Wie 'Transamazonia' entstand... |
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Szene aus Pia Marais' Transamazonia | ||
(Foto: Pandora / Die FilmAgentinnen) |
Von Pia Marais
Es war meine Faszination für die wahren Begebenheiten rund um eine junge Frau, die in den 1970er-Jahren einen Flugzeugabsturz sowie einen schwindelerregenden Sturz in den Amazonasregenwald überlebte, die den Anstoß zu Transamazonia gab. Ihre wundersame Rettung machte sie damals über Nacht berühmt, und Menschen auf der ganzen Welt begannen, ihre eigenen Projektionen auf sie zu übertragen, in dem Versuch zu verstehen, wie sie überleben konnte.
Inspiriert von der Idee eines jungen Mädchens, das einen Flugzeugabsturz überlebt und unfreiwillig zur Berühmtheit wird, unternahm ich eine Recherchereise entlang der brasilianischen Transamazonica-Schnellstraße, um herauszufinden, ob sich der Film dort verorten ließe. Ich begleitete einen Journalisten, der ausführlich über einen eskalierenden Konflikt zwischen einem indigenen Volk und einer benachbarten Holzfällerstadt geschrieben hatte. Wir besuchten beide »Seiten des Konflikts«, und einige der Ereignisse, von denen ich erfuhr, bildeten das Fundament für den zentralen Konflikt im Film und inspirierten einige der Figuren, die ihn bevölkern.
Meine erste Reise in den Amazonas hinterließ einen tiefen Eindruck bei mir. Die Realität dieser Grenzwelt fühlte sich an wie ein zeitgenössischer Western: Glücksritter, indigene Völker und die Bibel. Überall, wo wir hinkamen, trafen wir auf evangelikale Gemeinden – selbst in den abgelegensten Holzfällerstädten –, die Wohlstand predigten und Menschen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes tauften. Es schien mir, als würden diese Kirchen auf gewisse Weise die Zerstörung des umliegenden Regenwaldes beschleunigen.
Als ich mit dem Schreiben begann, war es mir wichtig, einen Weg zu finden, die Komplexität, die ich entlang der Transamazonica beobachtet hatte, in die Welt von Rebeccas Geschichte zu integrieren. Während meiner Arbeit am Material kristallisierte sich eine zentrale Idee heraus: Wie macht jemand, der ein erschütterndes Ereignis überlebt hat, für sich selbst Sinn daraus?
Ohne dass Rebecca es weiß, hat ihr Vater Lawrence Byrne eine Erzählung konstruiert, die sie verbindet und ihnen eine gemeinsame Bestimmung und Lebensaufgabe gibt: Menschen in Not Trost und Heilung zu bringen. Wie zwei Singvögel verkünden sie hoffnungsvolle Botschaften. Sie bilden ein seltsames Paar – Rebecca, das Wunderkind, Lawrence Byrne, ihr Manager.
Doch als Rebeccas Vergangenheit wieder in den Vordergrund rückt, wird die Mythologie ihrer Vater-Tochter-Beziehung auf eine harte Probe gestellt. In Transamazonia wollte ich über die Ambivalenz solcher Narrative nachdenken. Durch Rebeccas Perspektive und ihre Reise der Erkenntnis wird ihr klar, dass sie in die Irre geführt wurde und dass ihre ursprüngliche Identität ihr von dem Menschen genommen wurde, den sie am meisten liebt.
Es war mir jedoch auch wichtig, dass der Film die Fortsetzung solcher auferlegten Erzählmuster in einem größeren Kontext hinterfragt. Dies zeigt sich etwa in der Missionsarbeit von Rebecca und ihrem Vater an einem indigenen Volk – und in dem Versuch, diesem eine neue Erzählung, ein neues Glaubenssystem aufzuzwingen.
Der Film folgt mehreren Erzählsträngen, die sich um die zentrale Figur Rebecca verweben. Sie fungiert als eine Art Gefäß – sowohl narrativ als auch in der Struktur des Films. Ohne sie wären die Ereignisse nicht miteinander verbunden. Ihr Leben ermöglicht das Hin- und Herspringen zwischen den verschiedenen Erzählebenen. Manchmal übernimmt sogar der Film selbst Rebeccas Perspektive, wodurch Raum für kleine Momente der Ironie entsteht.
Die Figur Byrne ist inspiriert von Eltern, die durch ihre Kinder leben – als müssten sie sich dadurch selbst einen Lebenssinn erschaffen. Und so wird dem Kind unbewusst die Vorstellung vermittelt, dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist.
Dies ist ein zentraler Aspekt von Rebeccas Beziehung zu ihrem Vater. Er baute seinen Ruf auf dem wundersamen Glanz seiner Tochter auf – als gerechte Gegenleistung für die Liebe, die er ihr gegeben hatte. Eine ähnliche Ambivalenz sehe ich bei dem Missionar, dessen Hilfe weit davon entfernt ist, einfach nur Ausdruck von Gottes universeller Liebe zu sein – sie ist ebenfalls an Bedingungen gebunden.
