01.08.2019

Schieflagen

FilmFörderungsGesetz_Novelle
Thema: Filmförderungsgesetz – Novelle 2019

Strandlektüren zur FFG-Novelle, erste Folge

Von Rüdiger Suchsland

Frage: Wenn man über Millio­nen­bud­gets und Produk­ti­ons­stand­orte spricht, bekommt die große Mehrheit der deutschen Film­schaf­fenden aller­dings Hass­ge­fühle. Weil sie sich als Film­künstler verstehen und das Gefühl haben, dass sie um jeden Cent Film­för­de­rung erbittert kämpfen müssen.

Grütters: Hass erlebe ich nicht, sondern eher Konkur­renz und Wett­be­werb – und das finde ich nicht falsch.

Frage: Aber es schimpft doch jeder!

Grütters: Das ist sicher auch mal der Fall, aber derartige Debatten stimu­lieren doch im Übrigen auch. Richtig ist aber, dass man Position beziehen muss, und das tue ich sehr energisch.

+ + +

Ganz grund­sätz­lich besteht ein öffent­li­ches Interesse an einer breiten, ergeb­nis­offen geführten öffent­li­chen Debatte über das FFG und das Kulturgut Kino.

Das Wort »Kunst« kommt in ihrem heutigen SZ-Interview zur Film­för­de­rung nicht vor. Ist das Zufall? Ich glaube nicht.

+ + +

445 Millionen Euro gibt die Bundes­re­pu­blik pro Jahr an Film­för­de­rung aus, Monika Grütters, die Beauf­tragte der Bundes­re­gie­rung für Kultur und Medien (BKM), hat es genau zusam­men­zählen lassen. Und wir haben keinen Anlass ihr nicht zu glauben – denn schmei­chel­haft für die Amts­in­ha­berin sind die Zahlen ja nicht.

Sie liegen nicht einmal halb so hoch, wie in Frank­reich. Woher soll die Filmkunst also kommen, wenn man sie sich nicht leisten will?

Von diesen 445 Millionen Euro sind nur 28 Millionen, also keine 10 Prozent, »Kultu­relle Film­för­de­rung«, die nicht an wirt­schaft­li­chen Erfolg geknüpft ist. Hier erkennt man die erste Schief­lage. Nochmal: Woher soll die Filmkunst kommen?

322 Millionen Euro sind Produk­ti­ons­för­de­rung. Hier erkennt man die zweite Schief­lage. Alles andere ist viel viel viel zu wenig. Denn Produk­ti­ons­för­de­rung ist nicht etwa Produ­zen­ten­för­de­rung. Für Entwick­lung, also das Denken, Recher­chieren, für die Freiheit zum Irrtum, wird kaum etwas ausge­geben. Das wäre aber die Voraus­set­zung.

Nur 125 Millionen der 445 sind auto­ma­ti­siert. Das heißt de facto: Bei drei Viertel aller Gelder sind die Macher auf die Gunst von Gremien ange­wiesen. Gremien in denen oft Leute sitzen, die ihr Leben als Funk­ti­onär oder Berater oder Gremi­en­mit­glied verbracht haben, die offenbar nicht gut genug sind oder waren, um selber Filme zu machen.

+ + +

Groß­spurig, ich kann es gar nicht anders sagen, ist die BKM-Erklärung zur »Sofort­hil­fe­pro­gramm für Kinos auf dem Land« formu­liert.
Denn man muss in diesen Fällen, ähnlich wie bei Auto­händ­lern und windigen Internet-Verkäu­fern immer erst das Klein­ge­druckte lesen. Und dann hat die FFA-Website die Eigen­schaft, dass man dort grund­sätz­lich nichts findet. Man muss klicken klicken, klicken und... klicken, und mit etwas Glück und noch ein zwei Klicks, findet man dann doch noch das Klein­ge­druckte [https://www.ffa.de/sofort­hil­fe­pro­gramm-kino.html]. Ja, es stimmt: Ich persön­lich halte das für keines­wegs zufällig, sondern für Absicht.
Im Klein­ge­druckten der FFA/des BKM steht dass die Sofort­hilfe keine Sofort­hilfe ist, und keines­wegs für jeden gilt, der seriöse, anspruchs­volle Kino­ar­beit betreibt. Sie setzt »Wirt­schaft­lich­keit« voraus, also das Totschlag­ar­gu­ment aller Neoli­be­ralen. Wirt­schaft­lich­keit setzt in dieser Logik 275 Spieltage voraus. Und das ist mindes­tens weltfremd, wenn nicht bösartig. Denn es schließt viele Kino-Initia­tiven auf dem Land von vorn­herein aus. Diese spielen manchmal nur drei, vier Tage pro Woche, eben um Geld zu sparen, wirt­schaft­lich zu sein – aber damit unter 285 Spiel­tagen.

+ + +

»Lassen Sie uns, bevor wir ins Detail gehen, noch einmal grund­sätz­lich werden. Warum braucht ein Sechs-Millionen-Besucher-Block­buster wie 'Fack Ju Göhte 3', der 2017 an allen US-Produk­tionen vorbei­ge­zogen ist, überhaupt Film­för­de­rung? Bund und Länder haben den Film mit 2,6 Millionen Euro subven­tio­niert. Wenn es nicht mal die erfolg­reichsten Produ­zenten alleine schaffen – ist dann nicht etwas faul?«

Grütters: Film­pro­duk­tion ist ein sehr beweg­li­ches Geschäft. Die Produ­zenten sind in ihrer Stand­ort­wahl völlig frei. Alle Standorte, die Studios und Fach­kräfte haben, nehmen wir als Beispiel nur mal Prag, versuchen, erfolg­ver­spre­chende Film­pro­duk­tionen anzu­lo­cken. Diese Standorte werben auch mit staat­li­chen Subven­tionen, weil sie wissen, dass eine solche Stand­ort­för­de­rung im Film­be­reich ein rele­vanter wirt­schaft­li­cher Faktor ist, der Folgeinves­ti­tionen im eigenen Land nach sich zieht. Zudem trägt er dazu bei, dass die einhei­mi­sche Produk­ti­ons­in­fra­struktur und die Beschäf­tigten im Film­be­reich ausge­lastet sind und Know-how im Inland gebunden wird. Und weil auch die deutsche Film­för­de­rung neben dem kultu­rellen auch den wirt­schaft­li­chen Erfolg im Blick hat, macht es durchaus Sinn, selbst die kommer­ziell erfolg­rei­chen Filme mit Steu­er­gel­dern zu fördern, oder im Fall von 'Fack Ju Göhte 3', deren Produk­tion im eigenen Land zu behalten.