17.07.2025
42. Filmfest München 2025

Alles beim Alten

Filmfest München 2025
In der konkreten graphischen Umsetzung nicht das stärkste Design des öffentlichen Auftretens...
(Grafik: Filmfest München 2025)

Fortschritt durch Stillstehen beim FFMUC 2025

Von Thomas Willmann

Das Filmfest München machte dieses Jahr was ganz Neues: Es blieb gleich. Es hatte gegenüber der vorigen Ausgabe kein Redesign, keine umge­krem­pelte Reihen­struktur, keine revo­lu­ti­onären Neue­rungen. Keine ganz neuen Einfälle, was man nun noch und schon wieder anders machen könnte.
Und da wurde einem im Rückblick erst wirklich bewusst, wie unstet das Festival in der Ära Iljine war. Freilich gab es immer ein paar Konstanten, einen unver­wüst­li­chen Kern. Und freilich wird auch jetzt noch an Stell­schräu­blein gedreht. Aber Letzteres ist Fein­jus­tie­rung. Und nicht das perma­nente Stochern nach einer Identität wie in so vielen Jahren zuvor.

Gewiss war diese Unstet­heit zum Teil auch unver­schuldet, getrieben von äußeren Faktoren wie Kino­schließungen, einem Minis­ter­prä­si­denten mit abstrusen Duodez­fürsten-Anfällen oder – manche erinnern sich viel­leicht daran – einer Pandemie.
Ande­rer­seits aber fehlte da auch eine klare, prak­ti­kable Vorstel­lung davon, wie die Ideal­ver­sion des Filmfests München aussehen sollte. Statt­dessen hechelte man einer vagen Vision hinterher von »Irgendwas mit Glamour!«.
Und ob es ein guter oder schlechter Jahrgang wurde, war da oft vor allem eins: Glücks­sache.

Die neue Konti­nuität heißt, dass sich hier erstmal nur wieder­holen lässt, was uns schon letztes Jahr erfreute:
Die zeitliche Nähe zu Cannes wird noch bewusster zu einer schönen Croisette-Nachlese für uns Daheim­ge­blie­bene genutzt – auch wenn die ganz großen Titel mitunter fehlen. Was aber ande­rer­seits zur gene­rellen, begrüßens­werten Leitlinie passt: Lieber auf spannende Debüts, über­ra­schende Entde­ckungen setzen statt auf den bloßen Klang altver­trauter Namen.
Die Achse vom Film­mu­seum bis zum Arri Kino, mit City und Ameri­ka­haus als Treff­punkte dazwi­schen, sorgt dafür, dass man sich zwischen den Filmen wieder öfter über den Weg läuft. Die »Beer­garden Conven­tion« lockt zum Stem­pel­sam­meln im Bierpass – und führt dabei ebenso zu manch unver­hoffter Begegnung.
Der Trailer mit motivisch grup­pierten Ausschnitten aus Festi­val­bei­trägen (ich bin nicht ganz sicher, aber kann’s sein, dass sich da ein Wasser-Thema durch­zieht...?) wird im Festival-Verlauf zum netten Puzzle­spiel der bereits gesehenen Filme. Mit einem gewissen »Gotta catch'em all!«-Reiz. Das ist endlich ein FFMUC-Trailer-Konzept, das lang­fristig tragfähig scheint – und nur ein klein wenig dem alljähr­li­chen Wunder­tüten-Effekt nach­trauern lässt, was denn wohl diesmal wieder die Idee war.
Überhaupt das Design des öffent­li­chen Auftre­tens: In der konkreten graphi­schen Umsetzung nicht das stärkste. Aber mit dem Haupt­motiv des Wassers (ha!), des Flusses, des Flows als program­ma­ti­sche Ansage sinn­fällig – und sympa­thi­scher als, wie zuvor, das Verste­cken des Blicks hinter coolen Sonnen­brillen.

Nicht alles ist perfekt, freilich. Wir fremdeln noch immer mit Schrö­din­gers Festi­val­be­ginn – wo für drei Tage unklar ist, ob das Filmfest denn nun, offiziell wie auch gefühlt, eigent­lich schon ange­fangen hat.
Aber wie bereit das FFMUC nun ist, Verbes­se­rungs­wün­sche anzu­nehmen, zeigte sich an vielen Details. Nur eins zum Beispiel: Wir sind immer noch nicht die größten Fans vom Zeitungs­format fürs Festival-Magazin – aber der nun problemlos heraus­nehm­bare Zeitplan macht es ungleich nutzbarer.

