Der kleine Vampir

The Little Vampire

D/NL/GB/DK 2017 · 80 min. · FSK: ab 0
Regie: Richard Claus, Karsten Kiilerich
Drehbuchvorlage: Angela Sommer-Bodenburg
Drehbuch: ,
Musik: Vidjay Beerepoot
Momente süßer Erkenntnis

Freundschaft ist süßer als Blut

Im Moment scheint es fast so, als würden die Produ­zenten neuen Stoffen nicht mehr so recht trauen wollen, denn gerade im Kinder­film­be­reich folgt tatsäch­lich eine Lite­ra­tur­ver­fil­mung auf die andere. Sei es Timm Thaler, Robbi, Tobbi und das Flie­wa­tüüt, oder Die Häschen­schule – die Liste ließe sich leicht erweitern. Nun wird ein weiterer deutscher Kinder­buch­klas­siker – Angela Sommer-Boden­burgs »Der kleine Vampir« gar zum zweiten Mal verfilmt. Doch nach dem Realfilm Der kleine Vampir, der immerhin mit dem Deutschen Filmpreis in der Kategorie Bester Kinder­film ausge­zeichnet wurde, hat man sich dieses Mal für eine animierte Adaption entscheiden. Wundern könnte man sich dennoch, doch Ende der 1970er erschienen, atmet die Buchreihe auch heute noch die Aufbruch­stim­mung einer neuen Pädagogik aus, in der das Fremde nicht mehr gefähr­lich, sondern Grund ist, darauf zuzugehen. Also bestes Material für unsere xeno­pho­bi­schen Zeiten.

Dementspre­chend werden auch in der animierten Verfil­mung von Richard Claus und Karsten Kiilerich die Akzente gesetzt. Deutlich wird zwar zum einen das Anders­sein des kleinen, zum 300. Mal seinen 13. Geburtstag feiernden kleinen Vampirs Rüdiger von Schlot­ter­stein gezeigt, doch wird schnell klar, dass die Unter­schiede zu normalen Menschen gar nicht so groß sind, mehr noch als Rüdiger den gleich­alt­rigen Normal­men­schen Anton Bohnsack kennen­lernt und die beiden Jugend­li­chen schnell merken, dass Jugend­lich­sein in unter­schied­li­chen Kulturen gar nicht so unter­schied­lich ist, man muss halt nur genau hingucken.

Proble­ma­tisch wird es erst, als Anton klar wird, dass die Vampire ein Volk sind, die sich vor den normalen Menschen verste­cken, weil es genug Menschen gibt, die sie vernichten wollen. Anton sieht sich schnell verloren zwischen den Fronten stehen und kann keiner Seite zu Anfang so recht klar machen, dass ein genauer Blick mehr hilft als leicht zu formu­lie­rende Vorur­teile. Hier gelingt es den Dreh­buch­au­toren und Regis­seuren, mit leichter Hand die grausamen Mühlen von Frem­den­hass zu zeichnen und auch ihre Folgen – die wahn­wit­zige, völlig außer Rand und Band und bar jeder Vernunft ausar­tende Jagd nach den Fremden, in diesem Fall den Vampiren.

Die liebe­vollen Anima­tionen helfen dabei, nicht nur die hässliche Fratze des Bösen erträg­lich zu machen, sondern auch den Blick frei zu haben, für so etwas wie eine Lösung und vor allem die Hoffnung, dass so düster und schlimm die Lage auch aussehen mag, es immer einen Weg gibt, viel­leicht nicht jeden, aber doch genug Menschen davon zu über­zeugen, es auch einmal anders zu versuchen.

Dass gerade der andere Weg aller­dings immer auch ein Weg des Kompro­misses ist – auch vor dieser gar nicht mal so selbst­ver­s­tänd­li­chen Wahrheit scheut sich Der kleine Vampir nicht: muss der Mensch aufs Fliegen und das ewige Leben verzichten, so müssen die Vampire ebenfalls einen hohen Preis zahlen. Denn die Angst der Menschen kann nur dann abgebaut werden, wenn sie auf ihr Haupt­nah­rungs­mittel, das mensch­liche Blut verzichten. Doch da Freund­schaft allemal süsser als Blut ist, stellt auch diese Forderung kein wirk­li­ches Problem dar.

Dieser im kleinen Vampir stark formu­lierte mora­li­sche Impetus ist an einigen Stellen aller­dings ein wenig zu gut gemeint, fehlt dem Film bei allen seinen Stärken dann und wann der anar­chis­ti­sche Wahnsinn eines Hotel Trans­sil­va­nien 2, der die eng umrissene Geschichte sprengen und auf eine Ebene über­führen könnte, die neben den voll ausge­reizten span­nenden Jagd­szenen und Momenten süßer Erkenntnis auch noch über­ra­schenden Humor haben könnte.