Machete Kills

USA 2013 · 107 min. · FSK: ab 16
Regie: Robert Rodriguez
Drehbuch:
Kamera: Robert Rodriguez
Darsteller: Danny Trejo, Michelle Rodriguez, Sofía Vergara, Amber Heard, Cuba Gooding jr. u.a.
Nicht nur kindisch, eher eine Frage des Geschmacks

Wenn nicht nur die Ladies reichlich gaga sind

Sergio Leone sagte einmal, dass Clint Eastwood zu der Zeit, als er ihn als Haupt­dar­steller für seine Für eine Handvoll Dollar-Trilogie entdeckt hatte nur zwei Gesichts­aus­drücke beherrschte: „mit und ohne Hut“. Ähnliches ließe sich auch über Robert Rodriguez' entfernten Verwandten Danny Trejo sagen. Nur im Unter­schied zu Eastwood trägt Trejo keinen Hut... Trejo musste wohl auch deshalb erst über 60 Jahre alt werden, bevor er in Rodriguez' Exploi­ta­tion-Streifen Machete (2010) seine erste Haupt­rolle bekam. Ursprüng­lich war Machete nur ein Fake-Trailer, der ein Bestand­teil des GRINDHOUSE-Double-Features (Death Proof und Planet Terror) von Quentin Tarantino und Robert Rodriquez war. Doch genau dieser kleine Trailer war mit seinem brachialen Wahnwitz das wohl Beste am gesamten Grind­house-Projekt.

Der allge­meine Zuspruch war jeden­falls so groß, dass Rodriquez drei Jahre nach Grind­house tatsäch­lich den zur Entste­hungs­zeit des Trailers noch nicht konkret geplanten Machete-Spielfilm nach­schieben konnte. Der schön spritzige Vorspann von Machete ließ das Exploi­ta­tion-Herz auch gleich höher hüpfen. Doch danach verpuffte der weitere Film wie ein fehl­ge­zün­deter China-Böller. Nicht nur das geringe Budget war dem Film deutlich anzusehen. Auch das ständige Einbringen von ätzender Sozi­al­kritik bezüglich der Situation der illegalen mexi­ka­ni­schen Einwan­derer in den USA bremste die recht zähe Handlung zusät­z­lich aus. Machete war zwar recht nett, aber auch nicht wirklich gut. Trotzdem kündigte Rodriguez mit unge­bro­chenem Opti­mismus am Ende des Films mit Machete Kills und Machete Kills Again gleich zwei weitere Teile an. Tatsäch­lich wurde Machete zum bisher kommer­ziell erfolg­reichsten Film des Regis­seurs und deshalb erscheint jetzt der zweite Teil Machete Kills.

Statt mit einem Vorspann beginnt Machete Kills mit einem erneuten Fake-Trailer für den noch in den Sternen stehenden dritten Teil. Der heißt inzwi­schen nicht mehr schlicht Machete Kills Again, sondern gar Machete Kills Again – In Space! Mehr muss und soll an dieser Stelle nicht dazu verraten werden. Jeden­falls erweckt der Einstieg mit solch einem Trailer den Eindruck, dass Rodriquez in Machete Kills so richtig aufdreht. Der Film fängt diesmal nicht nur rasant an, sondern kann sowohl sein Tempo, als auch die Gag- und Gaga-Dichte bis zum Schluss sogar noch steigern. Rodriguez hat diesmal wirklich alle kreativen Schrauben in seinem Hirn auf locker gedreht und sich zusät­z­lich noch einen bonbon­bunten mentalen Schnuller verpasst. Das jensei­tige Ergebnis ist absolut Haare sträubend und ein klarer Fall für die Geschmacks­po­lizei. Mit anderen Worten: Dies ist ein Pop-Exploi­ta­tion-Film, wie er zu sein hat! Bereits die Inhalts­an­gabe mutiert deshalb zu einer Chronik des rasenden Wahnsinns:

Gerade wurde Machetes Freundin Sartana (Jessica Alba) im Drogen­krieg ermordet, als der Ex-Federal-Agent bereits seinen nächsten höchst brisanten Auftrag erhält: Der Präsident der USA (Charlie Sheen) höchst­per­sön­lich schickt ihn auf eine höllische Mission: Machete soll den wahn­sin­nigen mexi­ka­ni­schen Kartell­boss Mendez (Demián Bichir) davon abhalten, eine Atom­ra­kete auf Washington abschießen. Das Problem dabei: Mendez hat den Zünder der Bombe so mit seinem eigenen Herzen verbunden, dass der Spreng­satz sofort zündet, wenn das Herz zu schlagen aufhört. Die Ange­le­gen­heit wird auch dadurch nicht besser, dass nur eine einzige Person diese Bombe entschärfen kann: der so reiche, wie psycho­pa­thi­sche Waffen­händler Luther Voz (Mel Gibson). Zur Erfüllung dieser wahn­wit­zigen Mission bleiben Machete genau 24 Stunden. Sollte er scheitern, droht der globale Ausbruch der Anarchie...