Doch glaubt Rebecca wirklich an ihre Fähigkeit zu heilen? Oder versucht sie nicht vielmehr, ihrem Vater das zu geben, was er von ihr erwartet? Sie beugt sich seinem Willen, um seine Liebe zu gewinnen. Aufgewachsen in der inszenierten Gewissheit, sie sei ein Gefäß göttlicher Kraft, muss Rebecca von dem Podest steigen, auf das ihr Vater sie gestellt hat, und ihr eigenes Glaubenssystem erschaffen.
Ich glaube, die Bewegung, die ich im Film suchte, war eine Entwicklung hin zu einem positiven Ausgang. In dem sich die an Bedingungen geknüpfte „Liebe“ in ein bedingungsloses Gefühl verwandelt – und Rebecca und Lawrence Byrne sich schließlich füreinander entscheiden, aus freiem Willen. In dieser Hinsicht lehnt der Film weder Mystik noch Glauben ab, sondern versucht, ein breiteres Spektrum zu zeigen – in dem Liebe und Natur ihren Platz finden.
Transamazonia ist mein vierter Spielfilm. In diesem fieberhaften Setting wollte ich spielerisch mit Elementen von Spannung und Genre arbeiten. In bestimmten Momenten eine unheimlich-traumartige Atmosphäre schaffen. Inspiriert haben mich dabei unter anderem Filme wie Carrie von Brian De Palma oder Marnie von Hitchcock – wir folgen der Hauptfigur Rebecca, die noch nicht vollständig verstanden hat, wer sie ist.
Ich war immer fasziniert von weiblichen Figuren, die, um in ihrer Welt zu funktionieren, einen Teil von sich selbst unterdrücken – manchmal so sehr, dass sie ihn sogar vor sich selbst verstecken. Deshalb war es wichtig, dass Rebecca etwas Unwirkliches bewahrt – eine Fassade. Ein kindliches Heiler-Wunder, das als Projektionsfläche dient und sich dann wiederfindet, während sie erwachsen wird. Sie zieht ihre eigene Schlussfolgerung – auf sanft entschlossene Weise dreht sie den Spieß um und gibt sich selbst einen neuen Sinn.
Da Rebeccas Herkunftsgeschichte im Film eine „falsche Erzählung“ ist, erschien es mir interessant, dies visuell hervorzuheben – bestimmten Sequenzen ein stärker inszeniertes, künstliches Ambiente zu verleihen. Das versuchten wir über die Farbgestaltung zu erreichen. Besonders in der Missionsstation, wo Rebecca und ihr Vater Wunderheilungen „aufführen“. Ziel war es, diese Szenen von der Realität abzugrenzen und den künstlichen Charakter ihrer „Zaubershow“ zu betonen. Mit einer Farbpalette aus Weiß- und Pastelltönen wollten wir ein Zelt-UFO im natürlichen Umfeld erschaffen – ein Fremdkörper in der Landschaft.
Im Kontrast dazu stehen die Außenaufnahmen, bei denen wir nach Locations suchten, die den Eindrücken meiner ersten Reise entlang der Transamazonica entsprachen. Das Location Scouting in Brasilien und Französisch-Guayana erstreckte sich über Monate – wir durchkämmten riesige Gebiete auf der Suche nach breiten Schotterstraßen mit dichtem Wald auf beiden Seiten.
Visuell wurde der Film in Schichten geschaffen, denn die Herausforderung bestand darin, Orte zu finden, die uns erlaubten, die Atmosphäre einer Grenzwelt zu erschaffen. Der Wald war natürlich essenziell. Ich suchte nach etwas, das sich atmosphärisch mythisch und dramatisch anfühlte. Die Waldszenen drehten wir in Französisch-Guayana, nahe der brasilianischen Grenze, da dort noch ursprünglicher Regenwald zu finden ist. Die Atmosphäre in diesem Wald wirkte unberührt und abgelegen.
In gewisser Weise entstand Transamazonia – sowohl erzählerisch als auch visuell – als Verhandlung zwischen Ideen, Referenzen und der Realität, die wir auf dem Weg entdeckten. Und wie sich all diese Aspekte zu einem Ganzen verbanden. Wenn ich über den Entstehungsprozess des Films nachdenke, war es ein Eintauchen in eine Realität, die weit von meiner eigenen entfernt ist. Die einzelnen Etappen waren notwendig, um mich zu akklimatisieren und das Wesen der Orte zu erfassen – und sie schließlich in die visuelle Sprache des Films zu übersetzen. Hoffentlich ist dabei ein sinnliches Erlebnis entstanden, das das Publikum in diese noch weitgehend unbekannte Welt hineinzieht, in der der Film spielt.