Inglourious Basterds

USA/D 2009 · 154 min. · FSK: ab 16
Regie: Quentin Tarantino
Drehbuch:
Kamera: Robert Richardson
Darsteller: Brad Pitt, Mélanie Laurent, Christoph Waltz, Eli Roth, Michael Fassbender u.a.
Wie Tarantino einmal Hitler umbrachte...

Die Kanonen von Tarantino

Wie soll man eigent­lich mit Nazis umgehen? Wäre es nicht das Beste, sie wirklich einfach an die Wand zu stellen? Nein? So einfach ist die Antwort nicht.
In seinem neuen Film Inglou­rious Basterds [Sic!] gelingt Quentin Tarantino eine sehr persön­liche, sehr kühne Version des Zweiten Welt­kriegs. Der offen­kundig sehr verspielte, jederzeit unter­halt­same Film zeigt alle Qualitäten dieses Regis­seurs, und ist dabei das Gegenteil aller l’art pour l’art – hier wird nicht etwa gewaltsam ein anspruchs­volles, »wichtiges« Thema arti­fi­ziell bana­li­siert. Sondern hier werden das Enter­tain­ment-Kino und manch' banale Mittel verwendet um die – ja, doch – »Banalität des Bösen« zu enthüllen, und um umso eindring­li­cher die Seele des Publikums anzu­spre­chen, seine Mecha­nismen zur Abwehr und Einord­nung von Stoffen zu unter­laufen. Nicht allein deshalb ist dies ein großer und kluger Film. Anders und pathe­ti­scher gesagt: »Inglou­rious Basterds ist ein Film, an dem sich das, was Geschichte, Erin­ne­rung, Erzählung und Kino ist, neu defi­nieren muss.« (Georg Seeßlen)

Märchen für Erwach­sene

»One upon a time in Nazi occupied France« – ein Märchen wird erzählt, das macht bereits dieses Insert ganz zu Beginn unmiss­ver­s­tänd­lich klar. Wie in den meisten Märchen ist die Handlung auch hier einer­seits grund­sätz­lich phan­tas­tisch, ande­rer­seits rührt sie immer wieder ans Unbe­wusste des Publikums und erzählt insofern eine »höhere Wahrheit«. Sie ist mitunter überaus grausam, doch gerade darin bietet sie wiederum ein ums andere Mal erleich­ternde Wunscher­fül­lung. Die Einlei­tung verweist zugleich aller­dings auf das Genre, das den stilis­ti­schen Hinter­grund der ersten zwei Kapitel des Films bildet, und es, nicht weniger unmiss­ver­s­tänd­lich, als Märchen für Erwach­sene charak­te­ri­siert: Den Western und seine Italo-Variante, auch die Western-Pastiches der Art von Sergio Leones Once Upon a Time in America (1983) oder den Filmen Michael Manns, von The Last of the Mohicans (1993) bis zuletzt Public Enemies (2009).

In fünf Kapitel – oder, wenn man so will: Akte –, die jeweils durch eine kurze Schwarz­blende und Zwischenüber­schrift markiert sind, hat Quentin Tarantino seine Inglou­rious Basterds unter­teilt. Das – nach­zu­lesen im Drehbuch, das bereits seit längerem im Netz kursiert – erinnert zum einen an die epische Erzähl­weise des Romans, mehr noch aber an die Struktur des klas­si­schen Dramas. Tatsäch­lich bildet auch hier der fünfte Akt den Punkt, an dem die Erzähl­stränge zusam­men­ge­führt werden, und kulmi­nieren. Jeder der Akte beginnt mit einer kurzen Ouvertüre, die sozusagen den cine­ma­to­gra­phi­schen Kosmos und Erzählton anschlägt, und aufs Folgende voraus­weist.

Juden­jäger und Rache­engel

Die Neuen Rechten bewiesen in der Wochen­zei­tung mit dem lustigen Titel »Junge Freiheit« immerhin Instinkt, indem sie bereits aus Anlass der Cannes-Premiere ihren Hass über dem Film auskü­belten. Sie schwa­dro­nierten über die »Ernied­ri­gung« des »deutschen Michel« und merkten nicht einmal, dass hier, wenn überhaupt nur die Nazis ernied­rigt werden – während Tarantino den Deutschen etwas schenkt, was sie nach­weis­lich nicht hatten: Erfolg­reiche Wider­stands­kämpfer.

