08.02.2024

Eine andere Welt

22. DIFF Closing
Closing-Zeremonie des 22. Dhaka International Film Festival
(Foto: 22. Dhaka International Film Festival)

Das 22. Dhaka International Film Festival war auch in diesem Jahr ein leidenschaftlicher Gastgeber für das Kino des globalen Südens

Von Bidhan Rebeiro

Das Dhaka Inter­na­tional Film Festival, kurz DIFF, war das einzige inter­na­tio­nale Film­fes­tival, das ich in meiner Jugend kannte. Viele erinnern sich noch gut daran, wie sie in der Schlange standen, um in der öffent­li­chen Biblio­thek Filme zu sehen. Die öffent­liche Biblio­thek wird jetzt abge­rissen und einem neuen Gebäude weichen. Daher ist das Natio­nal­mu­seum nun der Haupt­ver­an­stal­tungsort des Festivals. Es gibt auch keine Menschen­an­samm­lungen mehr, da die breite Öffent­lich­keit durch eine streng regu­lierte Sicher­heits­zone gehen muss. Aber für Film­lieb­haber spielt das keine große Rolle, denn sie sind anders: Sie sehen sich von morgens bis abends Filme an und unter­halten sich.

Vor allem dieses Mal hat das 22. DIFF von den Anstren­gungen der letzten 22 Jahre profi­tiert und das Festival auf ein neues Niveau gehoben. Möglich gemacht hat diese Leistung der Direktor des Festivals, Ahmed Muztaba Zamal. Und mit ihm zwei­fellos auch all die enga­gierten Mitar­beiter der Rainbow Film Society. Meine Dank­bar­keit ihnen gegenüber ist unendlich groß. Aber warum genau ist das dies­jäh­rige Festival eines der erfolg­reichsten gewesen? Ich möchte bei meiner Antwort bei den Orga­ni­sa­toren beginnen. Die Mischung aus erfah­renen Mitar­bei­tern und aufge­weckten jungen Leuten im Festi­val­team ist beispiellos. Mit dieser Mann­schaft konnte der Kapitän das Schiff mühelos durch die raue See steuern.
Und dann haben mehr als hundert talen­tierte und virtuose Film­künstler wie Majid Majidi, Sharmila Tagore, Anjan Dutt, Mamata Shankar, Morteza Atashz­amzam, und Swastika Mukherjee aus dem In- und Ausland die Festi­val­bühne betreten.

Auf dem Festival wurden an neun Tagen 252 Filme aus 74 Ländern gezeigt, darunter erstaun­lich viele ausge­zeich­nete und zum Nach­denken anregende Filme.
Die größte Heraus­for­de­rung dieser neun Tage begann bereits am Tag vor Beginn des Festivals, da wichtige Gäste und Dele­gierte zu diesem großen Ereignis erwartet wurden, Gäste wir Sharmila Tagore, Majid Majidi und Anjan Dutt, deren Sicher­heit gewähr­leistet werden musste. Aber auch das ist den Orga­ni­sa­toren gelungen.

Die größte Aufgabe für mich war die Leitung von drei Master-Classes hinter­ein­ander.

Die Freude, aber auch der Stress waren umso größer, als ich mich mit dem chine­si­schen Produ­zenten Dr. Shi Chuan, Majid Majidi und dem Schau­spieler, Sänger und Regisseur Anjan Dutt zusam­men­setzen musste, um über Film zu disku­tieren. Der Stress bestand dabei vor allem in meinen Zweifeln, ob ich es richtig machen würde oder nicht! Aber am Ende der Veran­stal­tung, als ich mit den besten Wünschen der Teil­nehmer über­schüttet wurde, ließ der Druck ein wenig nach.

Als Anjan Dutt am Tag vor der Master Class mittags im Dhaka Club eintraf, rief mich der Direktor des Festivals an. Während ich mich vorstellte, kam Anjan Dutt auf mein Schreiben über Film zu sprechen. Ich hatte über seinen neuen Film Kalei­do­scope Now geschrieben, den er auf seiner Facebook-Seite geteilt hatte. Nun traf er mich persön­lich und erzählte mir weitere Einzel­heiten über den Film.
Ich hörte ihm am Mittags­tisch zu und plante, wie ich diese Themen in der Master Class am nächsten Tag anspre­chen würde. Anjan Dutt ging zur Vorfüh­rung, nachdem er sein Essen beendet hatte. Ich war mit dem Pres­se­termin von Sharmila Tagore beschäf­tigt. Asaduz­zaman Noor, der bekannte Schau­spieler und Politiker, führte Regie. Sharmila Tagore beant­wor­tete alle Fragen mit großer Geduld.

