17.08.2023
Kinos in München – Filmtheater Sendlinger Tor 2023

Das Geschäft mit dem Kino

Filmtheater Sendlinger Tor
Denkmalgeschützt: Das Filmtheater Sendlinger Tor
(Foto: Filmtheater Sendlinger Tor)

Dem Pächter des Filmtheaters Sendlinger Tor steht nun wohl endgültig die Räumung bevor. Das bedeutet jedoch noch nicht zwingend das Aus des denkmalgeschützten Kinos

Von Dunja Bialas

Ist es jetzt soweit? Pünktlich zum Ende der Film­kunst­wo­chen flattert die Hiobs­bot­schaft ins Haus: Das Land­ge­richt München I hat in einer beispiel­losen Fehde zwischen einer Eigen­tü­mer­ge­mein­schaft und dem tradi­ti­ons­rei­chen Film­theater Send­linger Tor entschieden und der Klage statt­ge­geben, das 1913 erbaute Kino in der Innen­stadt­lage zu räumen.

Laut Kino­be­treiber Fritz Preßmar geht es um eine Pacht­for­de­rung von »jährlich 240.000 Euro«. Das ist ein Viel­fa­ches der bishe­rigen Regelung. Seit 70 Jahren, so lange wird das Kino von der Familie Preßmar betrieben, gibt es eine Mindest­ga­rantie mit Umsatz­be­tei­li­gung am Kino. Zuletzt lag die Mindest­ga­rantie bei 5000 Euro monatlich. Macht aufs Jahr gerechnet ein Viertel der gefor­derten Summe. Das Land­ge­richt München urteilte, dass die Pacht mark­tun­üb­lich niedrig sei. Das Gericht kam zur Über­zeu­gung, dass zum Zeitpunkt der Kündi­gungs­er­klärung bei einer Neuver­pach­tung der Räume als Kino »deutlich höhere« Pach­ter­träge hätten erzielt werden können, genauer gesagt: »32,2 Prozent«.

Bei meinem Besuch im Büro von Fritz Preßmar vor zehn Jahren hatte er mir seine Kladde mit den Abrech­nungen der Nach­kriegs­zeit gezeigt, fein säuber­lich waren da hand­schrift­lich die täglichen Besu­cher­zahlen aufge­reiht. Das Kino mit dem vornehmen Saal, der mit seiner operesken Opulenz, mit groß­zü­gigem Foyer, Balkon und Samt­vor­hängen auch dazu diente, die gezeigten Werke aus dem Ruch des Schmud­del­haften zu befreien, brummte zu Beginn der Fünf­zi­ger­jahre. Mit dem Pacht­ver­trag, der seit 1956 besteht, hätten sich die Eigen­tümer eine goldene Nase am Kino mitver­dient, sagte mir Fritz Preßmar. Als Indiz dafür kann herhalten, dass die treibende Kraft der Räumungs­klage, die Geschäfts­füh­rerin der Vermö­gens­ver­wal­tung WIFA, Frau Winkel­mann, auch als Gesell­schaf­terin der Film­theater Send­linger Tor GmbH zeichnete. Zumindest noch 2019, als die Räumungs­klage ange­strengt wurde, war sie also Geschäfts­part­nerin der Preßmars und hat mit der Kündigung letztlich gegen ihre eigenen, in der GmbH veran­kerten Inter­essen gehandelt.

Fritz Preßmar hat jetzt nach eigenen Aussagen die Bereit­schaft signa­li­siert, die Hälfte der gefor­derten Pacht, also 120.000 Euro jährlich, zu zahlen. Dem Anschein nach aber ist nicht nur das Geschäfts-, sondern auch das zwischen­mensch­liche Verhältnis zwischen den Kino­be­trei­bern und den ehema­ligen Partnern, bei der nun eine jüngere Gene­ra­tion nachrückt, zerrüttet.

Mit der Räumung ist aber nicht ausge­schlossen, dass in den denk­mal­ge­schützten Saal wieder ein Kino einzieht, selbst einen vorü­ber­ge­henden Leerstand könne man laut Gericht in Betracht ziehen. Da es sich bei dem Kino um ein »Unikat« handelt, wie das Land­ge­richt richtig fest­stellt, sei die Gefahr eines länger­fris­tigen Leer­stands, wie etwa bei dem kurz vor der Pandemie geschlos­senen Gabriel-Kino, ausge­schlossen. Einen Hinweis, der sich wie eine Hand­lungs­an­wei­sung liest, lässt das Gericht dann auch noch durch­bli­cken: Der Verpäch­ter­ge­mein­schaft bleibe es »unbe­nommen, lediglich den Betreiber des Kinos zu wechseln«.

Vor diesem Hinter­grund fällt auf, dass sich Kino­be­treiber Christian Pfeil in der Münchner »Abend­zei­tung« zu den Umsatz­mög­lich­keiten am Standort äußert. »Man könnte in dieser Premi­um­lage sanft die Preise erhöhen«, empfiehlt der Betreiber von vier Münchner Licht­spiel­thea­tern (Monopol, Arena, Rio, Maxim). Er rät dazu, das Kino in einen Verbund mit anderen Häusern zu bringen, da die finan­zi­ellen Risiken mit der denk­mal­ge­schützten Leinwand sehr hoch seien. »Wenn man nur eine Leinwand hat und der Film schwächelt, den man gerade zeigt, ist man verratzt.« Zumindest die »Abend­zei­tung« sugge­riert, dass es ja mit dem Arena im Glocken­bach­viertel doch recht nahe­lie­gend sein, dass Pfeil diesen Verbund schaffen sollte. Sie schreibt: »So hätte man mit dem Send­linger Tor ein absolutes Pres­ti­ge­kino und – zum Beispiel im nahen Arena Kino – zwei Nach­spiel­lein­wände.« Dazu ist anzu­merken, dass sich das Arena Kino durch ein völlig anderes Segment als das Film­theater Send­linger Tor auszeichnet und selbst Premie­ren­kino ist. So einfach ist die Sache also wohl nicht. Zumindest hat Christian Pfeil, so sagt er gegenüber »artechock«, sich in dieser Weise nicht geäußert. Es seien aber Konstel­la­tionen denkbar. Die Familie Preßmar aber ist jetzt erst einmal ihr Lebens­werk los. Fort­set­zung folgt…

Zur Beschluss­sache siehe Land­ge­richt München, Az. 34 O 7322/20.