wir haben Popcorn geschenkt bekommen.« – »Das lag wahr­schein­lich noch im Keller rum.« – Barista: »Nicht mal, wenn man ins Kino geht, nimmt man das Popcorn, und jetzt kriegt man nur noch das.«

(Foto: Noah Mrosczok)

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»Was ich gelernt habe, ist, immer neue Sachen auszu­pro­bieren«, sagt Max Kamp im Gespräch mit Plex-Mitbe­gründer Philipp Cheng. Das ist der krasse Lebens-Gegen­ent­wurf zu einem Kino, das über 110 Jahre am selben Ort spielte. Die Vermieter wird es freuen: Das Kaffee-Inter­mezzo ist auf ein Jahr begrenzt.

Und so wird es dann weiter­gehen, immer neue Zwischen­mieter werden ein- und weiter­ziehen. Noch denkt man an das Kino, das es dort mal gegeben hat, und an das, was der Ort hätte sein können. Es gibt jetzt nur drei Möglich­keiten: Entweder wir vergessen einfach, dass es hier einmal ein Kino gab und immer noch geben könnte. Oder die Vermieter besinnen sich auf ihre städ­te­ge­mein­schaft­liche Verant­wor­tung, die sie für den Platz am Tor zur Stadt haben. Oder: dann doch Enteig­nung.

»Eine Enteig­nung ist zulässig, wenn sie zum Wohle der Allge­mein­heit erfor­der­lich ist und der Enteig­nungs­zweck nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann.« (Bayern­portal)