Als ich an diesem Abend beim gemein­samen Abend­essen saß, sah ich Majid Majidi zu meinem Tisch schlen­dern und sich neben mich setzen. Ein anderer irani­scher Regisseur, Murteza Atashz­amzam (Din-the-Day), setzte sich zu uns. Majidi fühlte sich wohler in Persisch zu reden. Also über­setzte Murteza meine engli­schen Worte. Während wir aßen, entschieden wir, worüber wir in der Master Class am nächsten Tag reden würden.

Am nächsten Tag begann die Master Class mit Dr. Shi Chuan. Sein Vortrag vermit­telte den Zuhörern eine grobe Vorstel­lung von der chine­si­schen Film­in­dus­trie. Beispiels­weise werden in China jedes Jahr Hunderte von auslän­di­schen Filmen mit Unter­ti­teln oder Synchro­ni­sa­tion veröf­fent­licht. Darunter ist auch ein großer Anteil an indischen Filmen. Er sagte auch, dass es eine gemein­same Produk­tion zwischen Bangla­desch und China geben könnte. In diesem Fall sollte der Schwer­punkt auf der Geschichte des Films liegen.

Nach der Master Class von Shi Chuan gab es eine Pause, in der ich wie üblich im Dhaka Club zu Mittag aß. Der Festi­val­di­rektor rief an und sagte, ich solle mich mit Majidi treffen. Nach ein paar Worten sagte Majidi, dass er ein wenig rauchen würde. Er ging hinaus. Durch das Fenster sah ich, wie er seine Zigarette in einer eleganten, film­reifen Pose hielt und in den Himmel von Dhaka blickte. Ich ging zu ihm und sagte, er solle so bleiben, wie er sei, und ich würde ein paar Porträts machen.

Er willigte ein und ich hielt diesen wunder­baren Moment mit meiner Kamera fest. Dann nahm ich ihn mit ins Natio­nal­mu­seum. Nachdem das Programm begonnen hatte, sah ich Sharmila Tagore in der Zuschau­er­reihe sitzen. Als Majidi sagte, dass Satyajit Ray und Vittorio De Sica seine Inspi­ra­tionen waren, sagte ich ihm, dass Satyajits Künst­lerin, Sharmila Tagore, vor uns saß. Die beiden tauschten sofort Grüße aus. Ich genoss es, dabei zu sein. Das Audi­to­rium hatte keinen Platz mehr, als Anjan Dutt nach Majidi auf die Bühne kam. Anjan Dutt sprach mit einer melo­di­schen Magie. Die Leute hörten ihm mit großer Aufmerk­sam­keit zu und ich habe nur dann und wann ein paar Hinweise gegeben.

Am Ende gab es noch ein wirk­li­ches »Dessert«, Lieder von Anjan Dutt mit Gitar­ren­be­glei­tung. Neben den bekannten Liedern sang er auch eine neue Kompo­si­tion, ein Lied über einen möglichen Selbst­mord. Erst als Somnath, die Figur in Dutts Lied, die Herbst­sonne durch das Fenster sieht, entscheidet er sich gegen den Selbst­mord. Das erinnerte mich an Patch Adams, einen Film mit Robin Williams in der Haupt­rolle, in dem es nicht die Herbst­sonne, sondern ein bunter Schmet­ter­ling war, der bei der Entschei­dung für das Leben helfen sollte.

Als ich am Abend noch einmal mit Anjan Dutt sprach, sagte er, dass auch ihm der Abend sehr gut gefallen habe. Seine Stimm­bänder hätten gelitten, dennoch sang er zehn Lieder mit der Kraft der Liebe. Der Festi­val­di­rektor saß an unserem Tisch und Anjan Dutt sagte zu ihm: »Ahmed Bhai, ich konnte nur singen, weil du im Publikum warst.«

An diesem Abend schwang bereits ein Abschieds­ge­fühl mit. Die Leute haben so viele Fotos wie möglich gemacht. Ich war der Sekretär der FIPRESCI-Jury für die Panorama-Abteilung von Bangla­desch. Einer der Jury­mit­glieder dieses Teams, Jason Tan Liwag von den Phil­ip­pinen, hatte Dhaka bereits verlassen. Wie Jason kehrten auch Mamata Shankar und der Regisseur und Produzent ihres Films Bijoyar Pore noch vor dem Abschlusstag in ihr Land zurück.

Die FIPRESCI-Jury aus Südkorea, Chang Seok-young, und Mofidul Haque aus Bangla­desch blieben bis zum Schluss. Aber das Schönste war, dass Sharmila Tagore zehn Tage lang in Dhaka blieb, vom ersten bis zum letzten Tag. Sie war beein­druckt von der Gast­freund­schaft Dhakas. Sie brachte ihre große Freude zum Ausdruck, vor allem nach dem Treffen mit dem Premier­mi­nister. Die Art und Weise, wie Sharmila Tagore während dieses Festivals ihr Licht verbreitet hat, war fantas­tisch. Das Dhaka Inter­na­tional Film Festival wird im nächsten Jahr sicher­lich mit noch mehr Licht, Freude und Liebe zu den Menschen zurück­kehren.