20.04.2023

Bekannt, auffallend, vielfältig

Corona Panic
Die Legomännchen sind los! Julian Wituschs Corona Panic
(Foto: Julian Witusch)

Das 22. Kurzfilmfestival Bunter Hund zeigt in München, wie Kleinformat ganz groß geht

Von Hanni Beckmann

»Bekannt wie ein bunter Hund.« Das ist die viel­leicht nicht mehr ganz frische Rede­wen­dung für den Fall, dass jemand schräg ist, auffällt, den jeder kennt und der von vielen begeis­tert bewundert wird. Leicht skurril ist der- oder diejenige in jedem Fall. Aus dieser Defi­ni­tion heraus setzt sich auch das Selbst­be­wusst­sein des seit 23 Jahren agie­renden Kurz­film­fes­ti­vals zusammen. Ein bunt zusam­men­ge­wür­felter Haufen Film­be­geis­terter hat sich zusam­men­ge­funden, um ein mindes­tens ebenso buntes Programm mit inter­na­tio­nalen Kurz­filmen auf die Beine zu stellen. Der Andrang in der tradi­tio­nellen Spielstätte des Münchner Werk­statt­kinos ist bei dem stets Laune machenden und kurz­wei­ligen Programm groß. Aber die Film­be­geis­terten der Stadt an der Isar kennen das Festival ja ohnehin, denn, siehe Anfang: Es ist bekannt wie ein bunter Hund.

Trotzdem bangt man im Team um Noni Lickleder, Markus Sauermann, Markus Mathar, Anna Serafin, Anita Egenbauer und anderen nach einer zwei­jäh­rigen, von Corona verord­neten Zwangs­pause doch ein wenig, wie sich die 22. Ausgabe anlassen wird. Äußerlich hat sich nichts geändert. Die Reihen­namen, die sich ebenfalls vom Bunten-Hund-Konzept moti­vieren lassen, bündeln die Kurzfilme nach wie vor in fünf Kate­go­rien: Anders & Artig, Heimat, Helden wie wir, Liebe & andere Grau­sam­keiten sowie Trash & Sonder­bares laden die Zuschauer*innen augen­zwin­kernd zur Entde­ckungs­reise ins bunte Kurz­film­spek­trum ein. Am Ende kann dann das Publikum über den »Hasso« bestimmen, einen mit 500 Euro dotierten Preis.

Ein Schoßhünd­chen jedoch sollte man sich bei Hasso eher nicht vorstellen, was sich leicht durch die Google-Bilder­suche unter­mauern lässt. Und so soll man auf einiges gefasst sein, wenn der Bunte Hund dieses Jahr endlich wieder von der Leine gelassen wird. Beim aufge­bo­tenen Spektrum von Expe­ri­mental- über Doku­mentar- und natürlich den beliebten Kurz­spiel­filmen geht es nicht nur um Übungs­formen der Film­hoch­schulen. Die Suche nach der richtigen Länge – as long as it takes – ist vielmehr eine Meis­ter­dis­zi­plin.

Der Open Call für die Einrei­chungen ging bis vor die Zeit von Corona und erlaubt damit auch eine schöne Zeitreise, die kompri­miert erfahren lässt, wie sich das Filmen in diesen wenigen Jahren womöglich verändert, angepasst hat – oder auch nicht. Corona Panic heißt Julian Wituschs Stop-Motion-Zwei­minüter, den er mittels Legomänn­chen im März 2020 gefertigt hat, eine Satire auf die Panik­ein­käufe der unter Corona-Schock geratenen Deutschen.

Die Möglich­keiten der wunder­baren Wirk­lich­keit spielt Nicolas Fattous Anima­ti­ons­film How My Grand­mo­ther Became A Chair aus. Erzählt wird, wie die Oma sukzes­sive ihrer Sinne und Beweg­lich­keit beraubt wird, bis zur Meta­mor­phose in das titel­ge­bende Möbels­tück.

Realität wird in Kurz­filmen gerne gegen den Strich gebürstet, auf den Arm, manchmal auch auf die leichte Schulter genommen. »Wie funk­tio­niert eigent­lich das Internet?« fragt in Sendung-mit-der-Maus-Manier Simon Schares' parodis­ti­scher Aufklärungs­film Die Verwal­tung des Internets. Dazu passt Lena Windieschs durch das IT-Found-Footage brow­sender Film Searching For The Perfect Gentleman. (Alle Filme laufen im Programm »Anders & Artig«.)

Eine ernstere Tonlage schlägt das Programm »Heimat« – die ebenfalls gegen den Strich gelesen wird – an. Cell 364 des fran­zö­si­schen Duos Mathilde Babo und Zoé Rossion besucht zusammen mit dem Ex-Inhaf­tierten Hans-Jochen Scheidler ein ehema­liges Stasi-Gefängnis, in dem er 25 Jahre lang in Isola­ti­ons­haft verbracht hat.

Der Spanier Adán Aliaga erzählt in Pies Y Corazones von einer prekären Existenz und davon, was passiert, wenn das fragile Über­le­bens­kon­strukt plötzlich zusam­men­bricht.
Oder Song Sparrow: Mit Puppen stellt die Iranerin Farzaneh Omid­varnia eine Geschichte der Flucht nach, während Jonas Riemer in Der übers Meer kam einen Original-Bericht über die Flucht aus der DDR in die BRD über die Trick­film­vi­sua­li­sie­rung aus dem Off ertönen lässt.

Helden wie wir: Der Reihen­titel lässt vermuten, dass es um die Helden des Alltags geht. Michael Schwarz hat für Innde­pen­dence während des Corona-Lockdowns Obdach­lose getroffen, die kurz­fristig in einem Hotel unter­ge­bracht wurden. Ein Held ist auch der demente Theo in Greta Benkel­manns Herbst, der selbst­be­stimmt sterben möchte. Von einem Trauma fährt Markus in seinem Wohnmobil davon: Paul Scheufler hat in Ein Ozean ein Roadmovie auf 19 Minuten verdichtet.

Held ist auch die Bunter-Hund-Festi­val­crew, die jetzt einen Aufruf zum Mitmachen gestartet haben (einfach Mail an info@kurz­film­fest-muenchen.de schicken). Eine wunder­bare Gele­gen­heit, ein Festival von innen kennen­zu­lernen, die Raffi­nessen der Program­mie­rung einzuüben und ein viel­fäl­tiges Programm auf die Beine zu stellen. Die Macher können auch direkt vor Ort im Werk­statt­kino ange­spro­chen werden: Sie präsen­tieren bei allen Vorstel­lungen höchst­per­sön­lich ihr Programm – selbst­ver­s­tänd­lich in launiger Art der Bunten Hunde.

22. Bunter Hund
20. – 23. April 2023, Werk­statt­kino München

Eintritt: 6 Euro

Programm­heft (PDF)