Die große Selbstbestätigung |
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Dem Konzept wird alles untergeordnet... | ||
(Foto: Münchner Kammerspiele / Gabriela Neeb) |
1969 feierte Katzelmacher – der zweite Spielfilm des legendären Rainer Werner Fassbinder – in Mannheim Premiere. In 9 Tagen gedreht, kaum Budget, schwarz-weiß und so spröde stilisiert, wie es in Deutschland nach diesen Anfangstagen des Neuen Deutschen Films nicht mehr vorkommen sollte. Nah an der Nouvelle Vague wird sich natürlich bewegt, doch Fassbinder ist ruhiger, konzentrierter, schwermütiger und trauriger. Ein statischer Film entsteht, dem man seine ursprünglich geplante Theaterherkunft jederzeit anmerkt: Die Kamera bewegt sich nahezu nie, nur in wenigen Ausbruchsmomenten, dann, wenn wir Schuberts Sehnsuchtswalzer hören, die Figuren (meistens zu zweit) der Kamera entgegen spazieren, jene vor ihnen wegfährt.
Dieses Klassikers nun haben sich die Münchner Kammerspiele angenommen, genauer gesagt Emre Akal, der mit dem Künstlerduo Mehmet & Kazim Akal (Cousin und Bruder des Regisseurs) eine Neufassung des Stoffes erarbeitete. Gespielt wird in drei Aufzügen plus Epilog, unterbrochen von Videoprojektionen, die das Publikum während der Bühnenumbauten bei Laune halten. Die sind quietschbunt; ausgefallene, unwirkliche Welten: 16-Bit-Videospiele, Tauschstationen, Kinderzimmer
bevölkert mit menschengroßen Spielzeugen. Die eigentliche Bühne dann verhält sich adäquat dazu, Mehmet & Kazim (zuständig für Videoinstallationen und eben die Bühne) entwerfen artifizielle Räume, orientieren sich an standardisierten Ideen von Wohnzimmern und Essküchen, entfremden jene aber entweder ins Extreme (eine postapokalyptische Vampir-Welt) oder überzeichnen sie in ihrer Typisierung hinein in die Seltsamkeit.
Handwerklich lässt sich dabei wenig
kritisieren, allenfalls die merkwürdige Unschärfe der Animationen stößt gelegentlich auf.
Das ist allerdings der Standard für die Kammerspiele, und als solcher auch vorauszusetzen. Schwierig wird es, überträgt man diese liebevolle Gestaltung auf den Inhalt.
Das beginnt bereits im ersten Aufzug: Wieder Wohnküche, nur sehen wir keine Menschen, sondern: Katzen, also Menschen in Katzen-Kostümen. (Wegen Katzel-macher…)
Hier wird man bereits stutzig, diesen flachen Wortwitz an den Anfang der Inszenierung zu stellen, das verheißt nichts Gutes. Und in diesem
Fahrwasser verbleibt dann das gesamte Stück. Es ist eine Aneinanderreihung von Sätzen aus dem Film, ins Unendliche wiederholt (nicht variiert) und in wechselnden Szenarien breit getreten. Ob nun Katze, Mensch, Computerspielfigur, alle legen sie ihren galligen Rassismus dar, wüten gegen den Gastarbeiter Jorgos, der die zentrale Rolle einnimmt. Farben und Kostüme wechseln, der Inhalt bleibt stets der gleiche.
Nur: Was soll erreicht werden in dieser Repetition der Repetition,
im Verweigern von Varianz und Aufbau?
Katzelmacher (der Film), ist gerade darum so interessant, weil er den Rassismus nicht aus sich selbst begründet (wie es nun an den Kammerspielen geschieht), sondern ihn schmerzlich heranwachsen lässt, die bayerische Vorstadt als Vorhölle der Perspektivlosigkeit, der Apathie, des keimenden Hasses auf sich selbst inszeniert, der sich dann auf das »Außen« entlädt. Auf
selbstgemachte Feindbilder, auf Gastarbeiter und Ausländer, auf all jene, die das eigene »Paradies« zu zerstören drohen. Denn an dieser Vorstellung muss man festhalten, der eigene desolate Zustand darf nicht anerkannt werden. Er würde aufbrechen, beginnen, die dauertrunkene Deutschtümelei zu entlarven. An einer solchen Struktur der eigenen Ideen ist Akal wiederum nicht interessiert. Bei ihm ist der Rassismus von Anfang an vorhanden, nicht geknüpft an Gesellschaft oder
Wirtschaft, ganz generell an keine sozial-politischen Eckpfeiler. Er ist einfach da, und er ist furchtbar. Prinzipiell kann man das schon so inszenieren, aktivistisches Theater, Message-Theater.
Nur: Wer in ein Stück namens »Katzelmacher« geht, der weiß ja bereits im Vorhinein, dass er ein Stück gegen Rassismus sieht. Wird an dieser Auslegung strikt festgehalten, ergibt sich lediglich eine Selbstbestätigung, ein Gleichbleiben und braves Abnicken.
Schlimmer noch als diese ideologische Schwäche aber ist, wie sehr sich das Stück dennoch auf diese Grundidee stützt. Dem Konzept wird alles untergeordnet, es gibt durch die beständige Wiederholung der Floskeln natürlich keine Entwicklung der Figuren (gut, die gibt es auch bei Fassbinder nicht), durch die versuchte Verfremdung und beständige Maskerade allerdings werden die Phrasendrescher selbst zu laufenden Stichworten degradiert. Dieses Theater kennt keine Subjekte mehr, kennt aber ebensowenig ein anti-humanitäres System, eine Ordnung, die die Individualität unmöglich macht. Es bleibt bei sich, bleibt bei der Grundidee, bei der Sicherheit, etwas zu sagen, gegen das man keinen Einwand erheben kann (und möchte).
Und das ist schließlich auch das große Versagen dieser Inszenierung – das Ausbleiben der Liebe, der Sehnsucht und der Schönheit. Werden all jene Dinge auch bei Fassbinder nicht erreicht, so sind sie doch vorhanden, der eigentliche Kern des Films: Das Wissen darum, dass es eben doch anders sein kann, dass das Unglück zurückgeschlagen werden muss.
Diese Sehnsucht muss nicht erfüllt werden (wie auch), doch sie hängt anmutig über den Bildern, macht sie gerade darum so
traurig.
In den Kammerspielen nun werden wir vor Tatsachen gestellt, die sich aus sich selbst heraus begründen, die offensichtlich, unmittelbar, unveränderlich und gegeben erscheinen.
Dafür muss man das Stück nicht besuchen, diese Einstellung trägt man bereits in den Theatersaal hinein, lässt sie sich lediglich bestätigen.
Am Ende dann wurde viel geklatscht, Applaus-Rufe inklusive – das Publikum kann zeigen, wie es den Rassismus verschmäht, sich ein gutes Gewissen für den Preis einer Eintrittskarte erkaufen.
Beschwingt verlassen die Münchner das Theaterhaus: Was für ein bequemes Gefühl es doch ist, ein guter Mensch zu sein, wie wundervoll, sich die Bestätigung selbst abzuholen.