09.01.2025

Revolution als Chance für einen filmischen Neuanfang?

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Im ideologischen Korsett der letzten Regierung entstanden – Shyam Benegals großer Erfolg Mujib: The Making of a Nation
(Plakat: Wikicommons)

Für die Filmindustrie Bangladeschs bedeutete die politische Revolution im Sommer 2024 die Chance auf einen Neuanfang. Doch ein analytischer Blick auf die gegenwärtige politische Lage und andere Umstürze der Weltgeschichte lassen Zweifel aufkommen, ob es je ein »unabhängiges« Filmemachen in Bangladesch geben wird

Von Bidhan Rebeiro

Die Rufe nach Reformen in Bangla­desch haben seit dem letzten Sommer und mit der Vertrei­bung der despo­ti­schen Regierung unter Sheikh Hasina an Dynamik gewonnen und sind in verschie­denen Bereichen, darunter auch in der Film­in­dus­trie, inzwi­schen sehr laut zu hören. Vor dieser Welle des Wandels waren viele Filme­ma­cher eng mit der Regierung unter der Awami-Liga verban­delt. Mit dem Ausbruch des Aufstands befürch­teten einige eine düstere Zukunft und hofften auf eine bessere Lösung. Nach dem poli­ti­schen Wandel der ersten Proteste erwiesen sich diese Erwar­tungen jedoch oft als falsch. Zahl­reiche bislang Gemäßigte empfanden die Regie­rungs­füh­rung der Awami-Liga nun als zu autoritär und begannen, ihre Unter­s­tüt­zung für den Volks­auf­stand zu bekunden, der Ende Juli begann und ab dem 1. August immer mehr an Fahrt gewann.

An diesem Tag versam­melten sich in Dhaka zunächst Fern­seh­schaf­fende und unab­hän­gige Filme­ma­cher vor dem Parla­ments­ge­bäude. Wegen heftigen Regens und des Wider­stands der Polizei lösten sie sich auf, aber einige versam­melten sich erneut am Farmgate in der Nähe eines Kinosaals, wo sie Trans­pa­rente und Plakate in den Regen hielten. Andere Kultur­schaf­fende schlossen sich bald aus Soli­da­rität an. Am nächsten Tag, dem 2. August, gingen weitere Künstler auf die Straße und versam­melten sich am Central Shaheed Minar, einem Natio­nal­denkmal in Dhaka. Wir alle kennen die Folgen dieser Versamm­lung und wissen, wie sich das poli­ti­sche Szenario in Bangla­desch verändert hat. Der 5. August war ein Wende­punkt für das Land und die gesamte südasia­ti­sche Region. Innerhalb weniger Tage setzten sich die Filme­ma­cher und Künstler, die sich physisch oder virtuell am Protest betei­ligten, ernsthaft für Reformen im Film­be­reich ein.

In der Zeit nach dem Aufstand kam es zu einem breit ange­legten Dialog, bei dem unter­schied­liche Meinungen über die weitere Entwick­lung der Film­in­dus­trie des Landes zum Ausdruck kamen. Die erste große Veran­stal­tung, die von der Bürger­initia­tive »Juli Public Sphere« im Natio­nal­mu­seum in Shahbagh orga­ni­siert wurde, beinhal­tete eine Grund­satz­rede mit dem Titel »Kultur­po­litik: Kino als Vorwand« des Filme­ma­chers Kamar Ahmad Simon. Dies löste eine Welle von Akti­vi­täten unter unab­hän­gigen Filme­ma­chern, Film­pä­d­agogen und Studenten aus.

Die Bemühungen um die Einrich­tung einer Natio­nalen Film­kom­mis­sion begannen mit einem Entwurfs­aus­schuss, der sich mit promi­nenten Persön­lich­keiten der Zivil­ge­sell­schaft beriet. Die Gründung der Kommis­sion war mit einem Fahrplan für eine Film­re­form verbunden, die ein breites Spektrum von Perspek­tiven einbe­ziehen sollte. Reform­vor­schläge kamen auch von Studenten des Bangla­desh Cinema and Tele­vi­sion Institute (BCTI). Gleich­zeitig wurden innerhalb der Bangla­desh Film Deve­lo­p­ment Corpo­ra­tion (BFDC) zwei neue Ausschüsse gebildet: der Ausschuss zum Schutz der Film­rechte vor Diskri­mi­nie­rung und das Bangla­desh Film Deve­lo­p­ment Forum. Außerdem begannen Orga­ni­sa­tionen wie das Centre for Asian Arts and Culture, Diskus­sionen über das nationale Kino zu veran­stalten.

