15.05.2025

Wie 'Transamazonia' entstand...

Transamazonia
Szene aus Pia Marais' Transamazonia
(Foto: Pandora / Die FilmAgentinnen)

Regisseurin Pia Marais über ihren neuen Film

Von Pia Marais

Es war meine Faszi­na­tion für die wahren Bege­ben­heiten rund um eine junge Frau, die in den 1970er-Jahren einen Flug­zeug­ab­sturz sowie einen schwin­del­erre­genden Sturz in den Amazo­nas­re­gen­wald überlebte, die den Anstoß zu Tran­sama­zonia gab. Ihre wunder­same Rettung machte sie damals über Nacht berühmt, und Menschen auf der ganzen Welt begannen, ihre eigenen Projek­tionen auf sie zu über­tragen, in dem Versuch zu verstehen, wie sie überleben konnte.

Inspi­riert von der Idee eines jungen Mädchens, das einen Flug­zeug­ab­sturz überlebt und unfrei­willig zur Berühmt­heit wird, unternahm ich eine Recher­che­reise entlang der brasi­lia­ni­schen Tran­sama­zo­nica-Schnell­straße, um heraus­zu­finden, ob sich der Film dort verorten ließe. Ich beglei­tete einen Jour­na­listen, der ausführ­lich über einen eska­lie­renden Konflikt zwischen einem indigenen Volk und einer benach­barten Holz­fäl­ler­stadt geschrieben hatte. Wir besuchten beide »Seiten des Konflikts«, und einige der Ereig­nisse, von denen ich erfuhr, bildeten das Fundament für den zentralen Konflikt im Film und inspi­rierten einige der Figuren, die ihn bevölkern.

Meine erste Reise in den Amazonas hinter­ließ einen tiefen Eindruck bei mir. Die Realität dieser Grenzwelt fühlte sich an wie ein zeit­genös­si­scher Western: Glücks­ritter, indigene Völker und die Bibel. Überall, wo wir hinkamen, trafen wir auf evan­ge­li­kale Gemeinden – selbst in den abge­le­gensten Holz­fäl­ler­s­tädten –, die Wohlstand predigten und Menschen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes tauften. Es schien mir, als würden diese Kirchen auf gewisse Weise die Zers­törung des umlie­genden Regen­waldes beschleu­nigen.

Als ich mit dem Schreiben begann, war es mir wichtig, einen Weg zu finden, die Komple­xität, die ich entlang der Tran­sama­zo­nica beob­achtet hatte, in die Welt von Rebeccas Geschichte zu inte­grieren. Während meiner Arbeit am Material kris­tal­li­sierte sich eine zentrale Idee heraus: Wie macht jemand, der ein erschüt­terndes Ereignis überlebt hat, für sich selbst Sinn daraus?

Ohne dass Rebecca es weiß, hat ihr Vater Lawrence Byrne eine Erzählung konstru­iert, die sie verbindet und ihnen eine gemein­same Bestim­mung und Lebens­auf­gabe gibt: Menschen in Not Trost und Heilung zu bringen. Wie zwei Singvögel verkünden sie hoff­nungs­volle Botschaften. Sie bilden ein seltsames Paar – Rebecca, das Wunder­kind, Lawrence Byrne, ihr Manager.

Doch als Rebeccas Vergan­gen­heit wieder in den Vorder­grund rückt, wird die Mytho­logie ihrer Vater-Tochter-Beziehung auf eine harte Probe gestellt. In Tran­sama­zonia wollte ich über die Ambi­va­lenz solcher Narrative nach­denken. Durch Rebeccas Perspek­tive und ihre Reise der Erkenntnis wird ihr klar, dass sie in die Irre geführt wurde und dass ihre ursprüng­liche Identität ihr von dem Menschen genommen wurde, den sie am meisten liebt.

Es war mir jedoch auch wichtig, dass der Film die Fort­set­zung solcher aufer­legten Erzähl­muster in einem größeren Kontext hinter­fragt. Dies zeigt sich etwa in der Missi­ons­ar­beit von Rebecca und ihrem Vater an einem indigenen Volk – und in dem Versuch, diesem eine neue Erzählung, ein neues Glau­bens­system aufzu­zwingen.

Der Film folgt mehreren Erzähl­strängen, die sich um die zentrale Figur Rebecca verweben. Sie fungiert als eine Art Gefäß – sowohl narrativ als auch in der Struktur des Films. Ohne sie wären die Ereig­nisse nicht mitein­ander verbunden. Ihr Leben ermög­licht das Hin- und Herspringen zwischen den verschie­denen Erzäh­le­benen. Manchmal übernimmt sogar der Film selbst Rebeccas Perspek­tive, wodurch Raum für kleine Momente der Ironie entsteht.

Die Figur Byrne ist inspi­riert von Eltern, die durch ihre Kinder leben – als müssten sie sich dadurch selbst einen Lebens­sinn erschaffen. Und so wird dem Kind unbewusst die Vorstel­lung vermit­telt, dass Liebe an Bedin­gungen geknüpft ist.

Dies ist ein zentraler Aspekt von Rebeccas Beziehung zu ihrem Vater. Er baute seinen Ruf auf dem wunder­samen Glanz seiner Tochter auf – als gerechte Gegen­leis­tung für die Liebe, die er ihr gegeben hatte. Eine ähnliche Ambi­va­lenz sehe ich bei dem Missionar, dessen Hilfe weit davon entfernt ist, einfach nur Ausdruck von Gottes univer­seller Liebe zu sein – sie ist ebenfalls an Bedin­gungen gebunden.

