Von Stadt zu Stadt |
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Ein so poetisches wie psychologisches Kammerspiel: Das versteckte Kind | ||
(Foto: Circolo Cento Fiori) |
Von Elke Eckert
Jeder der Filme spielt in einer anderen italienischen Stadt, die nicht nur als Kulisse und Hintergrund der Handlung dient, sondern mindestens eine Nebenrolle spielt. Als Zuschauer macht man sich dabei auf eine Reise durch Italien, vom Norden in den Süden. Nach dem Start in Turin geht es weiter über Livorno, Rom und Neapel bis nach Palermo. Wie sich die jeweilige Stadt im Film darstellt, hängt auch von der Grundstimmung der einzelnen Geschichten ab. Die kann geheimnisvoll oder lebendig, manchmal bedrohlich, und dann wieder magisch sein.
Die Filmreihe startet mit der Dreiecksgeschichte Zweite Hälfte der Nacht (Dopo Mezzanotte) von 2004, Schauplatz ist die Mole Antonelliana. Im 19. Jahrhundert als Synagoge geplant, beherbergt das Wahrzeichen Turins seit den 1960er-Jahren das staatliche Filmmuseum. Dort arbeitet der verträumte Martino als Nachtwächter. Ein Traumjob für den Stummfilmliebhaber, kann er doch nebenbei alte Filme im Kino des Museums anschauen oder gleich selbst welche drehen. Bis eines Tages Amanda vor ihm steht, die sich auf der Flucht vor der Polizei verstecken muss. Martino bietet ihr Unterschlupf und verliebt sich in die schöne junge Frau. Aber da ist auch noch Angelo, kleinkrimineller Autodealer und Amandas Freund… Dass Regisseur Davide Ferrario ein großer Kenner der Filmgeschichte und ein noch größerer Fan von Buster Keaton ist, passt perfekt zum Ort des Geschehens. Den Filmpreis David di Donatello hat er aber sicher auch dem romantischen Zusammenspiel seines Darsteller-Trios zu verdanken. (Sonntag, 4. Mai, 18 Uhr)
Die Tragikomödie Hardboiled Egg (Ovosodo) von 1997 erzählt vom Erwachsenwerden des Piero Mansani. Ovosodo ist nicht nur Pieros Spitzname, so heißt auch der Stadtteil von Livorno, in dem er sein ganzes bisheriges Leben verbracht hat. Der schüchterne Jugendliche fühlt sich seinem Viertel in der historischen Altstadt auch deshalb besonders verbunden, weil er es zu Hause nicht immer leicht hat. Seine Mutter stirbt früh, sein Bruder hat das Downsyndrom und sein Vater kommt häufig mit dem Gesetz in Konflikt. Piero ist seine Familie wichtig, aber eine große Rolle in seinem Alltag spielen auch seine Lehrerin Giovanna und sein Mitschüler Tommaso. Die beiden entfachen seine Begeisterung für zwei neue Leidenschaften: die Literatur und die Frauenwelt. – Regisseur Paolo Virzi hat auch am Drehbuch mitgeschrieben. Die warmherzige und humorvolle Coming-of-Age-Geschichte besticht mit ihrer Realitätsnähe und wurde bei den 54. Filmfestspielen in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. (Sonntag, 11. Mai, 18 Uhr)
Gleicher Regisseur, anderes Genre und anderer Ort: Paolo Virzis Drama Dry (Siccità) von 2022 ist der düsterste Film der Reihe und spielt im Rom der Gegenwart. Seit drei Jahren hat es in der italienischen Hauptstadt nicht mehr geregnet. Die Einwohner sind von Wasser- und Schlafmangel geplagt, worunter auch ihre Beziehungen leiden. Wut, Eitelkeit und Lügen machen ihr Leben zusätzlich zu einem Albtraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. – Der hoffnungslose Zustand, in dem sich die Römerinnen und Römer befinden, zeigt sich sinnbildlich in der Trockenheit ihrer Stadt. Egal, ob im Flussbett des Tibers oder im Pool eines Luxushotels, die Dürre ist allgegenwärtig. Das dystopische Drama, das mit Stars wie Silvio Orlando und Monica Bellucci besetzt ist, feiert in München seine Premiere. (Sonntag, 18. Mai, 18 Uhr)
Gabriele Santoro hat früher Konzerte gespielt, heute lebt der Musikprofessor zurückgezogen im neapolitanischen Arbeiterviertel „Quartieri Spagnoli“ und gibt Klavierunterricht. Eines Morgens entdeckt er den zehnjährigen Ciro in seiner Wohnung. Der Nachbarsjunge, dessen Vater für die Camorra tätig ist, bittet ihn um Hilfe. Obwohl Gabriele bewusst ist, dass er damit sein Leben riskiert, beschließt er, den Jungen zu verstecken… Roberto Andòs poetisches und psychologisches Kammerspiel Das versteckte Kind (Il Bambino Nascosto) von 2021 ist vor allem wegen der immer intensiver werdenden Beziehung zwischen dem einsamen Alten und dem rebellischen Jungen sehenswert. Die bedrohliche Situation, der die beiden in dem heruntergekommenen Haus ausgeliefert sind, spiegelt sich auch in dessen Umgebung. Der Innenhof und die engen Straßen ringsum sehen nicht nach einem Bilderbuch-Neapel aus, sondern vermitteln ein klischeefreies Bild der drittgrößten Stadt Italiens. (Sonntag, 25. Mai, 18 Uhr)
Auch Palermo, die letzte Stadt im Film, assoziieren viele mit der Mafia. Doch der Todesfall, mit dem Ordinary Happiness (Momenti di trascurabile felicità) beginnt, ist nicht die Folge einer Gewalttat, sondern eines Verkehrsunfalls. Nach einem Crash mit seinem Motorroller landet Paolo im Himmel, wo sich herausstellt, dass er 92 Minuten zu früh abberufen wurde. Paolo darf mit einem Engel an seiner Seite noch einmal eineinhalb Stunden zurück auf die Erde. Statt letzte Dinge zu regeln, genießt Paolo die geschenkte Zeit und erlebt dabei einige der glücklichsten Augenblicke seines Lebens… Die Orte, an denen Daniele Luchettis heiter-ironische Geschichte von 2019 spielt, wirken manchmal fast surreal. Einer davon ist der Palazzo Abatellis, in dem heute Siziliens größtes Kunstmuseum untergebracht ist. Hauptdarsteller Pierfrancesco Diliberto, in Italien unter seinem Spitznamen Pif bekannt, stammt selbst aus Palermo. (Sonntag, 1. Juni, 18 Uhr)