Schieflagen |
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Thema: Filmförderungsgesetz – Novelle 2019 |
Frage: Wenn man über Millionenbudgets und Produktionsstandorte spricht, bekommt die große Mehrheit der deutschen Filmschaffenden allerdings Hassgefühle. Weil sie sich als Filmkünstler verstehen und das Gefühl haben, dass sie um jeden Cent Filmförderung erbittert kämpfen müssen.
Grütters: Hass erlebe ich nicht, sondern eher Konkurrenz und Wettbewerb – und das finde ich nicht falsch.
Frage: Aber es schimpft doch jeder!
Grütters: Das ist sicher auch mal der Fall, aber derartige Debatten stimulieren doch im Übrigen auch. Richtig ist aber, dass man Position beziehen muss, und das tue ich sehr energisch.
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Ganz grundsätzlich besteht ein öffentliches Interesse an einer breiten, ergebnisoffen geführten öffentlichen Debatte über das FFG und das Kulturgut Kino.
Das Wort »Kunst« kommt in ihrem heutigen SZ-Interview zur Filmförderung nicht vor. Ist das Zufall? Ich glaube nicht.
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445 Millionen Euro gibt die Bundesrepublik pro Jahr an Filmförderung aus, Monika Grütters, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), hat es genau zusammenzählen lassen. Und wir haben keinen Anlass ihr nicht zu glauben – denn schmeichelhaft für die Amtsinhaberin sind die Zahlen ja nicht.
Sie liegen nicht einmal halb so hoch, wie in Frankreich. Woher soll die Filmkunst also kommen, wenn man sie sich nicht leisten will?
Von diesen 445 Millionen Euro sind nur 28 Millionen, also keine 10 Prozent, »Kulturelle Filmförderung«, die nicht an wirtschaftlichen Erfolg geknüpft ist. Hier erkennt man die erste Schieflage. Nochmal: Woher soll die Filmkunst kommen?
322 Millionen Euro sind Produktionsförderung. Hier erkennt man die zweite Schieflage. Alles andere ist viel viel viel zu wenig. Denn Produktionsförderung ist nicht etwa Produzentenförderung. Für Entwicklung, also das Denken, Recherchieren, für die Freiheit zum Irrtum, wird kaum etwas ausgegeben. Das wäre aber die Voraussetzung.
Nur 125 Millionen der 445 sind automatisiert. Das heißt de facto: Bei drei Viertel aller Gelder sind die Macher auf die Gunst von Gremien angewiesen. Gremien in denen oft Leute sitzen, die ihr Leben als Funktionär oder Berater oder Gremienmitglied verbracht haben, die offenbar nicht gut genug sind oder waren, um selber Filme zu machen.
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Großspurig, ich kann es gar nicht anders sagen, ist die BKM-Erklärung zur »Soforthilfeprogramm für Kinos auf dem Land« formuliert.
Denn man muss in diesen Fällen, ähnlich wie bei Autohändlern und windigen Internet-Verkäufern immer erst das Kleingedruckte lesen. Und dann hat die FFA-Website die Eigenschaft, dass man dort grundsätzlich nichts findet. Man muss klicken klicken, klicken und... klicken, und mit etwas Glück und noch ein zwei Klicks, findet man dann doch noch das
Kleingedruckte [https://www.ffa.de/soforthilfeprogramm-kino.html]. Ja, es stimmt: Ich persönlich halte das für keineswegs zufällig, sondern für Absicht.
Im Kleingedruckten der FFA/des BKM steht dass die Soforthilfe keine Soforthilfe ist, und keineswegs für jeden gilt, der seriöse, anspruchsvolle Kinoarbeit betreibt. Sie setzt »Wirtschaftlichkeit« voraus, also das Totschlagargument aller Neoliberalen. Wirtschaftlichkeit setzt in dieser Logik 275 Spieltage voraus.
Und das ist mindestens weltfremd, wenn nicht bösartig. Denn es schließt viele Kino-Initiativen auf dem Land von vornherein aus. Diese spielen manchmal nur drei, vier Tage pro Woche, eben um Geld zu sparen, wirtschaftlich zu sein – aber damit unter 285 Spieltagen.
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»Lassen Sie uns, bevor wir ins Detail gehen, noch einmal grundsätzlich werden. Warum braucht ein Sechs-Millionen-Besucher-Blockbuster wie 'Fack Ju Göhte 3', der 2017 an allen US-Produktionen vorbeigezogen ist, überhaupt Filmförderung? Bund und Länder haben den Film mit 2,6 Millionen Euro subventioniert. Wenn es nicht mal die erfolgreichsten Produzenten alleine schaffen – ist dann nicht etwas faul?«
Grütters: Filmproduktion ist ein sehr bewegliches Geschäft. Die Produzenten sind in ihrer Standortwahl völlig frei. Alle Standorte, die Studios und Fachkräfte haben, nehmen wir als Beispiel nur mal Prag, versuchen, erfolgversprechende Filmproduktionen anzulocken. Diese Standorte werben auch mit staatlichen Subventionen, weil sie wissen, dass eine solche Standortförderung im Filmbereich ein relevanter wirtschaftlicher Faktor ist, der Folgeinvestitionen im eigenen Land nach sich zieht. Zudem trägt er dazu bei, dass die einheimische Produktionsinfrastruktur und die Beschäftigten im Filmbereich ausgelastet sind und Know-how im Inland gebunden wird. Und weil auch die deutsche Filmförderung neben dem kulturellen auch den wirtschaftlichen Erfolg im Blick hat, macht es durchaus Sinn, selbst die kommerziell erfolgreichen Filme mit Steuergeldern zu fördern, oder im Fall von 'Fack Ju Göhte 3', deren Produktion im eigenen Land zu behalten.