Und eben: Da ist nun wieder ein Grund­ge­fühl, Grund­ver­trauen zu spüren, dass das Filmfest München weiß, was es ist, kann und soll. Und dass es das Selbst­ver­trauen hat, dies auch zu sein und bleiben.
Filmmarkt, Preise, Pres­se­echo von wirklich inter­na­tio­naler Bedeutung kann München realis­ti­scher­weise einfach nicht bieten. Aber das FFMUC begreift wieder, wo es die Nase vor der A-Liga hat.
Der Schlüssel auch für ein Publi­kums­fes­tival, um attrak­tive Werke und Namen bieten zu können, ist heut­zu­tage das Anlocken der Branche. Lange hat man sich da zufrieden gegeben mit den üblichen ein, zwei Hundert deutschen Fern­seh­nasen. Nun ist zu spüren, dass man das »Inter­na­tional« in der Festi­val­na­mens-Unter­zeile ernst nimmt. Und sich – nicht in von oben diktierter finan­zi­eller Hauruck-Aktion, sondern durch Verdienen eines guten Rufs – als Premieren-Plattform etabliert.

Und da sollte man nicht unter­schätzen, wie verlo­ckend genau das ist, was das Filmfest München mal war – und gerade wieder, in entspre­chend aufge­frischter, ange­passter Form, wird.
Ein Raum für zwanglose, unge­plante Begeg­nungen auf Augenhöhe. In einer für inter­na­tio­nale Gäste attrak­tiven Stadt im Sommer. (Sorry, Berlin im Februar!)
Wo man selbst den A-List Stars wie einer Kate Winslet, einer Gillian Anderson den vermeint­lich bloßen Zwischen­stopp auf Filmpromo-Tour zum wirklich herz­li­chen, persön­li­chen Erlebnis zu machen versteht. (Gillian Anderson ist eine wirklich gute Schau­spie­lerin. Aber jede Wette: Die Tränen der Rührung auf der Cinemerit-Gala ob der vom Publikum entge­gen­ge­brachten Liebe waren echt. Und entwaff­nend ehrlich ihre Bemerkung zur Trophäe: »Die ist hübsch! Die stell ich viel­leicht wirklich daheim auf!«)
Wo man es aber mindes­tens ebenso wichtig findet, dass Debut-Filme­ma­chende Festival-Tage erleben, die statt von Business-Betrieb geprägt sind von Herz­lich­keit und einer Leiden­schaft für Filme.
Wo man halt letztlich dafür sorgt, dass Menschen versam­melt sind, denen Kino wirklich etwas bedeutet. Und diese Menschen in Austausch bringt.
Und so naiv und/oder kitschig das alles viel­leicht klingen mag: Auch Bran­chen­leute sind nun mal Menschen. Und grade all die Festivals, die nicht durch pure Größe und Gravi­ta­ti­ons­kraft unaus­weich­liche Pflicht­ter­mine im Kalender sind, konkur­rieren letztlich auch schlicht darum, wo man sich besonders wohl fühlt und eine gute Zeit hat. Sowas spricht sich durchaus rum.

Und es funk­tio­niert in zwei Rich­tungen: Je mehr sich ein Festival etablieren kann als Ort und Termin im inter­na­tio­nalen Jahres­durch­lauf, wo man sich wirklich wohl fühlt und seine Filme gut aufge­nommen, aufge­hoben – je eher sind die attrak­tiven Namen und Werke anzu­lo­cken. Aber umso besser die Grund­stim­mung, umso wohl­wol­lender auch die Haltung gegenüber den Filmen. Wenn alle verein­zelt und zerknirscht unterwegs sind, zieht jeder mittel­mäßige Film schon runter, stellt sich nach wenigen Tagen die Sinnfrage. Wenn das Drumrum stimmt, wenn man weiß, dass man auch über uner­quick­liche Film­erleb­nisse mit netten Menschen ins berei­chernde Gespräch kommen wird, während man fleißig den Bierpass füllt, macht das offener, duldsamer, wacher.

Ausbaufähig ist in München tradi­tio­nell noch die Neugier des Publikums. Wir sind leider generell keine sehr cine­as­ti­sche Stadt. Davon können Film­mu­seum, Programm­kinos, Werk­statt­kino, Verleiher hinrei­chend Klage­lieder singen. Aber wenn man mit »Event!« wedelt, sind ja sonst die Zivi­listen auch oft zu ködern. Und da zeigt die unsys­te­ma­ti­sche Stich­probe im Bekann­ten­kreis, dass noch immer zu viele nicht wissen, wann und wenn Filmfest ist. Was das Filmfest überhaupt ist. Dass man dort auch als Normal­be­völ­ke­rung hingehen und Filme anschauen kann. Und dass man nicht nur in die deutschen Fern­seh­filme rennen sollte, weil man da die Gesichter kennt.

Die Zahlen von diesem Jahr machen da immerhin etwas Hoffnung. Vor allem aber setzt das von uns bereits die ersten andert­halb Jahre unter Gröner & Weigl geprie­sene, Altmünchner Prinzip »Hock' di her da, samma mehra!« voraus, dass man eben erstmal selbst da hockt. Statt immer irgendwas hinterher zu rennen. Viel­leicht entdeckt das Münchner Publikum ja besser, was das FFMUC ist, nun da es darauf selbst eine über­zeu­gen­dere Antwort weiß.
Wer andere will­kommen heißen will, muss da sein, bei sich sein. Und da scheint das Filmfest München nun para­do­xer­weise im bewussten (und keines­wegs starren) Still­stehen auf einem guten Weg.