Unter­hal­tungs­jour­na­listen aus dem Umfeld der elek­tro­ni­schen Medien orga­ni­sierten ein Seminar, an dem auch Filme­ma­cher aus dem Main­stream teil­nahmen. Sie disku­tierten über die Notwen­dig­keit von Reformen oder struk­tu­rellen Verän­de­rungen. Zu den Themen gehörten die Einfüh­rung von E-Ticketing und eines Kassen­sys­tems, um finan­zi­elle Trans­pa­renz zu gewähr­leisten und die Korrup­tion im staat­li­chen Steu­er­system einzu­dämmen. Die Teil­nehmer betonten auch die Notwen­dig­keit, Film­för­de­rungen als leis­tungs­be­zo­gene Stipen­dien zu vergeben, und forderten Arbeits­platz­si­cher­heit für Künstler und Techniker.

Da junge Menschen die treibende Kraft hinter dem Aufstand waren, traten viele aufstre­bende Filme­ma­cher den Film­zer­ti­fi­zie­rungs­gre­mien und -ausschüssen bei und wurden sogar Teil der Such­aus­schüsse des Infor­ma­ti­ons­mi­nis­te­riums. Doch wie schon zuvor gab es auch in diesen Ausschüssen Beschwerden über die büro­kra­ti­sche Dominanz. Sogar in den Medien wurde über die Unzu­frie­den­heit der kommer­zi­ellen Künstler mit den neu gebil­deten Foren im BFDC berichtet. Nichts­des­to­trotz bleibt die gemein­same Hoffnung auf einen sinn­vollen Wandel, eine Abkehr von den bishe­rigen Praktiken und eine auf Inte­grität aufge­baute Zukunft.

Wir können nicht igno­rieren, dass die Korrup­tion eine wirt­schaft­liche Grundlage hat, und wenn die Korrup­tion plötzlich zum Still­stand kommt, unter­bricht sie die Finanz­ströme und macht viele arbeitslos. Macht­wechsel stiften oft Verwir­rung und lassen Inves­toren zögern, und dieje­nigen, die zuvor mit der alten Regierung verbündet waren, geraten in eine schwie­rige Lage. So können beispiels­weise Projekte, die mit der früheren Regierung in Verbin­dung stehen, auf Eis gelegt werden, so wie das Biopic Mujib: The Making of a Nation, das die ebenso wichtige histo­ri­sche Figur des Ziaur Rahman vund damit ein klares Awami-Liga-Projekt ist, oder wie Sheikh Mujibur Rahman, der während der Amtszeit der BNP oft beiseite geschoben wurde. Die Film­in­dus­trie spiegelt diese Muster selek­tiver Geschichts­dar­stel­lung nur allzu gut wider, je nachdem, wer gerade an der Macht ist.

Unser Kino ist nicht losgelöst von unserem kultu­rellen oder histo­ri­schen Kontext; es hat sich schon immer mit frag­men­tierter Geschichte beschäf­tigt. Wenn eine neue Regierung an die Macht kommt, passen Filme­ma­cher ihre Erzäh­lungen schnell an ihre Agenda an. Das war schon immer die Norm, vor allem unter einer partei­ischen Regierung. Die Infor­ma­tionen, die Filme vermit­teln sollen, verfäl­schen oft die Wahrheit. Halb­wahr­heiten können gefähr­li­cher sein als Lügen. So bleibt unvor­ein­ge­nom­menes, unab­hän­giges Filme­ma­chen in unserem Land ein ferner Traum.

Mehr als andert­halb Jahr­zehnte auto­ri­tärer Herr­schaft schufen eine besondere Dynamik in der Film­in­dus­trie. Viele, darunter talen­tierte Filme­ma­cher und Schau­spieler, arbei­teten aus der Not heraus an staatlich geför­derten Projekten. Doch nach dem Volks­auf­stand wurden diese Künstler als Kolla­bo­ra­teure des Regimes betrachtet und sahen sich mit Gegen­re­ak­tionen konfron­tiert. Produk­tionen, an denen sie beteiligt waren, wurden gestoppt, und Schau­spieler in Neben­rollen verloren ihre Arbeit. Der Aufstand hat zwar ein auto­ri­täres System beseitigt, aber auch neue Heraus­for­de­rungen mit sich gebracht.