Inglou­rious Basterds spielt während des Zweiten Welt­kriegs zwischen 1941 und 1944. Doch er ist weder der Kriegs­film, als der er vermarktet wird, noch das Remake jenes italie­ni­schen B-Movies The Inglo­rious Bastards (ein Haufen Verwe­gener Hunde)von Enzo G. Castel­lari aus dem Jahr 1978, als der er ange­kün­digt wurde – von dem der Film aber tatsäch­lich nur den Titel borgt, und die eine seiner vielen Ausgangs­ideen: Ein alli­iertes Killer­kom­mando macht hinter den Linien der Wehrmacht Jagd auf Nazis.
Dieses Treiben selbst wird dann hier aber im Gegensatz zum Vorläufer nur lose umrissen. Die beiden anderen zentralen Erzähl­teile des Films sind die Geschichte des SS-Oberst Landa, eines berüch­tigten »Juden­jä­gers«, sowie der jungen Jüdin Shosanna. Nachdem Landa deren ganze Familie ermordet hat, und sie im besetzten Paris unter falscher Identität ein Kino betreibt, bietet sich ihr durch Zufall die Gele­gen­heit eines Attentats auf die NS-Führungs­riege. Am Abend des Attentats laufen dann in Shosannas Kino – Akt V.: »Revenge of the Giant Face« – alle Stränge zusammen.

Wie man die Pop-Kultur vor dem Nazi-Kino retten könnte...

Quentin Taran­tinos Kino ist seit jeher zweierlei: Es ist Fetisch­kino, verliebt in Objekte und Dekors, das auch seine Darsteller immer wieder in Objekte und Dekors zerlegt. Dem Formalen wird hier unbedingt der Vorzug vor der Handlung gegeben, ohne das die Filme deshalb je anti-narrativ werden; indem der Film in ein Reich fort­lau­fender, einander spie­gelnder Zeichen aufge­fächert wird, wird der Stil und das Vergnügen am – offen­kun­digen, wie entle­genen – film­his­to­ri­schen Zitat (in diesem Fall vor allem aus dem fran­zö­si­schen 40er-Jahre Kino) vielmehr selbst zum wesent­li­chen Mittel der Narration.

So greift der Film in Dekors, Gesten und – bei Tarantino zentral – Musik unter anderem zurück auf die Stil­mittel des Horror­kinos, des fran­zö­si­schen Melodrams, des Film Noir und vor allem des Italo-Western – nicht nur weil Tarantino dies liebt, sondern auch weil diese Genre eine bestimmte Form bieten, von Gefühlen und in diesem Fall vom Bösen zu erzählen, die sich anders nicht bietet. Um das Böse aber muss es ja gehen, wenn von den Nazis und ihren Verbre­chen die Rede ist. Zugleich gehören die genannten Genre zu den wenigen, die vom Kino der NS-Zeit, von den Ufa-Filmen der Ära des Propa­ganda-Ministers Goebbels, im Großen, Ganzen nicht konta­mi­niert worden sind. Denn die – hervor­ra­gende, allzu oft igno­rierte – Frage, die Taran­tinos Film noch einmal stellt, und um die er letzten Endes in jeder Einstel­lung kreist, ist, wie man denn die Nazizeit darstellen könnte, ohne ihrer Ästhetik zu verfallen, wie man das Kino und überhaupt die Pop-Kultur vor dem Nazi-Kino retten könnte.

Dass unsere Popkultur – von den Werbe­clips bis zu Spor­tüber­tra­gungen, von Rock-Konzerten bis zum Block­bus­ter­kino – sich nur selten ganz aus dem Schatten der NS-Ästhetik lösen kann, darauf hat in Deutsch­land zuletzt der Film­kri­tiker Georg Seeßlen immer wieder aufmerksam gemacht. Einer, der die Popkultur so liebt, wie Tarantino, kann das nicht übersehen. Natürlich weiß auch Tarantino, dass manche Filme des Dritten Reichs zwar politisch ekelhaft sind, und man davon ihre Bild­sprache auch nicht trennen kann, dass man aber zugleich um diese Bild­sprache auch nicht immer herum­kommt, und – und hier sind wir beim Feti­schismus – nicht immer herum­kommen will. Dabei ist Taran­tinos Film wie sein bishe­riges Werk dieser Bild­sprache so ganz und gar nicht verpflichtet, viel weniger als zum Beispiel die Fass­bin­ders. Um so eher kann er sich leisten, hier ein paar mal offen mit ihr zu spielen.

Nazis waren auch Menschen. Aber auch Seri­en­killer; auch Monster; auch Körper­fresser...