Machete Kills ist ein Non-Stop-Feuerwerk der besonders anspruchs­losen Art. Doch wie man im Engli­schen zu sagen pflegt: „The movie aims low and hits the mark!“ Sprich: Rodriguez verzichtet diesmal weitest­ge­hend darauf den Film durch politisch korrekte Botschaften aufwerten zu wollen und suhlt sich statt­dessen völlig ungeniert im absoluten Bodensatz der Filmkunst. Abge­trennte Glied­maßen fliegen, das CGI-Blut spritzt in Strömen, statt realis­ti­schen Frauen gibt es nur scharfe Babes, die bevorzugt mit in ihren BH-inte­grierten Waffen herum­bal­lern und im Zwei­fels­fall ganz eman­zi­piert mit einem Penis-Baller­mann aus der Hüfte heraus nachlegen. Des Weiteren bietet der Film gleich zwei Böse­wichte, die einem James-Bond-Film aus den 60er-Jahren entsprungen zu sein scheinen. Doch damals wäre sicher­lich noch niemand auf Ideen, wie den Herz-Zünder – und das, was später mit diesem geschieht – gekommen. Rodriguez setzt in Machete Kills permanent selbst der dreis­testen Idee noch einmal die absurde Krone auf.

Der Höhepunkt des kreativ-trashigen Pop-Wahnsinns ist erreicht, wenn der unauf­halt­same Killer „El Camelón“ auftritt. Dieser verwan­delt sich immer wieder, indem er sich sein Gesicht wie eine Gummi-Kappe vom Hals aufwärts über den Kopf abzieht. Dabei wechselt er keines­wegs nur dezent die Erschei­nung – schließ­lich ist dies ein Film, in welchem die Vokabel „dezent“ durch völlige Abwe­sen­heit glänzt – sondern verwan­delt sich abwech­selnd von schwarz zu weiß und von Mann zu Frau und wieder zurück. So kommt es, dass diese eine Figur abwech­selnd von so unter­schied­li­chen Mimen wie Walt Goggins, Cuba Gooding Jr., Lady Gaga und Antonio Banderas darge­stellt wird. Machete Kills verab­schiedet sich somit nicht nur von jedem Anschein der Ernst­haf­tig­keit zugunsten voll­kommen unge­bremster Exploi­ta­tion. Letzten Endes ist der Film auch keine reine Exploi­ta­tion mehr.

Es ist sehr passend, dass die exzen­tri­sche Enter­tai­nerin Lady Gaga ausge­rechnet in diesem Film ihr Leinwand-Debüt feiert. Denn die gebürtige New Yorkerin ist nicht nur als eine chamä­leon­gleiche Verwand­lungs­künst­lerin bekannt, sondern spielt auch bei ihren Outfits besonders gerne mit der Welt von BDSM und Fetisch. Aller­dings sagt Lady Gaga selbst, dass das, was sie auf der Bühne und in ihren Videos zeigt, nicht der Welt, die sie in entspre­chenden New Yorker Clubs selbst kennen­ge­lernt hat, entspricht. Was sie präsen­tiert ist nicht reiner Fetisch, sondern eine Pop-Version von Fetisch. Genauso präsen­tiert Robert Rodriguez auch kein Grind­house-Kino im alten Stil, sondern eine Pop-Version von Exploi­ta­tion. Deshalb greifen die Vorwürfe, dass er nicht „the real thing“ verkaufe ebenso ins Leere, wie die Vorwürfe, dass seine Filme einfach nur kindisch sind. Beides ist zwar richtig, aber eher eine Frage des Geschmacks, als eine quali­ta­tive Aussage. Und Geschmack ist, wie bereits gesagt, im Zusam­men­hang mit den Filmen dieses Regis­seurs schlicht eine unpas­sende Kategorie. Man mag es oder man mag es nicht. Aber wenn man es mag, dann dann ist gerade Machete Kills so richtig gut!