Kultur, Widerstand, Leben |
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Die Legende vom hässlichen König über den Vater des türkisch-kurdischen Kinos eröffnet heute das Festival |
Morgen Abend geht es los, zum 8.Mal – das »Kurdische Filmfestival« in Berlin. Trotz öffentlicher Förderung, zur Zeit durch den Hauptstadtkulturfonds, ist die Geschichte dieses Festivals sehr wechselreich: Nicht jedes Jahr gelingt den Machern eine Festivalausgabe, 2017 fand die siebte, nach sechs Jahren Pause, statt.
Grund dafür waren in erster Linie Geldprobleme. In diesem
Jahr ist das Festival vom Hauptstadtkulturfonds gefördert. Es gibt aber weiterhin politische Schwierigkeiten: Die türkische Regierung protestiert und behindert das Festival erwartungsgemäß, aber auch nicht alle Kurdenvertreter unterstützten in der Vergangenheit das Festival.
Dieses Jahr präsentiert das Festival 40 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme, die vielfältige Lebensaspekte der kurdischen Kultur in Kurdistan wie auch in der Diaspora thematisieren. Flucht und Widerstand sind diesjährige Schwerpunkte. Manche von den Filmen wurden auf internationalen Festivals bereits gezeigt und mit Preisen ausgezeichnet. Anderes ist brandneu.
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Eine Radiosendung in Kurdistan – Dilovan, eine gerade 20-jährige Frau kämpft auf ihre Weise gegen die mörderischen Banden der ISIS. In der vom Krieg geprägten Stadt Kobane hat sie ihre eigene Radioshow ins Leben gerufen. Dort interviewt Dilovan Überlebende, Rückkehrer, Freiheitskämpfer, aber auch Poeten.
Die Geschichte von »Radio Kobane« ist eine der aufregendsten, emotional nahegehenden unter allen, die jetzt auf dem Kurdischen Filmfestival erzählt werden, das heute
Abend mit Die Legende vom hässlichen König eröffnet wird, einem Kinodokumentarfilm über den berühmten Yilmaz Güney, den Vater des türkisch-kurdischen Kinos.
»Radio Kobane« ist in vielem typisch für die derzeitige Lage der Kurden, die zwischen Verzweiflung und Hoffnung das ganz normale Leben verteidigen oder wieder aufbauen wollen. Das Radio wird hier zu einer Technik der Hoffnung.
Dies ist aber eben auch eine Geschichte junger moderner Frauen, die frei und vergleichsweise gleichberechtigt leben können – wie sie oft aus Kurdistan erzählt wird, sehr selten aus anderen Teilen der Nahost-Region.
Zum 8. Mal findet es nun statt, inzwischen ist das Kurdische Filmfestival Berlin zu einem der wichtigsten Treffpunkte für kurdische Filmschaffende aus aller Welt geworden.
Denn dieses Filmschaffen ist vor allem eines des Exils. Immerhin in der deutschen Hauptstadt können kurdische Filme frei laufen, Kurden sich zu erkennen geben und frei debattieren.
Die interessantesten und qualitativ besten Werke sind die Dokumentarfilme – sie erzählen viele Details des
kurdischen Lebens jenseits der vorgestanzten Nachrichtenbilder.
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Wer sind die Kurden? Und was heißt überhaupt »kurdisch«? Kurdisch kann eine Sprache meinen, ein Volk und seine Kultur, eine Region, die mehrere Staatsgrenzen ignoriert, oder der Staat, der bisher nur in den Hoffnungen mancher Kurden existiert?
Dies genau ist eine der Fragen, die das Festival entfalten und ausloten will. Brisant wird die Frage nach dem Kurdischen noch zusätzlich dadurch, dass die kurdischen Peschmerga unsere Verbündeten im Kampf des Westens gegen die ISIS sind
– aber zugleich gelten sie bei unserem NATO-Partner Türkei als Feinde und Terroristen.
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Sucht man nach roten Fäden in diesem dichten Programm, fällt in diesem Jahr vor allem dreierlei auf: Zum einen gibt es drei armenische Filme. Mit dieser Entscheidung versuchen die Macher den Austausch mit der großen Gemeinschaft der Exil-Armenier zu fördern, die mit den Kurden das Schicksal teilen, aus der Türkei vertrieben worden zu sein. Die rein kurdische Sicht wird dadurch relativiert, und in einen größeren Kontext gerückt – als Teil einer globalen Heimatlosigkeit.
Das
zweite übergreifende Thema ist die Lage der kurdischen Diaspora. Wie leben Kurden im Exil? Welche Probleme gibt es?
Schließlich gibt es viele Dokumentarfilme, die die Lage an der Front zeigen, und die Realität zwischen den zerfließenden Grenzen in den kurdischen Gebieten der Türkei, Syriens und Iraks und Einblicke in die aktuellen Konfliktsituationen und den Widerstand der Kurden geben.
Ein achtjähriges Mädchen ist der Star von Resistance is Life, einem Dokumentarfilm über das Leben von Familien, die Kobane gegen die ISIS verteidigt haben.
Wer sich mit dem kurdischen Kino auseinandersetzt, begegnet nicht nur einer immens reichen, zugleich sehr vielfältigen Filmkultur – sondern auch immer wieder solchen überraschenden Geschichten.
Kurdisches Filmfestival
Berlin, Moviemento, Babylon Mitte