Die Akteure der Film­in­dus­trie bemühen sich um eine Umstruk­tu­rie­rung des Sektors, doch der tatsäch­liche Wandel ist ein Unter­fangen, das sich über zwei Jahr­zehnte hinziehen kann. Künstler, die mit unmit­tel­baren finan­zi­ellen Schwie­rig­keiten zu kämpfen haben, brauchen kurz­fris­tige Lösungen. Auch die Zukunft der laufenden Projekte ist ungewiss. Daher wurde bei vielen Treffen und Gesprächen nach dem Aufstand der Schwer­punkt auf kurz- und lang­fris­tige Pläne für die Entwick­lung der Film­in­dus­trie gelegt.

Zu den disku­tierten Sofort­maß­nahmen gehören die Suche nach Möglich­keiten zur Wieder­ein­glie­de­rung von Künstlern in den Arbeits­markt und die Schaffung eines stabilen Umfelds. Der Abbau der büro­kra­ti­schen Kontrolle in der Film­bil­dung und in den Bran­chen­aus­schüssen, die Sicher­stel­lung einer besseren kultu­rellen Vertre­tung und die rasche Einfüh­rung von E-Ticketing und eines Kassen­sys­tems wurden als vorran­gige Maßnahmen genannt. Die Regierung wurde auch aufge­for­dert, Steu­er­ver­güns­ti­gungen für die Branche zu prüfen.

Lang­fris­tige Pläne sehen die Einrich­tung eines Filmrates vor, der bei Bedarf mehrere Kommis­sionen beauf­sich­tigen und das Durch­ein­ander in der Branche besei­tigen soll. Der BFDC könnte zu diesem Zweck umge­staltet werden, und es könnte ein Film­zen­trum einge­richtet werden, in dem unab­hän­gige Filme gezeigt und Festivals veran­staltet werden. Auch Film­bil­dungs­ein­rich­tungen würden diesem Rat unter­stellt werden.

Diese Pläne wurden in verschie­denen Foren als Forde­rungen vorge­stellt. Kurz­fris­tige Ziele konzen­trieren sich auf reali­sier­bare Reformen, während lang­fris­tige Reformen Geduld erfordern. Eine weitere kritische Forderung ist die Abschaf­fung von Gesetzen, die die Rede­frei­heit einschränken. Sie wurde von einer Gruppe junger Filme­ma­cher mit dem Namen »Film Reform Roadmap 24« erhoben. Diese Forderung scheint gerecht­fer­tigt, da strengere Zerti­fi­zie­rungs- und Zensur­be­stim­mungen durch­ge­setzt werden, die die kreative Freiheit einschränken.

Die Kultur des offenen Dialogs und der gestie­genen Erwar­tungen nach dem Aufstand ist eine positive Verän­de­rung gegenüber der Vergan­gen­heit. Früher äußerten die Film­schaf­fenden ihre Frus­tra­tion privat, jetzt suchen sie nach gemein­samen Lösungen und stimmen ihre Forde­rungen mit den staat­li­chen Kapa­zi­täten ab. Neben den Diskus­sionen haben Doku­men­tar­film­pro­jekte über den Aufstand begonnen, von denen einige bereits abge­schlossen sind. Selbst der kommer­zi­elle Filme­ma­cher Raihan Rafi hat einen Film über den Aufstand angekün­digt, in dessen Mittel­punkt ein junger Aktivist namens Mughdho oder das Ereignis selbst stehen könnte.

Die Film­in­dus­trie hat von allen Sektoren den ener­gischsten Vorstoß für Verän­de­rungen erlebt. Zwar wurden auch Themen wie die Reform des Hoch­schul­we­sens erörtert, doch die Zahl der film­be­zo­genen Initia­tiven, Veröf­fent­li­chungen und Doku­men­tar­filme ist beispiellos. Auch wenn es zu anderen Themen Proteste auf der Straße gab, haben Film­schaf­fende ihre Bedenken in Foren geäußert und so Konti­nuität in ihre Diskus­sionen gebracht.

Die Energie, die das Kino umgibt, beweist, dass es sich in Bangla­desch zu einer einfluss­rei­chen Kunstform entwi­ckelt hat, auch wenn die Branche noch zu kämpfen hat. Wenige kommer­zi­elle, mittlere und unab­hän­gige Filme geben dieser Hoffnung Auftrieb. Wenn wir jährlich mindes­tens fünf kommer­ziell erfolg­reiche Filme und ein Dutzend kosten­de­ckende Projekte auf die Beine stellen könnten, würde dies die Branche stärken und auch den unab­hän­gigen Film fördern.

