21.05.2023
76. Filmfestspiele Cannes 2023

Cannes 2023: Die Blume des Paradieses

Godard par Godard
Das Kino war auch besser, als es schwarz-weiß war...
(Foto: Cannes 2023 Media Library)

»Godard über Godard«; ein kurzer Dokumentarfilm verweist auf grundsätzliche Fragen – Cannes-Tagebuch, 02. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»I do Cinema. I don’t don’t make Films.«
– Jean Luc Godard

Natürlich könnte ich jetzt schon ganz viel über die Filme schreiben, die ich in den letzten fünf Tagen gesehen habe. Das tue ich auch noch, aber nicht heute. Heute ist es wichtiger, auf einen einzigen Film hinzu­weisen, den wir mögli­cher­weise nie zu sehen bekommen, der mir wahr­schein­lich bisher das meiste Vergnügen gemacht hat und der mir persön­lich der wich­tigste ist.

»Godard par Godard« von Florence Platarets lief in den »Cannes Classics«. Ausschnitte aus Inter­views mit Godard über Godard, Ausschnitte aus Godard-Filmen, der Versuch, sein Werk zu ordnen, aber voller Lücken, und angreifbar. Zugleich aber ist alles, was man sieht und hört, unglaub­lich verfüh­re­risch.
Nostalgie ja klar, aber nicht nur. Die Filme waren besser im 20. Jahr­hun­dert, schöner waren sie sowieso. Schönheit ist einst­weilen kein Kriterium, das 21. Jahr­hun­dert ist das anti-ästhe­ti­sche und es ist auch noch stolz darauf.

Natürlich ist das jetzt sehr allgemein und pauschal, aber den Filmen geht es um alles Mögliche, um Politik und Moral, die Umwelt und die Gesell­schaft, wichtige Dinge, aber mit Kunst hat all das nichts zu tun. Kunst geht es immer zuerst um Schönheit, also um Stil und Form und Haltung, und erst dann um den ganzen Rest.

Die Filme von Godard, denen es um vieles auch ging, aber immer erst später, führen das auch noch hier vor Augen, in einem Doku­men­tar­film, der nur ein lauer Schatten von ihnen ist. Aber immerhin.

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Curiosité et Tristesse. So charak­te­ri­siert Godard seine Haltung.

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Das Kino wird schlechter dadurch, dass man in der Öffent­lich­keit nicht mehr rauchen darf und dass es auch in den Filmen zunehmend nicht mehr gemacht wird.
Das Kino war auch besser, als es schwarz-weiß war. Wir müssen uns einge­stehen, das ist nicht zu retten, so wie unsere Welt, wie unser Leben nicht zu retten ist.

JLG bei einem Interview in Cannes: Zoom ist verboten. Das Zoom ist Fernsehen. Die verwenden dauernd das Zoom. Kino ist, sich vorher Gedanken zu machen, welchen Ausschnitt man zeigt, und dabei dann zu bleiben.

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Serge Daney und Serge Toubiana reden irgend­wann Anfang der 80er in Cannes über ihre Erwar­tungen ans Festival. Sie haben nur zwei Filme erwartet, nämlich Godard und Antonioni. Welche deutschen Film­kri­tiker würden heute überhaupt in der Lage sein, so zu reden?

Godard sagt: Ich komme aus der Film­fa­milie und deswegen nimmt man mir übel, dass ich zeige, wie es anders geht. Wäre ich ein Außen­seiter, dann könnte man das abtun, so aber geht es nicht.

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»Cinema ist das Gegenteil von Kultur«
– JLG

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Godard erzählt eine Geschichte von Jorge Luis Borges: »Stellen wir uns vor: Ein Mensch besucht im Traum das Paradies. Als Beweis seines Besuchs darf er eine schöne Blume pflücken. Am nächsten Morgen wacht er auf und hat die Blume in der Hand. Ich bin dieser Mensch.«