16.11.2023

dffb Statement for Peace

Unorthodox
Jüdisches Leben in Berlin: Deborah Feldmans Unorthodox als Miniserie in der Netflix-Auswertung...
(Foto: Netflix)

Antwort auf das Statement von Studierenden der dffb und Anstoß einer anderen Gesprächskultur über die Situation im Nahen Osten

Von artechock-Redaktion

Liebe Leser,

im Cinema Moralia 307 haben wir in der vergan­genen Woche das aus unserer Sicht empörende Statement kriti­siert, das als soge­nannter Aufruf der dffb-Studenten anti­se­mi­ti­schen Ansichten und kaum verklau­su­liertem Isra­el­hass das Wort redet und außerdem das paranoide Szenario eines von Zensur beherrschten Deutsch­lands entwirft.
Nach wie vor hat sich die Studi­en­lei­tung und die aktuell im Amt stehende Führung der dffb zu dieser Veröf­fent­li­chung nicht öffent­lich geäußert oder sich wie es geboten wäre von ihr distan­ziert – dies ist ein poli­ti­scher Skandal, der Folgen nicht zuletzt für diese wichtige Berliner Film­hoch­schule selbst haben wird.
Umso mehr freuen wir uns, an dieser Stelle einen offenen Brief einiger dffb-Studen­tinnen und Studenten veröf­fent­li­chen zu können, der dieses öffent­liche Bild zurecht rückt und sich eindeutig von jenem offenen Brief distan­ziert.
Wir möchten unsere Leser aufrufen, diese Position unter den dffb-Studie­renden auch öffent­lich nach­drück­lich zu unter­s­tützen.

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dffb Statement for Peace

Antwort auf das Statement von Studie­renden der dffb und Anstoß einer anderen Gesprächs­kultur über die Situation im Nahen Osten

Wir, eine Gruppe von Studie­renden und Alumni der DFFB, sind zutiefst erschüt­tert über den Brief und die Petition von einigen Studie­renden, die darauf abzielt, die Paläs­ti­nenser:innen zu unter­s­tützen, die Meinungs­frei­heit zu vertei­digen und gegen Rassismus vorzu­gehen, während es sich dabei um einen anti­se­mi­ti­schen, ungenauen Text handelt, der nicht zu Frieden und Ausge­wo­gen­heit aufruft, sondern vielmehr Ausdruck eines Mangels an mora­li­scher Verant­wor­tung und selek­tiver Empathie ist.

Wir verur­teilen jede Form von Gewalt in Israel, dem Gaza­streifen und der Westbank und sind zutiefst besorgt über die vielen getöteten und verletzten Zivi­listen in diesem Konflikt und die wachsende huma­ni­täre Krise. Wir sind gegen die Unter­drü­ckung des paläs­ti­nen­si­schen Volkes sowohl durch die Hamas als auch durch die rechts­extreme israe­li­sche Regierung und hoffen auf eine Zukunft, in der Paläs­ti­nenser:innen und Israelis in Frieden und Gleich­heit zusam­men­leben können.

Mit Blick auf die Situation in Deutsch­land und Europa setzen wir uns für Menschen­rechte, Demons­tra­tions- und Meinungs­frei­heit ein.

Ein Plädoyer für Frieden und Waffen­still­stand hat jedes Recht, gehört zu werden!

ABER!
Ein Appell, der den histo­ri­schen Kontext, die abscheu­li­chen Gräuel­taten der Hamas am 7. Oktober 2023 – dem blutigsten Tag der jüdischen Geschichte seit dem Holocaust – sowie die bis heute andau­ernde Geisel­nahme nicht anerkennt, ist nichts anderes als eine zynische Verun­glimp­fung des Schmerzes und des Leids, das dieser Brief fälsch­li­cher­weise zu verur­teilen vorgibt.

Es ist ebenso wichtig, das Recht und die Notwen­dig­keit Israels anzu­er­kennen, seine Bürger:innen gegen die Angriffe durch die Hamas zu vertei­digen – eine Terror­or­ga­ni­sa­tion, die wieder­holt und offen zur Auslö­schung Israels aufge­rufen hat und ihre Zivil­be­völ­ke­rung als mensch­liche Schutz­schilde benutzt.

