Sweet, Bad, Blackness |
![]() |
|
Hier ist viel mehr als Sex zu sehen: schwarze Haut, selbstbewusste Selbstinszenierung – Sweet Sweetback’s Baadasssss Song begründete das Blaxploitation |
Von Dunja Bialas
Shoot Don’t Shoot, so heißt ein Trainingsfilm aus den 70er Jahren für New Yorker Straßenpolizisten. Ein Afroamerikaner, der einem Verdächtigen verdächtig ähnlich sieht, nähert sich an einer belebten Ecke einer Kinokasse. Hier ist der Cop gefragt: Schießen oder nicht schießen? Der amerikanische Experimentalfilmer William E. Jones hat in der Wiederholung immergleicher Schlüsselmomente des Trainingsfilms die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Vorurteile herausgearbeitet, die letztlich, als der Schwarze die Waffe zückt, sich bestätigen. Bleibt die Frage, weshalb hier ausgerechnet eine Kinokasse überfallen werden soll?
Das ganze Szenario ist jedoch in Wirklichkeit eine ziemlich perfide Anspielung auf den Massenerfolg einer neuen Genrewelle, die Amerika in den 70er Jahren erfasst hatte: Blaxploitation. Schwarze traten in den Filmen selbstbewusst als Gauner, Drogenbosse, Zuhälter und Lover auf, als all dies, wofür sie in den Filmen bislang immer im Vorurteil herhalten mussten, und gaben sich daraus eine neue, aufrechte Identität. »Proud to be black« lag seit dem Number-1-Hit James Browns von 1968 überall in der Luft. Das Genre erfasste die amerikanischen Kinos und mit ihnen die großen Studios und führte zu unzählig schnell und billig hergestellten B-Movies, die den späteren Kultcharakter begründeten und denen nicht zuletzt Quentin Tarantino 1997 mit Jackie Brown ein Denkmal seiner kultischen Verehrung setzte. Pam Grierson, von Roger Corman entdeckt und in Frauengefängnisfilmen nach allen Regeln der Kunst inszenatorisch exploitiert, wurde die Diva des Blaxploitation, bei Tarantinos Jackie Brown noch einmal gebührend black in Szene gesetzt.
Godfather des Genres ist Melvin Van Peebles, der in vielen seiner Filmen selbst oft die Hauptrolle innehatte, als extrem cooler Gangster, Stricher oder Zuhälter, bis zum Bauchnabel dekolletiert, der sich selbst Geschichten auf den Leib schrieb, die direkt aus dem Ghetto zu kommen schienen. Sweet Sweetback’s Baadasssss Song ist der Film, der ihn und anderen schwarzen Regisseuren und Schauspielern 1971 schlagartig die alle Kinos des amerikanischen Kontinents erobern ließ, verstörend durch seine direkte Thematisierung von Sex und Crime, darüber aber umso gelassener, und in der Coolness der Blackness direkt zur Identifikation einladend.
»Wir waren in Filmen zumeist nur als Sklaven, Kellner oder Verbrecher zu sehen. Ich habe einen Film gedreht, mit dem sich das schwarze Publikum identifizieren konnte.« – Melvin Van Peebles hat nicht nur die US-Filmlandschaft umgekrempelt, sondern filmisch eine Entsprechung zu dem gefunden, was sich politisch mit der Black Panther Bewegung auf den Straßen und in den Ghettos der USA abspielte.
Der Godfather des Blaxploitation, der am heutigen Donnerstag 82 Jahre alt wird, kommt am Wochenende nach Frankfurt zu einer Werkschau seiner Meilenstein-Filme und zweier Nachfolgefilmen, die das Filmkollektiv Frankfurt organisiert hat. Melvin Van Peebles Karriere begann mit Kurzfilmen, die er in Frankreich als Autodidakt realisierte, wurde mit dem Kurzfilm Cinq cent balles (1963) und seinem Langfilm-Debüt The Story Of A 3-Day Pass (1968) bei den Produzenten Hollywoods zunächst fälschlicherweise als französischer Auteur bekannt, aber angeheuert. Seine erste, unter dem Studio-System von Hollywood entstandene Produktion wurde ihm zum persönlichen Alptraum, kehrte ihm den Rücken, und wurde mit dem bahnbrechenden und selbstfinanzierten Sweet Sweetback’s Baadasssss Song der erste schwarze Independent-Regisseur. Es folgte im selben Jahr der mittlerweile zum Klassiker des Genres erhobene Shaft von Gordon Parks, wiederum von Hollywood produziert, das jetzt von dem großen Erfolg der Blaxploitation an den Kinokassen profitieren wollte und ihre Produktionsgelder jetzt nicht mehr zurückhielt, und ein Jahr später Blacula, eine schwarze Vampir-Verballhornung von William Crain und ebenfalls eine Hollywood-Produktion.
Melvin Van Peebles, der mit Sweet Sweetback’s Baadasssss Song diese in den weiteren Jahren immer größere werdende Welle begründet hatte, kehrte dem Blaxploitation jedoch gleich wieder den Rücken. Den Film, den er nach seinem großen Independent-Erfolg, immer noch als unabhängiger Regisseur, drehte, war ein Musical, das in Harlem auf einer Party spielt. Andere, genreferne Filme folgten. Und machten aus Van Peebles den unumstrittenen Meister der Cool Blackness, die sich nichts um Konventionen und Erfolge schert.