42. Filmfest München 2025
Alles beim Alten |
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In der konkreten graphischen Umsetzung nicht das stärkste Design des öffentlichen Auftretens... | ||
(Grafik: Filmfest München 2025) |
Von Thomas Willmann
Das Filmfest München machte dieses Jahr was ganz Neues: Es blieb gleich. Es hatte gegenüber der vorigen Ausgabe kein Redesign, keine umgekrempelte Reihenstruktur, keine revolutionären Neuerungen. Keine ganz neuen Einfälle, was man nun noch und schon wieder anders machen könnte.
Und da wurde einem im Rückblick erst wirklich bewusst, wie unstet das Festival in der Ära Iljine war. Freilich gab es immer ein paar Konstanten, einen unverwüstlichen Kern. Und freilich wird auch jetzt
noch an Stellschräublein gedreht. Aber Letzteres ist Feinjustierung. Und nicht das permanente Stochern nach einer Identität wie in so vielen Jahren zuvor.
Gewiss war diese Unstetheit zum Teil auch unverschuldet, getrieben von äußeren Faktoren wie Kinoschließungen, einem Ministerpräsidenten mit abstrusen Duodezfürsten-Anfällen oder – manche erinnern sich vielleicht daran – einer Pandemie.
Andererseits aber fehlte da auch eine klare, praktikable Vorstellung davon, wie die Idealversion des Filmfests München aussehen sollte. Stattdessen hechelte man einer vagen Vision hinterher von »Irgendwas mit Glamour!«.
Und
ob es ein guter oder schlechter Jahrgang wurde, war da oft vor allem eins: Glückssache.
Die neue Kontinuität heißt, dass sich hier erstmal nur wiederholen lässt, was uns schon letztes Jahr erfreute:
Die zeitliche Nähe zu Cannes wird noch bewusster zu einer schönen Croisette-Nachlese für uns Daheimgebliebene genutzt – auch wenn die ganz großen Titel mitunter fehlen. Was aber andererseits zur generellen, begrüßenswerten Leitlinie passt: Lieber auf spannende Debüts, überraschende Entdeckungen setzen statt auf den bloßen Klang altvertrauter Namen.
Die Achse
vom Filmmuseum bis zum Arri Kino, mit City und Amerikahaus als Treffpunkte dazwischen, sorgt dafür, dass man sich zwischen den Filmen wieder öfter über den Weg läuft. Die »Beergarden Convention« lockt zum Stempelsammeln im Bierpass – und führt dabei ebenso zu manch unverhoffter Begegnung.
Der Trailer mit motivisch gruppierten Ausschnitten aus Festivalbeiträgen (ich bin nicht ganz sicher, aber kann’s sein, dass sich da ein Wasser-Thema durchzieht...?) wird im
Festival-Verlauf zum netten Puzzlespiel der bereits gesehenen Filme. Mit einem gewissen »Gotta catch'em all!«-Reiz. Das ist endlich ein FFMUC-Trailer-Konzept, das langfristig tragfähig scheint – und nur ein klein wenig dem alljährlichen Wundertüten-Effekt nachtrauern lässt, was denn wohl diesmal wieder die Idee war.
Überhaupt das Design des öffentlichen Auftretens: In der konkreten graphischen Umsetzung nicht das stärkste. Aber mit dem Hauptmotiv des Wassers (ha!), des
Flusses, des Flows als programmatische Ansage sinnfällig – und sympathischer als, wie zuvor, das Verstecken des Blicks hinter coolen Sonnenbrillen.
Nicht alles ist perfekt, freilich. Wir fremdeln noch immer mit Schrödingers Festivalbeginn – wo für drei Tage unklar ist, ob das Filmfest denn nun, offiziell wie auch gefühlt, eigentlich schon angefangen hat.
Aber wie bereit das FFMUC nun ist, Verbesserungswünsche anzunehmen, zeigte sich an vielen Details. Nur eins zum Beispiel: Wir sind immer noch nicht die größten Fans vom Zeitungsformat fürs Festival-Magazin – aber der nun problemlos herausnehmbare Zeitplan
macht es ungleich nutzbarer.
Und eben: Da ist nun wieder ein Grundgefühl, Grundvertrauen zu spüren, dass das Filmfest München weiß, was es ist, kann und soll. Und dass es das Selbstvertrauen hat, dies auch zu sein und bleiben.
Filmmarkt, Preise, Presseecho von wirklich internationaler Bedeutung kann München realistischerweise einfach nicht bieten. Aber das FFMUC begreift wieder, wo es die Nase vor der A-Liga hat.