Doch glaubt Rebecca wirklich an ihre Fähigkeit zu heilen? Oder versucht sie nicht vielmehr, ihrem Vater das zu geben, was er von ihr erwartet? Sie beugt sich seinem Willen, um seine Liebe zu gewinnen. Aufge­wachsen in der insze­nierten Gewiss­heit, sie sei ein Gefäß gött­li­cher Kraft, muss Rebecca von dem Podest steigen, auf das ihr Vater sie gestellt hat, und ihr eigenes Glau­bens­system erschaffen.

Ich glaube, die Bewegung, die ich im Film suchte, war eine Entwick­lung hin zu einem positiven Ausgang. In dem sich die an Bedin­gungen geknüpfte „Liebe“ in ein bedin­gungs­loses Gefühl verwan­delt – und Rebecca und Lawrence Byrne sich schließ­lich fürein­ander entscheiden, aus freiem Willen. In dieser Hinsicht lehnt der Film weder Mystik noch Glauben ab, sondern versucht, ein breiteres Spektrum zu zeigen – in dem Liebe und Natur ihren Platz finden.

Tran­sama­zonia ist mein vierter Spielfilm. In diesem fieber­haften Setting wollte ich spie­le­risch mit Elementen von Spannung und Genre arbeiten. In bestimmten Momenten eine unheim­lich-traum­ar­tige Atmo­sphäre schaffen. Inspi­riert haben mich dabei unter anderem Filme wie Carrie von Brian De Palma oder Marnie von Hitchcock – wir folgen der Haupt­figur Rebecca, die noch nicht volls­tändig verstanden hat, wer sie ist.

Ich war immer faszi­niert von weib­li­chen Figuren, die, um in ihrer Welt zu funk­tio­nieren, einen Teil von sich selbst unter­drü­cken – manchmal so sehr, dass sie ihn sogar vor sich selbst verste­cken. Deshalb war es wichtig, dass Rebecca etwas Unwirk­li­ches bewahrt – eine Fassade. Ein kind­li­ches Heiler-Wunder, das als Projek­ti­ons­fläche dient und sich dann wieder­findet, während sie erwachsen wird. Sie zieht ihre eigene Schluss­fol­ge­rung – auf sanft entschlos­sene Weise dreht sie den Spieß um und gibt sich selbst einen neuen Sinn.

Da Rebeccas Herkunfts­ge­schichte im Film eine „falsche Erzählung“ ist, erschien es mir inter­es­sant, dies visuell hervor­zu­heben – bestimmten Sequenzen ein stärker insze­niertes, künst­li­ches Ambiente zu verleihen. Das versuchten wir über die Farb­ge­stal­tung zu erreichen. Besonders in der Missi­ons­sta­tion, wo Rebecca und ihr Vater Wunder­hei­lungen „aufführen“. Ziel war es, diese Szenen von der Realität abzu­grenzen und den künst­li­chen Charakter ihrer „Zauber­show“ zu betonen. Mit einer Farb­pa­lette aus Weiß- und Pastell­tönen wollten wir ein Zelt-UFO im natür­li­chen Umfeld erschaffen – ein Fremd­körper in der Land­schaft.

Im Kontrast dazu stehen die Außen­auf­nahmen, bei denen wir nach Locations suchten, die den Eindrü­cken meiner ersten Reise entlang der Tran­sama­zo­nica entspra­chen. Das Location Scouting in Brasilien und Fran­zö­sisch-Guayana erstreckte sich über Monate – wir durch­kämmten riesige Gebiete auf der Suche nach breiten Schot­ter­straßen mit dichtem Wald auf beiden Seiten.

Visuell wurde der Film in Schichten geschaffen, denn die Heraus­for­de­rung bestand darin, Orte zu finden, die uns erlaubten, die Atmo­sphäre einer Grenzwelt zu erschaffen. Der Wald war natürlich essen­ziell. Ich suchte nach etwas, das sich atmo­sphärisch mythisch und drama­tisch anfühlte. Die Wald­szenen drehten wir in Fran­zö­sisch-Guayana, nahe der brasi­lia­ni­schen Grenze, da dort noch ursprüng­li­cher Regenwald zu finden ist. Die Atmo­sphäre in diesem Wald wirkte unberührt und abgelegen.

In gewisser Weise entstand Tran­sama­zonia – sowohl erzäh­le­risch als auch visuell – als Verhand­lung zwischen Ideen, Refe­renzen und der Realität, die wir auf dem Weg entdeckten. Und wie sich all diese Aspekte zu einem Ganzen verbanden. Wenn ich über den Entste­hungs­pro­zess des Films nachdenke, war es ein Eintau­chen in eine Realität, die weit von meiner eigenen entfernt ist. Die einzelnen Etappen waren notwendig, um mich zu akkli­ma­ti­sieren und das Wesen der Orte zu erfassen – und sie schließ­lich in die visuelle Sprache des Films zu über­setzen. Hoffent­lich ist dabei ein sinn­li­ches Erlebnis entstanden, das das Publikum in diese noch weit­ge­hend unbe­kannte Welt hinein­zieht, in der der Film spielt.