01.05.2025

Von Stadt zu Stadt

Das versteckte Kind
Ein so poetisches wie psychologisches Kammerspiel: Das versteckte Kind
(Foto: Circolo Cento Fiori)

Der Circolo Cento Fiori, Mitglied der Filmstadt München e.V., zeigt an den folgenden fünf Sonntagen, vom 4. Mai bis 1. Juni 2025, seine diesjährige Filmreihe Cinema e Città im Theatiner Filmtheater

Von Elke Eckert

Jeder der Filme spielt in einer anderen italie­ni­schen Stadt, die nicht nur als Kulisse und Hinter­grund der Handlung dient, sondern mindes­tens eine Neben­rolle spielt. Als Zuschauer macht man sich dabei auf eine Reise durch Italien, vom Norden in den Süden. Nach dem Start in Turin geht es weiter über Livorno, Rom und Neapel bis nach Palermo. Wie sich die jeweilige Stadt im Film darstellt, hängt auch von der Grund­stim­mung der einzelnen Geschichten ab. Die kann geheim­nis­voll oder lebendig, manchmal bedroh­lich, und dann wieder magisch sein.

Die Filmreihe startet mit der Drei­ecks­ge­schichte Zweite Hälfte der Nacht (Dopo Mezza­notte) von 2004, Schau­platz ist die Mole Anto­nel­liana. Im 19. Jahr­hun­dert als Synagoge geplant, beher­bergt das Wahr­zei­chen Turins seit den 1960er-Jahren das staat­liche Film­mu­seum. Dort arbeitet der verträumte Martino als Nacht­wächter. Ein Traumjob für den Stumm­film­lieb­haber, kann er doch nebenbei alte Filme im Kino des Museums anschauen oder gleich selbst welche drehen. Bis eines Tages Amanda vor ihm steht, die sich auf der Flucht vor der Polizei verste­cken muss. Martino bietet ihr Unter­schlupf und verliebt sich in die schöne junge Frau. Aber da ist auch noch Angelo, klein­kri­mi­neller Auto­dealer und Amandas Freund… Dass Regisseur Davide Ferrario ein großer Kenner der Film­ge­schichte und ein noch größerer Fan von Buster Keaton ist, passt perfekt zum Ort des Gesche­hens. Den Filmpreis David di Donatello hat er aber sicher auch dem roman­ti­schen Zusam­men­spiel seines Darsteller-Trios zu verdanken. (Sonntag, 4. Mai, 18 Uhr)

Die Tragi­komödie Hard­boiled Egg (Ovosodo) von 1997 erzählt vom Erwach­sen­werden des Piero Mansani. Ovosodo ist nicht nur Pieros Spitzname, so heißt auch der Stadtteil von Livorno, in dem er sein ganzes bishe­riges Leben verbracht hat. Der schüch­terne Jugend­liche fühlt sich seinem Viertel in der histo­ri­schen Altstadt auch deshalb besonders verbunden, weil er es zu Hause nicht immer leicht hat. Seine Mutter stirbt früh, sein Bruder hat das Down­syn­drom und sein Vater kommt häufig mit dem Gesetz in Konflikt. Piero ist seine Familie wichtig, aber eine große Rolle in seinem Alltag spielen auch seine Lehrerin Giovanna und sein Mitschüler Tommaso. Die beiden entfachen seine Begeis­te­rung für zwei neue Leiden­schaften: die Literatur und die Frau­en­welt. – Regisseur Paolo Virzi hat auch am Drehbuch mitge­schrieben. Die warm­her­zige und humor­volle Coming-of-Age-Geschichte besticht mit ihrer Reali­täts­nähe und wurde bei den 54. Film­fest­spielen in Venedig mit dem Spezi­al­preis der Jury ausge­zeichnet. (Sonntag, 11. Mai, 18 Uhr)

Gleicher Regisseur, anderes Genre und anderer Ort: Paolo Virzis Drama Dry (Siccità) von 2022 ist der düsterste Film der Reihe und spielt im Rom der Gegenwart. Seit drei Jahren hat es in der italie­ni­schen Haupt­stadt nicht mehr geregnet. Die Einwohner sind von Wasser- und Schlaf­mangel geplagt, worunter auch ihre Bezie­hungen leiden. Wut, Eitelkeit und Lügen machen ihr Leben zusätz­lich zu einem Albtraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. – Der hoff­nungs­lose Zustand, in dem sich die Röme­rinnen und Römer befinden, zeigt sich sinn­bild­lich in der Trocken­heit ihrer Stadt. Egal, ob im Flussbett des Tibers oder im Pool eines Luxus­ho­tels, die Dürre ist allge­gen­wärtig. Das dysto­pi­sche Drama, das mit Stars wie Silvio Orlando und Monica Bellucci besetzt ist, feiert in München seine Premiere. (Sonntag, 18. Mai, 18 Uhr)

Gabriele Santoro hat früher Konzerte gespielt, heute lebt der Musik­pro­fessor zurück­ge­zogen im neapo­li­ta­ni­schen Arbei­ter­viertel „Quartieri Spagnoli“ und gibt Klavier­un­ter­richt. Eines Morgens entdeckt er den zehn­jäh­rigen Ciro in seiner Wohnung. Der Nach­bars­junge, dessen Vater für die Camorra tätig ist, bittet ihn um Hilfe. Obwohl Gabriele bewusst ist, dass er damit sein Leben riskiert, beschließt er, den Jungen zu verste­cken… Roberto Andòs poeti­sches und psycho­lo­gi­sches Kammer­spiel Das versteckte Kind (Il Bambino Nascosto) von 2021 ist vor allem wegen der immer inten­siver werdenden Beziehung zwischen dem einsamen Alten und dem rebel­li­schen Jungen sehens­wert. Die bedroh­liche Situation, der die beiden in dem herun­ter­ge­kom­menen Haus ausge­lie­fert sind, spiegelt sich auch in dessen Umgebung. Der Innenhof und die engen Straßen ringsum sehen nicht nach einem Bilder­buch-Neapel aus, sondern vermit­teln ein klischee­freies Bild der dritt­größten Stadt Italiens. (Sonntag, 25. Mai, 18 Uhr)

Auch Palermo, die letzte Stadt im Film, asso­zi­ieren viele mit der Mafia. Doch der Todesfall, mit dem Ordinary Happiness (Momenti di tras­cu­ra­bile felicità) beginnt, ist nicht die Folge einer Gewalttat, sondern eines Verkehrs­un­falls. Nach einem Crash mit seinem Motor­roller landet Paolo im Himmel, wo sich heraus­stellt, dass er 92 Minuten zu früh abberufen wurde. Paolo darf mit einem Engel an seiner Seite noch einmal einein­halb Stunden zurück auf die Erde. Statt letzte Dinge zu regeln, genießt Paolo die geschenkte Zeit und erlebt dabei einige der glück­lichsten Augen­blicke seines Lebens… Die Orte, an denen Daniele Luchettis heiter-ironische Geschichte von 2019 spielt, wirken manchmal fast surreal. Einer davon ist der Palazzo Abatellis, in dem heute Siziliens größtes Kunst­mu­seum unter­ge­bracht ist. Haupt­dar­steller Pier­fran­cesco Diliberto, in Italien unter seinem Spitz­namen Pif bekannt, stammt selbst aus Palermo. (Sonntag, 1. Juni, 18 Uhr)