18.03.2021

Bleib zu Hause und geh ins Kino!

flimmern&rauschen
Sinnbild für unseren Zustand: von den Devices der Virtualität gekillt. Ab dem 18.3. im Videokanal von flimmern&rauschen.
(Foto: flimmern&rauschen / smart home – Jonas Steinacker und Vincent Eckert)

Das 38. flimmern&rauschen Jugendfilmfestival findet von 18.- 28. März auf der Webseite des Festivals statt. In diesen 10 Tagen werden über 60 Kurzfilme gezeigt, und das komplett kostenlos und rund um die Uhr. Gedreht wurden alle Beiträge von Kindern und Jugendlichen, sowie von jungen, professionellen Filmemachern aus München unter 27 Jahren

Von Anna Edelmann

Seit gut einem Jahr sitzen wir nun alle in unseren Stuben fest und streamen daheim vonein­ander abge­kap­selt Filme. Und auch das flimmern&rauschen-Filmfest darf nicht raus und muss eine zweite Runde rein online und virtuell einlegen. Aber wie es sich für ein Jugend­film­fes­tival gehört, das von Natur aus immer in Bewegung ist und nach vorne blickt, grämt und schmollt es nicht lange, sondern sucht lieber nach cleveren und inno­va­tiven Ideen, wie Publikum und Festival trotzdem mitein­ander in Kontakt treten können, sich gar ein Gemein­schafts­ge­fühl entwi­ckeln kann. Denn es sind nicht nur die profes­sio­nelle Projek­tion auf die große Leinwand und die ergo­no­mi­schen Sitze, die uns am Kino­be­such fehlen.
Es ist das Zusam­men­sein, das gemein­same Fühlen und Erleben. Der angeregte Austausch vor und nach den Filmen; mit Freunden, die eben genau das Gleiche gesehen, es aber viel­leicht ganz anders wahr­ge­nommen haben.

Um diesem Dialog ein Forum zu geben, fasst sich flimmern&rauschen ein Herz, starrt dem Kinosterben allerorts furchtlos ins Gesicht und eröffnet sein eigenes Kino – wenn auch nur virtuell.
So soll ein Ort geschaffen werden, an dem man sich mit Gleich­ge­sinnten verab­reden kann, um sich Filmtipps zuzu­ste­cken oder einfach mitein­ander zu plaudern. Angeregte Gespräche führt man entweder direkt in einem der drei Kinosäle – oder trifft sich anstands­halber doch lieber im Foyer. Schließ­lich soll sich hier niemand Unsitten ange­wöhnen, die man sich nach Öffnung der realen Licht­spiel­häuser erst mühsam wieder abtrai­nieren muss.
Bleib daheim und geh ins Kino! – Das ist nun also nicht länger wider­sprüch­lich.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses virtuelle Festi­val­zen­trum so funk­tio­niert wie geplant und von den Gästen ange­nommen wird. Ergibt sich so doch viel­leicht sogar die eine oder andere Bekannt­schaft, die sich bald in einem realen Kino treffen kann.

Das Publikum ist nicht nur einge­laden, unter­ein­ander das Gespräch zu suchen. Es ist seit jeher ein Anliegen von Deutsch­lands ältestem Jugend­fes­tival, schon die jüngsten Zuschauer nicht nur passiv vor die Leinwand zu setzen, sondern sie auch aktiv für’s Filme­ma­chen zu begeis­tern. Der inter­es­sierte Nachwuchs wird ermutigt, den eigenen Geschichten, der eigenen Stimme Wert beizu­messen. Es wird der Anstoß gegeben, selbst den Schritt hinter oder vor die Kamera zu wagen.

So entstehen Filme aus einer Perspek­tive, die sich als Erwach­sener nur schwer nachahmen lässt. Keine Nostalgie verzerrt das Bild, sondern es eröffnen sich authen­ti­sche Einblicke in das Leben und Denken von jungen Menschen, die die Welt noch für sich entdecken und sie sich zueigen machen.
Zwei Blöcke widmet das Festival diesen neuen Sicht­weisen. Unter dem Titel »jung&wild« grup­pieren sich Werke, die auf eine turbu­lente Reise durch die Jugend­zeit einladen. Dazu passend findet an zwei Tagen ein Workshop mit Regis­seurin und Dreh­buch­au­torin Melanie Waelde (Nackte Tiere) statt, der sich mit der Darstel­lung und Wahr­neh­mung von »Jugend« im Film beschäf­tigt.
In der Reihe »-topien« wird frei über mögliche zukünf­tige Welten speku­liert. Am 20. und 21.03. gewährt der Workshop »Erschaffe Deine eigenen Welten« mit dem Spie­le­ent­wickler Marco Plewnia einen Einblick in die Schöpfung ganzer (Fantasie-)Welten.
Die Teilnahme an den kosten­losen Workshops ist nur nach vorhe­riger Anmeldung auf der Webseite des Festivals möglich, da die Teil­neh­mer­zahl begrenzt ist.

Das flimmern&rauschen gilt generell als ein sehr publi­kums­nahes Festival. Doch dieses Jahr gibt es sich besondere Mühe, die Distanz zwischen Publikum, Filmfest und Filme­ma­chern nicht größer als – den Umständen geschuldet – nötig werden zu lassen. Man soll nicht zeitlos im virtu­ellen Raum schweben und einander aus den Augen verlieren, sondern gemeinsam im Hier und Jetzt präsent sein. Das gilt auch für alle Filme­ma­cher, die dieses Jahr einen Beitrag im Rennen um einen der Preise haben. »Wir rufen die Gewinner an. Seid erreichbar am 24.03.2021«, wird im Trailer ange­kün­digt. Aufgeregt werden an dem Tag die Teil­nehmer neben dem Telefon warten, ob es denn während der Preis­ver­lei­hung klingelt und sie mit der Gewinn­nach­richt über­rascht werden. Das geschieht ganz klassisch, direkt altmo­disch, unter Zuhil­fe­nahme eines analogen Schnur­te­le­fons. Keine vorab aufge­zeich­neten Dankes­reden, die bis in die letzte Formu­lie­rung ausge­feilt wurden und dem Publikum auf Knopf­druck vorge­spielt werden. Nein: hier nimmt man Teil an der direkten und spontanen Freude der Gewinner.

Vergeben werden Preise im Gesamt­wert von 4000€ in fünf nach Alters­gruppen sortierten Kate­go­rien, sowie ein Publi­kums­preis und ein Sonder­preis zum Thema »Diver­sität«. Die Preis­ver­lei­hung findet bereits am 24.03. statt. Danach bleiben noch vier Tage, um sich die Gewin­n­erfilme anzusehen, die einem vorher viel­leicht entgangen sind.
Und selbst für dieje­nigen, die einfach nicht genug der über sechzig Filme in die zehn Tage quetschen können, gibt es nach dem Festival eine weitere Möglich­keit, das Versäumte nach­zu­holen. flimmern&rauschen koope­riert dieses Jahr zum ersten Mal mit dem Strea­ming­portal OLAtv.de. Dort wird eine vom Filmfest kura­tierte Auswahl der dies­jäh­rigen Beiträge gezeigt; jeden Monat ein neuer Film, bis zum Beginn des nächsten Festivals 2022.
Auf dem man sich dann hoffent­lich wieder in einem echten Kino trifft.