01.06.2021

Leuchten in knalligem Pink

Nippon Connection
Geigerzähler für das aktuelle japanische Kino
(Foto: 21. Nippon Connection)

Ab dem 1. Juni leuchtet Frankfurt filmisch wieder sechs Tage in knalligem Pink: Mit Nippon Connection geht die 21. Ausgabe des größten japanischen Filmfestivals weltweit in der Mainmetropole an den Start

Von Jens Balkenborg

Es wird die zweite rein digitale Ausgabe werden, »wir finden komplett online statt, weil die Kinos in Frankfurt nach wie vor geschlossen sind«, erklärt Festi­val­lei­terin Marion Klomfaß am Telefon. Man habe sich Ende April für ein Format entscheiden müssen, so Klomfaß weiter, da der Aufwand anders nicht zu stemmen gewesen sei. Dieses nerven­auf­rei­bende Hin und Her zwischen viel­leicht analog, viel­leicht hybrid, viel­leicht doch komplett digital treibt die Film­fes­ti­vals schon das ganze Pandemie-Jahr über um.

Es war sicher keine leichte Entschei­dung, denn Nippon Connec­tion ist ein Festival, das in »gewöhn­li­chen« Jahren von der Begegnung, vom regel­rechten kultu­rellen Eintau­chen lebt. An den sechs Tagen im Früh­sommer lässt sich alljähr­lich mit Filmen aus den Bereichen Kurz-, Doku­mentar-, Spielfilm und natürlich Anime mit einem breiten Rahmen­pro­gramm und mit kuli­na­ri­schen Spezia­li­täten die japa­ni­sche Kultur erleben, wie wohl sonst nirgends außerhalb Japans.

Aber die Not macht erfin­de­risch und auch diese (letzte) rein digitale Ausgabe hat, wie schon die im letzten Jahr, als das Nippon wie so viele Digi­tal­fes­ti­vals einen Besucher:innen­re­kord verzeich­nete, viel zu bieten. »Wir zeigen ein Best-off des japa­ni­schen Kinos der letzten beiden Jahre«, so Klomfaß. Da die Kinos geschlossen waren, seien viele Produk­tionen auf Halde geblieben und können jetzt in Frankfurt ihre Deutsch­land-, Europa-, inter­na­tio­nale oder Welt­pre­miere feiern.

80 aktuelle japa­ni­sche Filme sind zu sehen, darunter das Drama Under The Open Sky von Miwa Nishikawa, eine der wich­tigsten zeit­genös­si­schen Regis­seu­rinnen Japans, The Promised Land von Takahisa Zeze, ein Mystery-Drama über das eska­lie­rende Bezie­hungs­ge­flecht in einem Dorf, Sabus blutig-roman­ti­scher Thriller My Blood And Bones In A Flowing Galaxy um eine bedrohte junge Liebe oder »Special Actors«, eine Sekten-Komödie von One Cut Of The Dead-Kult­re­gis­seur Shini­chiro Ueda.

Der dies­jäh­rige Programm­schwer­punkt »Family Matters – Die japa­ni­sche Familie zwischen Tradition und Moderne« beschäf­tigt sich mit den sich wandelnden Rollen­bil­dern und neuen Fami­li­en­kon­struk­tionen. Seit den 1930er- und 40er-Jahren spiele das Thema Familie im japa­ni­schen Kino eine gewich­tige Rolle, erklärt Klomfaß, doch in den letzten Jahren gebe es verstärkt Filme, die sich von klas­si­schen Fami­li­en­bil­dern in dem tradi­ti­ons­be­wussten Land eman­zi­pieren. »Wie kann Familie sonst noch aussehen?«

Damit wird Frankfurt temporär wieder zum Geiger­zähler für das aktuelle japa­ni­sche Kino, das, so Klomfaß, gerade berei­chert wird von »einem Schub kreativer neuer Inde­pend­ent­filmer:innen«. Das ist beacht­lich, wenn man sich vor Augen führt, dass es in Japan keine Film­för­der­struk­turen gibt, sondern allen­falls einzelne Förder­pro­gramme, etwa lokale Förde­rungen durch Präfek­turen, in denen die Filme gedreht werden. »Viele der jungen Filme­ma­cher:innen haben drei andere Jobs nebenbei, um über die Runden zu kommen«, erklärt Klomfaß, viele Filme würden durch Crowd­fun­ding oder ander­weitig privat finan­ziert.

Neben den Filmen bietet Nippon Connec­tion 40 digitale Workshops, Vorträge, Konzerte und 16 Live-Gespräche mit Filme­ma­cher:innen via Zoom, bei denen die Zuschauer:innen Fragen stellen können. Und dann gibt es noch ein »kleines Fenster in die Außenwelt,« wie Klomfaß es nennt: einen Nippon Click & Collect-Kiosk im Haupt­ein­gang des Künst­ler­hauses Mouson­turm, wo japa­ni­sche Snacks, Drinks, T-Shirts nach Online-Bestel­lung abgeholt werden können. Man kann sich also getrost digital in die japa­ni­sche Welt entführen lassen und sich, wenn man denn in Frankfurt oder Umgebung lebt, noch mit analogen Schman­kerln eindecken.

Auch der Blick nach vorne verspricht Gutes: Im Sommer soll die Retro­spek­tive zur japa­ni­schen Schau­spie­lerin und Regis­seurin Kinuyo Tanaka nach­ge­holt werden. Acht Filme von und mit ihr sollen im Kino des Deutschen Film­mu­seums in Frankfurt gezeigt werden, »die 35- und 16-mm-Kopien lassen wir aus Japan einfliegen«, erzählt die Festi­val­lei­terin. Das genaue Datum soll an diesem Sonntag bekannt­ge­geben werden.

Und im nächsten Jahr soll es dann wieder analog in die Vollen gehen. »Wir wollen im nächsten Jahr wieder ein Festival vor Ort machen«, auch werde über weitere Spiel­stätten nach­ge­dacht, so die Festi­val­lei­terin. Ob auch Filme per Stream zur Verfügung gestellt werden? »Eventuell gibt es hinterher ein kleines Programm online«, aller­dings nur sehr reduziert, da eine komplett hybride Auflage alle Rahmen sprengen würde. »Alle, die uns online entdeckt haben, müssen dann eben nach Frankfurt kommen«, so Klomfaß selbst­be­wusst. Aber jetzt erstmal ran an die Bild­schirme für Nippon Connec­tion 21. »Yokoso!«: Herzlich Will­kommen!