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Filmkritik ist ja immer etwas Vielfältiges und Persönliches,
wo kein pluralis majestatis sprechen kann, sondern Individuen
mit ihren je ganz verschiedenen Geschmäckern, Vorlieben, Leidenschaften
und Blindheiten zu Wort kommen. Auch deswegen gibt es hier
jetzt, spät, aber nicht zu spät für ein so langes Kinojahr,
noch eine Rückblicks-Liste, die in manchem von der der geschätzten
Kollegen abweicht, und natürlich genauso subjektiv ist, wie
ihre.
Solche Listen und die Entscheidung für einen "besten Film"
sind ja ganz besondere Übungen in Willkür - in ihrer Knappheit,
Grobheit, der eigentlich unzulässigen Vereinfachung, der schlichten,
nur knapp kommentierbaren Aufzählung. Genau darin liegt andererseits
ihr Reiz, es ist ein Spiel, das Differenzierung nicht ersetzen,
aber ergänzen kann und darum wird hier ausnahmsweise einmal
"Ich" gesagt, und nur darum hier noch einmal die Erinnerung
an den Leser: es handelt sich um ein persönliches Zeugnis,
um Geschmacksurteile, und will - bitte - allein als solches
ernstgenommen werden. Vielleicht sollte man hier auch einfach
einmal mehr den Kollegen Richard Oehmann zitieren, der nach
einem Kinobesuch so treffend bemerkte: "Die Zielgruppe bin
ich".
Die besten Filme des Jahres 2000
1. SUMMER OF SAM
ist einfach der beste Film des Jahres. Wers nicht glaubt,
lese doch unsere bezaubernde Kollegin Heike-Melba Fendel in
epd-Film 11/00 oder zur Not meinen Text.
2. BLACK & WHITE
- selber schuld, wenn Sie den nicht auf dem Filmfest im Original
gesehen haben. Dann lesen Sie jetzt wenigstens Thomas Willmanns
Interview
mit dem Regisseur
3. MAGNOLIA
4. IN THE MOOD FOR LOVE läuft noch, reingehen! Und nochmal!
5. EYE OF THE BEHOLDER völlig unter Wert gelaufen. Warum waren
Sie nicht drin??
6. THE MISSION kommt noch in die Münchner Kinos. Glück gehabt!
7. AMERICAN BEAUTY
ist längst nicht so schlecht, wie jetzt auf einmal viele behaupten.
Weder nett, noch harmlos, noch nicht mal überschätzt.
8. LIBERTY HEIGHTS
einerseits eine Komödie, aber zugleich auch ein wunderbarer
Film der leisen Töne und der genauen Beobachtungen. Leider
auch völlig unter Wert gelaufen
9. RUNNING OUT OF TIME
hier möchte ich, wie auch für THE MISSION auf Thomas Willmanns
Rückblick verweisen, dem ich mich an diesem Punkt einfach
anschließe.
10. THE WONDER BOYS
klug und witzig geht es um die Bedingungen und den Preis der
Kreativität; um ein Kleid von Marylin Monroe und einen toten
Hund. Nebenbei trifft man John Boy Walton wieder, und lernt:
"Wen kümmert es, was irgendeiner denkt? Die wenigsten Leute
denken überhaupt."
11. MANSFIELD PARK eine ganz ausgezeichnete, hochelegante
Jane Austen-Verfilmung
12. ONEGIN dazu hat Regine Welsch
in ihrem Rückblick alles gesagt
13. ANY GIVEN SUNDAY oder doch eine guilty pleasure?
14. SLEEPY HOLLOW
15. AMERICAN PSYCHO
16. BRINGING OUT THE DEAD
17. THE INSIDER
Guilty Pleasures:
1. CHARLIES ANGELS
- purer Spaß, viel Intelligenz und schöne Frauen.
Die Schönste ist Lucy Liu.
2. SCREAM 3
- etwas weniger Spaß und viel weniger schöne Frauen.
3. WHERE THE MONEY IS
- auch unter Wert gelaufen: eine tolle Frau und ein noch tollerer
Mann - vereint zu einem Film alten Schlages. Im besten Sinn!
4. BAISE MOI
- dazu gibt es hier zwei Texte. Darin steht alles.
5. STIGMATA
- völlig durchgeknallt. Aber mit hervorragenden Schauspielern.
Und einem der besten Soundtracks des Jahres.
6. ROMEO MUST DIE
- hat auch Thomas Willmann gefallen.
7. SCARLET DIVA
- genialisch-verlotteter Egotrip von Asia Argento
8. GHOST DOG
- nur seine Schwäche ist seine Stärke.
9. SHAFT
- darf man eigentlich nicht gut finden, weil zu political
incorrect. Fand ich trotzdem gut.
10. MANILA
- ist sehr witzig und treffend. Das beste deutsche Drehbuch
des Jahres. Trotz allem!
