23.06.2016
Kinos in München – Maxim schließt

R.I.P. Maxim

Fassadendetail Maxim Kino
Aufgenommen im September 2012:
Das Maxim in der Sommerpause
(Foto: Dunja Bialas)

Das letzte Stadtteilkino in Neuhausen verschwindet. Dass das so ist, entlarvt Mieterhöhung als in München geschickt getarnte Entmietungsstrategie

Von Dunja Bialas


Mit freund­li­cher Unter­s­tüt­zung durch das Kultur­re­ferat München

Filme werden fürs Kino gemacht, hieß es mal in einer Kampagne. Weil dies im Zeitalter von DVD und erhöhten Kino­mieten mehr denn je keine Selbst­ver­s­tänd­lich­keit mehr ist, stellen wir hier besondere Kinos in München vor, die unbedingt einen Besuch wert sind.

Selbst immer neue Ideen und vereinte Kräfte konnten am Ende nicht verhin­dern: Am kommenden Sonntag läuft im Maxim die letzte Vorstel­lung. Es ist das Aus für das letzte Stadt­teil­kino Neuhau­sens, dem Hundert­jäh­rigen, das seit den 80er Jahren Kino­ak­ti­vist Sigi Daiber betrieb (mehr über die jüngere Historie in unserem Kino­por­trait). Mit dem Kino verschwindet das berühmte Decken­fresko, die knar­zenden Holz­dielen, der brummende Ofen, die Holzsitze, die an den Zuschauern vorbei­rau­schende Lands­huter Allee. Weil es keine Zuschauer mehr geben wird. Weil es kein Kino mehr geben wird, an der Lands­huter Allee.

Schon lange kündigte sich das Aus für das hundert­jäh­rige Kino an, das sich als teils boule­var­deskes Drama zwischen einem sicher­lich geld­gie­rigen Vermieter und einem reni­tenten Kino­be­treiber abspielte. Mieter­höhungen im großen Stil konnten durch öffent­lich­keits­wirk­same Auftritte und entspre­chende Appelle an den Vermieter durch einfluss­reiche Stellen in den letzten Jahren noch abge­wendet werden, letztes Jahr kam dann aber dennoch die Kündigung für das Kino. Inzwi­schen war das Maxim wieder­be­lebt worden, es gab Initia­tiven der lokalen Jour­na­lis­ten­aka­demie, es gab »frischen Wind im Maxim«, wie die Filmreihe auf 35mm vor zwei Jahren hieß, orga­ni­siert von Jan Jäger und Moritz Ebnet. Das Festival Bimovie sorgte einmal jährlich für eine cine­as­ti­sche Vitamin­spritze, das Café Ruffini sammelte Geld für neue Kino­sessel. Es gab Enga­gierte, die sich um die heute hervor­ra­gende Website kümmerten und darum, dass wieder das Kino­pro­gramm bekannt gegeben wurde – und dass dort tatsäch­lich ein tägliches Programm lief, was zeitweise nicht mehr der Fall war. Das Maxim war schon lange eine sterbende alte Dame gewesen, bis der Vermieter ihr das Recht auf das Weiter­leben aufkün­digte.

Seit seinem »Raus­schmiss« aus dem Dokfest als Spielstätte des Festivals kehrte so etwas wie Depres­sion im Hause ein. Schließ­lich war Gudrun Geyer, vormalige Lebens­ge­fährtin von Sigi Daiber, die erste Leiterin des Doku­men­tar­film­fes­ti­vals gewesen, jetzt durch­trennte man die Nabel­schnur zur Geburts­stätte. In Daiber regte sich daraufhin zuerst Revo­luz­zer­geist, dann Resi­gna­tion. Er war irgendwie heimatlos geworden, die Einnahmen des Dokfests fehlten in der Jahres­bi­lanz, es ging schlecht, das Kino, ihm. Irgend­wann spielte er nur noch einen Film, Das Phänomen Bruno Gröning, einen drei­tei­ligen Doku­men­tar­film mit einer Gesamt­lauf­länge von 285 Minuten, mit dem er das Kino wochen­lang bespielte. Immer wieder.

Es kamen ernst­hafte Inter­es­senten vorbei, die Lust auf das alte Kleinod an der Lands­huter Allee hatten. Christian Pfeil, Betreiber von Arena und Monopol und ausge­stattet mit dem wichtigen inves­to­ri­schen Glauben an das Fort­be­stehen des Kinos als kultu­rellem Pilgerort, kam und über­prüfte die Möglich­keiten, das Kino in neuer Form zu betreiben. Miriam Tretter, lang­jäh­rige Mitar­bei­terin des Arri-Kinos, stand kurz vor der Unter­zeich­nung des Miet­ver­trags, schreckte dann aber am Ende doch vor der saftigen Netto­miete von 3000 Euro zurück. Wie das einspielen, Reno­vie­rungs- und Betriebs­kosten tragen und dann auch noch davon leben? Ein klarer Fall von Entmie­tung, geschickt kaschiert durch eine über­trie­bene Miet­for­de­rung, was in München nicht weiter auffällt.

Es gab bis zuletzt einen ernst­zu­neh­mende Konkur­renten für die Kinoer­halter, der das Kino zumindest für die darstel­lenden Künste gerettet hätte. Die derzeit heimat­lose Studio­bühne der Thea­ter­wis­sen­schaft hätte sich das Maxim als neuen Proben- und Auffüh­rungs­raum vorstellen können. Auch sie aber kapi­tu­lierten letztlich vor den immens hohen Miet- und Reno­vie­rungs­kosten. Der Miethai behielt Ober­wasser, und angeblich soll jetzt ein Fitness­studio in die Räum­lich­keiten, vor ein paar Monaten wurde noch ein Parkett­laden kolpor­tiert. Wir sind sicher, dass sich in Zukunft die Mieter die Türklinke in die Hand geben werden wie einst in Hoch­zeiten die Kino­be­su­cher. So bleibt wenigs­tens eins erhalten: eine wech­selndes Programm und immer neue Werbe­an­zeigen.

»…ist nie zu Ende« steht als grafi­sches Fragment auf der Maxim-Homepage. Nie zu Ende, nicht der Film, nicht das Kino, nicht das Maxim. So glaubte, hoffte man. Und ahnte doch was anderes. Jetzt ist es da: das Ende.

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Letzte Vorstel­lung: Die Strategie der Schnecke, Abschluss­film einer 104-jährigen Existenz und passen­der­weise ein Film über Entmie­tung. Aus dem Wikipedia-Eintrag: »Mit Gerüsten und Seilzügen bringen die Bewohner das gesamte Inventar und sogar Wände und Böden des Hauses heimlich in ein leer­ste­hendes Nach­bar­haus. Als die Polizei vor der Tür steht, trans­por­tieren sie den letzten Häuser­rest – bis auf die Front­fas­sade – mit Wagen und Lastern zu einem Grund­stück außerhalb der Stadt.«

Die Strategie der Schnecke, Sonntag, 26.6., vermut­lich 19:00 Uhr. Uns ist leider kein Kino­pro­gramm zuge­gangen, der Anruf beim Kino unter 089 / 168 721 ist ein Versuch wert. Unbedingt dafür das Filmfest sausen lassen! Es lohnt sich.