Manche nennen den Aufstand vom Juli eine zweite Unab­hän­gig­keit oder »Bangla­desch 2«. Ich stimme dem nicht zu, aber es ist unbe­streitbar, dass der Befrei­ungs­krieg von 1971 einen bedeu­tenden Wandel in der Film­in­dus­trie ausgelöst und den benga­li­schen Natio­na­lismus in den Vorder­grund hat. Der heutige Kontext ist jedoch ein anderer. Wir sind jetzt eher mit einhei­mi­scher Ausbeu­tung als mit kolo­nialer Unter­drü­ckung konfron­tiert. Der Aufstand hat die wirt­schaft­li­chen und sozialen Ungleich­heiten nicht grund­le­gend verändert, aber er hat ein auto­ri­täres Regime gestürzt. Echte Demo­kratie ist nach wie vor schwer zu erreichen.

Der Vergleich zwischen Bangla­desch und dem Iran nach der Revo­lu­tion zeigt, wie ein ideo­lo­gi­scher Wandel das Kino verändern kann. Bangla­deschs Forderung nach Film­re­formen ist eher prag­ma­tisch und zielt eher auf die Miss­wirt­schaft der Branche als auf ideo­lo­gi­sche Verän­de­rungen ab. Nach der isla­mi­schen Revo­lu­tion von 1979 wandte sich das Land von Filmen ab, die sich an der west­li­chen Kultur orien­tierten, und begann, isla­mi­sche Werte und Ethik im Kino in den Vorder­grund zu stellen. Es wurden zahl­reiche Beschrän­kungen für die Film­pro­duk­tion einge­führt, und die Zensur­behörde wurde umstruk­tu­riert, um religiöse Werte zu berück­sich­tigen. Die iranische Film­in­dus­trie stand kurz vor der Revo­lu­tion vor großen Heraus­for­de­rungen. So kamen beispiels­weise 1978 bei einem Brand­an­schlag auf das von außen verschlos­sene Rex-Kino fast vier­hun­dert Menschen ums Leben. Dieser Vorfall gab der Isla­mi­schen Revo­lu­tion Auftrieb. Noch während der Revo­lu­tion im Jahr 1979 wurden im ganzen Iran mehrere Kinos in Brand gesetzt. Doch das Kino als Kunstform erwies sich als unbe­zwingbar. Wie der mythische Phönix tauchte es im Iran als »Neue Welle« wieder auf und brachte Regis­seure wie Dariush Mehrjui, Abbas Kiaros­tami, Mohsen Makhmalbaf, Jafar Panahi und Majid Majidi hervor. Ihre Filme brachten der Welt neue Erzäh­lungen und inno­va­tive Geschichten.

Auch in Bangla­desch kam es kurz nach dem Sturz der Regierung am 5. August zu einem gewalt­tä­tigen Angriff auf ein Cineplex in Rajshahi. Diese Filiale des Star Cineplex im Banga­bandhu Hi-Tech Park wurde verwüstet und in Brand gesetzt. Glück­li­cher­weise gab es keine Berichte über weit verbrei­tete Angriffe auf andere Kinos. Die Asso­zia­tion mit »Banga­bandhu« (Vater der Nation, Sheikh Mujibur Rahman) könnte dieses Cineplex zu einem Ziel gemacht haben. Denn seine Tochter, Sheikh Hasina, war die abge­setzte Premier­mi­nis­terin. Solche Hand­lungen sind der Inbegriff von Engstir­nig­keit. Anders als im Iran, wo ein Ideo­lo­gie­wandel die Film­in­dus­trie beein­flusst hat, hat das Kino in Bangla­desch diese Art von ideo­lo­gi­schem Wandel nicht erlebt. Statt­dessen wurden Forde­rungen laut, die sich mit den seit langem bestehenden Unre­gel­mäßig­keiten und dem Flicken­tep­pich in der Branche befassen. Obwohl die Regierung der Awami-Liga im Jahr 2013 das Bangla­desh Cinema and Tele­vi­sion Institute (BCTI) gründete, fehlten ihm viele wesent­liche Merkmale eines richtigen Film­in­sti­tuts. Das ist auch heute noch der Fall. Während der Amtszeit von Sheikh Hasina wurden zahl­reiche Projekte initiiert. Doch oft ging es dabei um den Bau von Gebäuden zu über­höhten Kosten, wie aus Zeitungs­be­richten hervor­ging.