11. MISSION TO MARS
- ein Weltraumspektakel der dritten Art, das alles Armageddon-Geschepper
und Deep-Impact-Pathos schon nach fünf Minuten hinter
sich läßt. Stattdessen hat dieser Anti-Science-Fiction
Mut zum Kitsch: So rot war der Mars noch nie, und auch die
"unendlichen Weiten,", die "new frontier"
zu der hier edle Amis aufbrechen, lag noch nie so fern vom
Mainstream.
12. PITCH BLACK
- überraschend und ungewöhnlich.
13. BEST LAID PLANS
- hat seine Momente.
14. THE PERFECT STORM
- ich weiß, dass es absoluter Mist ist. Aber irgendwie
hab ichs trotzdem gern gesehen...
15. SIMPATICO
- hat einfach tolle Schauspieler, die über vieles andere
hinwegtrösten.
Auch gut (Honorable Mentions):
FELICIA'S JOURNEY
THE WAR ZONE
THE BONE COLLECTOR
THE VIRGIN SUICIDES
THE TALENTED MR. RIPLEY
LOVE ME
ROMANCE
THE MINUS MAN
NORDRAND
MARABUS
FIONA
THREE SEASONS
RISIKO
DIE UNBERÜHRBARE
DIE STILLE NACH DEM SCHUSS
Größte Enttäuschungen
(vielleicht sollte man von zu hohen Erwartungen sprechen)
- MISSION IMPOSSIBLE 2
Nicht alles, was den Hongkong-Touch besitzt, ist gut. John
Woo verwandelt die Vorlage - für Brian De Palma 3 Jahre
zuvor noch Anlaß für einen hochinteressantesten
und innovativen Film - in müde 08/15-Action, vorhersehbar
wie ein James Bond. Auch nicht zuletzt weil der Film von
John Woo stammt, der einige der besten Filme der 90er-Jahre
drehte, und mit FACE/OFF mein persönliches Highlight
des Jahrzehnts, war MI2 so enttäuschend.
- THE BEACH
Danny Boyle ist wie John Woo natürlich immer noch ein
sehr guter Regisseur. Das sieht man auch stellenweise. Auch
die Schauspieler gefallen. Aber das Drehbuch ist leider
zum Wegschmeißen.
- GLADIATOR
auch Ridley Scott ist einer, dem man viel Kredit gibt. Technisch
und stilistisch gibt es hier auch wenig auszusetzen, auch
wenn die Regie arg grob agiert. Aber gut. Und GLADIATOR
zeigt am Anfang eine der aufregendsten Schachtszenen der
Filmgeschichte. Was mich enttäuscht hat, war vielleicht,
dass ich etwas im Stil von - wenn nicht ALIEN und BLADE
RUNNER - so doch BLACK RAIN erhofft hatte.
Ganz bestimmt aber hat mich enttäuscht, dass hier in
seltener Plumpheit die Barbarei gefeiert wird: In Form eines
antizivilisatorischen Helden, der Feier von Gewalt und Führertum,
von Totenkult und Esoterik. Man müsste diesen Film
'mal detailliert mit Emmerichs faschistoidem PATRIOT vergleichen.
Stilistisch ist er viel besser, inhaltlich und in der Inszenierung
seines Helden sehr ähnlich.
- REINDEER GAMES
Frankenheimer ist normalerweise sooo gut. Und hier so durchschnittlich.
- DER KRIEGER UND DIE KAISERIN
neinnein, schlecht ist der Film durchaus nicht. Aber viel
zu pretentiös. Und dadurch der schlechteste Tykwer-Film.
- ME, MYSELF & IRENE
ist fünf Stufen unter SOMETHING ABOUT MARY und hat
mich kaum zum Lachen gereizt. Das sollte eine Komödie
aber doch tun.
- DANCER IN THE DARK
ist vielleicht ein sehr guter Film. Vielleicht aber auch
nicht. Und diese Unsicherheit war für mich diesmal
(im Gegensatz zu von Triers IDIOTERNE) nicht besonders interessant.
Und ein bißchen genervt hat mich, zugegeben auch die
Schwärmerei mancher Besucher. So gut ist er nicht,
Leute...
- THE END OF THE AFFAIR
- BEING JOHN MALKOVICH
ich glaube, Cameron Diaz möchte ich so einfach nicht
sehen.
- MAN IN THE MOON
ist insofern keine Enttäuschung, als das ich hier,
wenn ich ehrlich bin, auch wenig erwartet habe. Erhofft
aber schon.
Schlechteste Filme:
MARLENE ohne Worte, gell Sepp
HARTE JUNGS mit weicher Birne
DER BARBIER VON SIBIRIEN Leitkultur a la Russland. Und Merz
als Regisseur.
WOMAN ON TOP der Eröffnungsfilm des Münchner Filmfests
- man glaubt es nicht, es stimmt aber leider!
SCARY MOVIE wirklich erschreckend.
DOLPHINS aber ist das überhaupt ein Film?
Der ärgerlichste Film:
DER PATRIOT weil nicht nur schlecht gemacht, sondern auch
faschistoid.
Rüdiger Suchsland
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