23.08.2018

Kultur, Wider­stand, Leben

Subjektiv - Dokumentarfilm im 21. Jahrhundert
Die Legende vom hässlichen König über den Vater des türkisch-kurdischen Kinos eröffnet heute das Festival

Filmemachen in der Diaspora: Das 8. Kurdische Filmfestival in Berlin

Von Rüdiger Suchsland

Morgen Abend geht es los, zum 8.Mal – das »Kurdische Film­fes­tival« in Berlin. Trotz öffent­li­cher Förderung, zur Zeit durch den Haupt­stadt­kul­tur­fonds, ist die Geschichte dieses Festivals sehr wech­sel­reich: Nicht jedes Jahr gelingt den Machern eine Festi­va­l­aus­gabe, 2017 fand die siebte, nach sechs Jahren Pause, statt.
Grund dafür waren in erster Linie Geld­pro­bleme. In diesem Jahr ist das Festival vom Haupt­stadt­kul­tur­fonds gefördert. Es gibt aber weiterhin poli­ti­sche Schwie­rig­keiten: Die türkische Regierung protes­tiert und behindert das Festival erwar­tungs­gemäß, aber auch nicht alle Kurden­ver­treter unter­s­tützten in der Vergan­gen­heit das Festival.

Dieses Jahr präsen­tiert das Festival 40 Spiel-, Doku­mentar- und Kurzfilme, die viel­fäl­tige Leben­s­as­pekte der kurdi­schen Kultur in Kurdistan wie auch in der Diaspora thema­ti­sieren. Flucht und Wider­stand sind dies­jäh­rige Schwer­punkte. Manche von den Filmen wurden auf inter­na­tio­nalen Festivals bereits gezeigt und mit Preisen ausge­zeichnet. Anderes ist brandneu.

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Eine Radio­sen­dung in Kurdistan – Dilovan, eine gerade 20-jährige Frau kämpft auf ihre Weise gegen die mörde­ri­schen Banden der ISIS. In der vom Krieg geprägten Stadt Kobane hat sie ihre eigene Radioshow ins Leben gerufen. Dort inter­viewt Dilovan Über­le­bende, Rück­kehrer, Frei­heits­kämpfer, aber auch Poeten.
Die Geschichte von »Radio Kobane« ist eine der aufre­gendsten, emotional nahe­ge­henden unter allen, die jetzt auf dem Kurdi­schen Film­fes­tival erzählt werden, das heute Abend mit Die Legende vom häss­li­chen König eröffnet wird, einem Kinodo­ku­men­tar­film über den berühmten Yilmaz Güney, den Vater des türkisch-kurdi­schen Kinos.

»Radio Kobane« ist in vielem typisch für die derzei­tige Lage der Kurden, die zwischen Verzweif­lung und Hoffnung das ganz normale Leben vertei­digen oder wieder aufbauen wollen. Das Radio wird hier zu einer Technik der Hoffnung.
Dies ist aber eben auch eine Geschichte junger moderner Frauen, die frei und vergleichs­weise gleich­be­rech­tigt leben können – wie sie oft aus Kurdistan erzählt wird, sehr selten aus anderen Teilen der Nahost-Region.

Zum 8. Mal findet es nun statt, inzwi­schen ist das Kurdische Film­fes­tival Berlin zu einem der wich­tigsten Treff­punkte für kurdische Film­schaf­fende aus aller Welt geworden.
Denn dieses Film­schaffen ist vor allem eines des Exils. Immerhin in der deutschen Haupt­stadt können kurdische Filme frei laufen, Kurden sich zu erkennen geben und frei debat­tieren.
Die inter­es­san­testen und quali­tativ besten Werke sind die Doku­men­tar­filme – sie erzählen viele Details des kurdi­schen Lebens jenseits der vorge­stanzten Nach­rich­ten­bilder.

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Wer sind die Kurden? Und was heißt überhaupt »kurdisch«? Kurdisch kann eine Sprache meinen, ein Volk und seine Kultur, eine Region, die mehrere Staats­grenzen ignoriert, oder der Staat, der bisher nur in den Hoff­nungen mancher Kurden existiert?
Dies genau ist eine der Fragen, die das Festival entfalten und ausloten will. Brisant wird die Frage nach dem Kurdi­schen noch zusätz­lich dadurch, dass die kurdi­schen Peschmerga unsere Verbün­deten im Kampf des Westens gegen die ISIS sind – aber zugleich gelten sie bei unserem NATO-Partner Türkei als Feinde und Terro­risten.

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Sucht man nach roten Fäden in diesem dichten Programm, fällt in diesem Jahr vor allem dreierlei auf: Zum einen gibt es drei arme­ni­sche Filme. Mit dieser Entschei­dung versuchen die Macher den Austausch mit der großen Gemein­schaft der Exil-Armenier zu fördern, die mit den Kurden das Schicksal teilen, aus der Türkei vertrieben worden zu sein. Die rein kurdische Sicht wird dadurch rela­ti­viert, und in einen größeren Kontext gerückt – als Teil einer globalen Heimat­lo­sig­keit.
Das zweite über­grei­fende Thema ist die Lage der kurdi­schen Diaspora. Wie leben Kurden im Exil? Welche Probleme gibt es?
Schließ­lich gibt es viele Doku­men­tar­filme, die die Lage an der Front zeigen, und die Realität zwischen den zerfließenden Grenzen in den kurdi­schen Gebieten der Türkei, Syriens und Iraks und Einblicke in die aktuellen Konflikt­si­tua­tionen und den Wider­stand der Kurden geben.

Ein acht­jäh­riges Mädchen ist der Star von Resis­tance is Life, einem Doku­men­tar­film über das Leben von Familien, die Kobane gegen die ISIS vertei­digt haben.
Wer sich mit dem kurdi­schen Kino ausein­an­der­setzt, begegnet nicht nur einer immens reichen, zugleich sehr viel­fäl­tigen Film­kultur – sondern auch immer wieder solchen über­ra­schenden Geschichten.

Kurdi­sches Film­fes­tival
Berlin, Movie­mento, Babylon Mitte