Es ist von entschei­dender Bedeutung anzu­er­kennen, dass Israel ein Staat von und für Geflüch­tete ist, der nach dem Holocaust mit dem Ziel gegründet wurde, einen sicheren Zufluchtsort für dieje­nigen zu bieten, die den Völker­mord an den Juden in Europa während des Zweiten Welt­kriegs überlebt haben und der für die von ethni­schen Vertrei­bungen auch im Nahen Osten und Afrika betrof­fenen Juden seither von lebens­wich­tiger Bedeutung ist.

Wir lehnen die illegalen Sied­lungen und die syste­ma­ti­sche Unter­drü­ckung der Paläs­ti­nenser:innen im West­jor­dan­land entschieden ab, aber Israel als bloßen kolo­nialen Sied­ler­staat zu bezeichnen und dabei sowohl die Existenz jüdischen Lebens in der Region seit Tausenden von Jahren abzu­streiten sowie die Geschichte der Kriege und Aggres­sionen seit der Gründung des Staates außer Acht zu lassen, impli­ziert eine zutiefst anti­se­mi­ti­sche Sicht­weise.

Die Auslas­sung wesent­li­cher Fakten dieser andau­ernden Krise und die Part­ei­nahme für eine einsei­tige poli­ti­sche Agenda – anstatt einzu­treten für Menschen­leben, unab­hängig ihrer Natio­na­lität und Ethnie – haben uns zutiefst getroffen, insbe­son­dere da sie aus unserer Gemein­schaft kommt. Wir müssen einen solch unaus­ge­wo­genen Text entschieden verur­teilen.

Trauer kennt keine Grenzen. Wir sind der festen Über­zeu­gung, dass es einen öffent­li­chen Raum geben muss, um die unschul­digen Verluste auf allen Seiten zu betrauern und für Frieden zu demons­trieren. Gleich­wohl ist es unsere Über­zeu­gung, dass es dabei keinerlei Toleranz für etwaige Form von Anti­se­mi­tismus, Rassismus oder Isla­mo­phobie geben darf.

Wir verur­teilen jeden Versuch, den Kampf gegen Anti­se­mi­tismus zu nutzen, um Hass gegen Muslime zu verbreiten. Und wir verur­teilen jeglichen Versuch, hinter dem Deck­mantel anti­ras­sis­ti­scher Kämpfe und durch den fatalen Miss­brauch des Schlag­wortes Deko­lo­nia­li­sie­rung Anti­se­mi­tismus zu verbreiten.

Wir glauben, dass die Autor:innen und Unter­zeichner:innen der Petition, indem sie den unbe­schreib­li­chen Terror der Hamas und ihre Rolle bei der stra­te­gi­schen Eska­la­tion des Konflikts nicht verur­teilen, an einem fort­lau­fenden Prozess der Entmensch­li­chung teil­nehmen, den wir nicht akzep­tieren können.

Eine einsei­tige, vorein­ge­nom­mene Darstel­lung zu fördern, ist emotional und intel­lek­tuell faul, es ist unver­ant­wort­lich und trägt nur dazu bei, dass die Gewalt weiter eskaliert. Unsere Aufgabe als Künstler:innen und Filme­ma­cher:innen muss sein, die Realität in ihrer Komple­xität zu ergründen und sichtbar zu machen. Wir tragen alle die Verant­wor­tung, so zu sprechen und zu agieren, dass Raum für Frieden bleibt.

Initiiert und Unter­schrieben von:
Liel Simon, Rebeca Ofek, Florian Dietrich, Katharina Woll, Albrecht von Grünhagen, Matan Radin, Rebecca Martin, Sabine Schmidt, Beliban zu Stolberg, Alexandra Balteanu, Stanislav Dany­lyshyn, Florian Plumeyer, Annika Pinske, Kristina Kean Stubert, Margarita Amineva-Jester, Jonas Roth­länder.

Zum dffb-Statement-for-Peace mit der Möglich­keit zu unter­zeichnen...