Der Schlüssel auch für ein Publikumsfestival, um attraktive Werke und Namen bieten
zu können, ist heutzutage das Anlocken der Branche. Lange hat man sich da zufrieden gegeben mit den üblichen ein, zwei Hundert deutschen Fernsehnasen. Nun ist zu spüren, dass man das »International« in der Festivalnamens-Unterzeile ernst nimmt. Und sich – nicht in von oben diktierter finanzieller Hauruck-Aktion, sondern durch Verdienen eines guten Rufs – als Premieren-Plattform etabliert.
Und da sollte man nicht unterschätzen, wie verlockend genau das ist, was das Filmfest München mal war – und gerade wieder, in entsprechend aufgefrischter, angepasster Form, wird.
Ein Raum für zwanglose, ungeplante Begegnungen auf Augenhöhe. In einer für internationale Gäste attraktiven Stadt im Sommer. (Sorry, Berlin im Februar!)
Wo man selbst den A-List Stars wie einer Kate Winslet, einer Gillian Anderson den vermeintlich bloßen Zwischenstopp auf Filmpromo-Tour zum
wirklich herzlichen, persönlichen Erlebnis zu machen versteht. (Gillian Anderson ist eine wirklich gute Schauspielerin. Aber jede Wette: Die Tränen der Rührung auf der Cinemerit-Gala ob der vom Publikum entgegengebrachten Liebe waren echt. Und entwaffnend ehrlich ihre Bemerkung zur Trophäe: »Die ist hübsch! Die stell ich vielleicht wirklich daheim auf!«)
Wo man es aber mindestens ebenso wichtig findet, dass Debut-Filmemachende Festival-Tage erleben, die statt von
Business-Betrieb geprägt sind von Herzlichkeit und einer Leidenschaft für Filme.
Wo man halt letztlich dafür sorgt, dass Menschen versammelt sind, denen Kino wirklich etwas bedeutet. Und diese Menschen in Austausch bringt.
Und so naiv und/oder kitschig das alles vielleicht klingen mag: Auch Branchenleute sind nun mal Menschen. Und grade all die Festivals, die nicht durch pure Größe und Gravitationskraft unausweichliche Pflichttermine im Kalender sind, konkurrieren
letztlich auch schlicht darum, wo man sich besonders wohl fühlt und eine gute Zeit hat. Sowas spricht sich durchaus rum.
Und es funktioniert in zwei Richtungen: Je mehr sich ein Festival etablieren kann als Ort und Termin im internationalen Jahresdurchlauf, wo man sich wirklich wohl fühlt und seine Filme gut aufgenommen, aufgehoben – je eher sind die attraktiven Namen und Werke anzulocken. Aber umso besser die Grundstimmung, umso wohlwollender auch die Haltung gegenüber den Filmen. Wenn alle vereinzelt und zerknirscht unterwegs sind, zieht jeder mittelmäßige Film schon runter, stellt sich nach wenigen Tagen die Sinnfrage. Wenn das Drumrum stimmt, wenn man weiß, dass man auch über unerquickliche Filmerlebnisse mit netten Menschen ins bereichernde Gespräch kommen wird, während man fleißig den Bierpass füllt, macht das offener, duldsamer, wacher.
Ausbaufähig ist in München traditionell noch die Neugier des Publikums. Wir sind leider generell keine sehr cineastische Stadt. Davon können Filmmuseum, Programmkinos, Werkstattkino, Verleiher hinreichend Klagelieder singen. Aber wenn man mit »Event!« wedelt, sind ja sonst die Zivilisten auch oft zu ködern. Und da zeigt die unsystematische Stichprobe im Bekanntenkreis, dass noch immer zu viele nicht wissen, wann und wenn Filmfest ist. Was das Filmfest überhaupt ist. Dass man dort auch als Normalbevölkerung hingehen und Filme anschauen kann. Und dass man nicht nur in die deutschen Fernsehfilme rennen sollte, weil man da die Gesichter kennt.
Die Zahlen von diesem Jahr machen da immerhin etwas Hoffnung. Vor allem aber setzt das von uns bereits die ersten anderthalb Jahre unter Gröner & Weigl gepriesene, Altmünchner Prinzip »Hock' di her da, samma mehra!« voraus, dass man eben erstmal selbst da hockt. Statt immer irgendwas hinterher zu rennen. Vielleicht entdeckt das Münchner Publikum ja besser, was das FFMUC ist, nun da es darauf selbst eine überzeugendere Antwort weiß.
Wer andere willkommen heißen will, muss da
sein, bei sich sein. Und da scheint das Filmfest München nun paradoxerweise im bewussten (und keineswegs starren) Stillstehen auf einem guten Weg.