Die Erwähnung der irani­schen Revo­lu­tion lässt an die russische Revo­lu­tion denken. Wladimir Iljitsch Lenin betonte oft, dass das Kino die wich­tigste aller Künste sei. Folglich erließ die sowje­ti­sche Regierung nur zwei Jahre nach der Revo­lu­tion, im Jahr 1919, einen Erlass zur Verstaat­li­chung der Film­in­dus­trie. Außerdem wurde die weltweit erste Filmaus­bil­dungs­stätte, die Russische Staat­liche Univer­sität für Kine­ma­to­gra­phie (VGIK), gegründet. Auch zahl­reiche Film­stu­dios und Orga­ni­sa­tionen wurden gegründet. Mobile Kino­ein­heiten wurden geschaffen, um Filme in entle­genen Gebieten vorzu­führen. Auch wenn diese Einheiten Propa­gan­da­filme zeigten, gaben sie doch der Film­in­dus­trie des Landes Auftrieb. Diese staat­li­chen Initia­tiven führten zur Entste­hung von Film­größen wie Sergej Eisen­stein, Wsewolod Pudowkin und Lew Kuleschow.

Von den 1960er bis zu den 1980er Jahren entstand inmitten verschie­dener sozialer Umwäl­zungen in Latein­ame­rika eine Film­be­we­gung, die als Drittes Kino bezeichnet wird. Das Kino war nicht mehr nur eine Quelle der Unter­hal­tung, sondern wurde zu einem Instru­ment des poli­ti­schen Akti­vismus. Diese Bewegung hat später viele indische Filme­ma­cher stark beein­flusst. Nach der Teilung Indiens im Jahr 1947 entstand in Indien eine parallele Kino­be­we­gung. Die Winde des Wandels, die 1947 durch das Land fegten, fanden in den 1950er Jahren ihren Weg ins Kino, wobei sich die Filme nicht nur auf Liebe und Romantik konzen­trierten, sondern auch auf Themen des Natio­na­lismus, Säku­la­rismus und Huma­nismus.

Daher ist es nur natürlich, dass sich das Kino nach einer Revo­lu­tion oder einem bedeu­tenden sozialen Wandel in einem Land verändert. In Bangla­desch ist es jedoch unwahr­schein­lich, dass der Massen­auf­stand vom Juli/August zu tief­grei­fenden Verän­de­rungen im Kino führen wird. Der Grund dafür ist, dass der poli­ti­sche Wandel sich auf einzelne Personen beschränkte und nicht auf eine grund­le­gende Umge­stal­tung der Gesell­schaft oder die Ablösung einer Klasse durch eine andere. Infol­ge­dessen hat die Film­in­dus­trie keine volls­tän­dige Umge­stal­tung erlebt und wird sie auch nicht erleben. Dennoch war der Aufstand ange­sichts der großen öffent­li­chen Betei­li­gung und Unter­s­tüt­zung, die er erfuhr, von Bedeutung. Das weckt natürlich Hoff­nungen auf Reformen in der Film­in­dus­trie, um sie voran­zu­bringen. Ich hoffe, dass nicht nur ein natio­naler Rahmen für die Film­in­dus­trie geschaffen wird, sondern dass auch stra­te­gi­sche Anstren­gungen unter­nommen werden, um das Kino als Soft Power für Bangla­desch zu etablieren, ein Thema, das ich in einem separaten Aufsatz ausführ­li­cher behandelt habe.

Abschließend möchte ich ausführen, dass unab­hängig von kurz- oder lang­fris­tigen Plänen für die Film­in­dus­trie und unab­hängig von den vielen Treffen und Seminaren, die wir abhalten, die Umsetzung dieser Ideen nur mit einem echten Enga­ge­ment der Regierung möglich ist. Daher muss dem Film auf poli­ti­scher Ebene die nötige Bedeutung beigemessen werden, damit sich im Film­sektor des Landes etwas ändert. Wenn die Regierung das Kino mit einer fort­schritt­li­chen, demo­kra­ti­schen Einstel­lung wert­schätzt, es als viel­ver­spre­chenden Wirt­schafts­zweig betrachtet und kompe­tente Leute in den richtigen Posi­tionen einsetzt, um es zu unter­s­tützen, können die Wünsche der Film­ge­mein­schaft – dass benga­li­sche Filme ein inter­na­tio­nales Publikum begeis­tern, den heimi­schen Markt durch kommer­zi­ellen Erfolg erobern und Regis­seuren die nötige kreative Freiheit bieten – verwirk­licht werden.

Bidhan Rebeiro ist ein benga­li­scher Schrift­steller, Film­wis­sen­schaftler, Film­kri­tiker, Doku­men­tar­film­re­gis­seur und Geschäfts­führer der Konver­genz­me­di­en­platt­form Songbad Prokash. Er lebt und arbeitet in Dhaka, Bangla­desch.

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Aus dem Engli­schen ins Deutsche übersetzt von Axel Timo Purr.