Zugleich ist Taran­tinos Kino trans­gressiv, ein Kino der lust­vollen Über­schrei­tung des Erlaubten. Im Histo­ri­en­drama muss das auch heißen: der histo­ri­schen Wirk­lich­keit. Es gehört zu den merk­wür­digen (Schein-)Para­do­xien des so kreuz­braven wie erzlang­wei­ligen, routi­nierten Histo­ri­en­kinos, dass die Beflis­sen­heit in den Fakten mit histo­risch-poli­ti­schem Eska­pismus einher­geht. Der Rückgriff aufs Genre­ki­no­wirkt hier als Befreiung von allen Stereo­typen und Konven­tionen. Inglou­rious Basterds ist somit zwar ein Film, der gar nicht in irgend­einer Weise an beleg­baren Fakten inter­es­siert ist. Authen­ti­zität strebt der Film gleich­wohl an. Sie liegt aber woanders: In der »höheren Wahrheit«: Dass die Nazi-Mörder zwar »auch Menschen« waren, wie die Macher des »Untergang« betonten, und es der Diskurs des politisch Korrekten vorgibt, dass sie aber als Menschen zu Seri­en­kil­lern und Monstern wurden, und insofern auch als solche zu zeichnen wären. Insofern wäre der Mons­ter­film, wäre das Horror- und Seri­en­kil­ler­kino nicht weniger ange­messen, um eine Wahrheit der NS-Verbre­chen zu erzählen, als es jene Filme sind, die – vom Der Untergang über Der Neunte Tag bis zu Sophie Scholl und Valkyrie – immer wieder NS-Täter als »talking killer« präsen­tieren, als Mörder mit mensch­li­chem Antlitz, mit Argu­menten, zum Teil sogar nach­voll­zieh­baren, und mit Vers­tändnis oder gar humanen Regungen für ihre Opfer. Zu solchen Zugängen, die im Vergleich als das wahre Exploi­ta­tion-Kino erscheinen, präsen­tiert der vermeint­lich exploi­ta­tive Inglou­rious Basterds einen bewussten Gegen­ent­wurf – ähnlich wie er etwa schon von Guillermo del Toro in Pan’s Labyrinth vorge­macht wurde. Inglou­rious Basterds ist damit in allem DAS Gegen­s­tück zu Valkyrie; kein beflis­senes, depres­sives, graues, ernstes Histo­ri­en­drama, bei dem man ganz schnell vergisst, was eigent­lich noch einmal genau das Problem mit den Nazis war. Sondern bunt und grell, eben so pervers, wie die Jahr­hun­dert­ver­bre­cher selbst, eine – dabei kontrol­lierte, fein abge­wo­gene – Über­schrei­tung der histo­ri­schen Wirk­lich­keit, der diese dadurch umso sicht­barer macht.

Armee im Schatten

Was der Film auch enthüllt: Die bislang völlig unaus­ge­schöpften Möglich­keiten des deutschen Kinos, und damit aber auch des Kinos überhaupt. Das bestrifft zum einen die Darsteller: Chris­to­pher Waltz als büro­kra­ti­scher Nazi-Dämon, als milcht­rin­kender Teufel, der mit leicht öster­rei­chi­schem Akzent und gewin­nendem Haifisch­lächeln Sätze sagt wie »The Führer couldn’t have said it better himself.« oder »There is always a slight dupli­ca­tion of efforts.« Daniel Brühl ist zum ersten Mal ein Mann, kein Milchbubi, und er ist zum ersten Mal ein Bösewicht, dem man das Unnette glaubt. Til Schweiger ist endlich mal nicht lächer­lich.

Eine zweite Leistung dieses Films betrifft es die Form. Symbo­lisch steht Inglou­rious Basterds für eine allge­meine Beob­ach­tung: Die Aufwer­tung des Genres und die Wieder­kehr der B-Movies. Von US-Krieg­filme wie Das dreckige Dutzend, von den Sadico-Nazista-Fimen der Italiener. Gerade die Zeit des Zweiten Welt­kriegs kehrt zur zeit auffalend ins Kino zurück, bezeich­nen­der­weise bislang aber nur im Ausland – in Deutsch­land finden die entspre­chenden Filme keinen Verleih. Das gilt für Robert Guédi­guians L’armee du crime, einen im Paris der vierziger Jahre ange­sie­delten, auf Fakten beru­henden Wider­stands­film, der von der Gruppe um den arme­ni­schen Emigranten Missak Manou­chian erzählt, der seit 1941 eine Gruppe jugend­li­cher Immi­granten um sich scharte, und mit ihnen gegen die deutschen faschis­ti­schen Besat­zunger kämpften. Die 22 Männer waren jüdischer, polni­scher, italie­ni­scher, spani­scher und arme­ni­scher Abstam­mung. Sie töteten diverse deutsche Soldaten, Offiziere und ranghoher SS-Würden­träger. Der Film selbst knüpft an die Tradition von Jean-Pierre Melvilles Armee im Schatten an.

Blondes Samurai-Girlie gegen deutsche Truppen und Kreuz­ritter

Noch näher dran am Geist und Ansatz von Tarantino ist First Squad: The Moment of Truth vom Japaner Yoshiharu Ashino: Die ersten Bilder zeigen einen roten Balken, der von rechts oben nach links unten schießt. Gesichter wechseln im Stakkato-Rhythmus und Schrift­züge erscheinen in moder­nis­ti­scher Type auf der Leinwand – dann plötzlich wechselt das Bild, das gerade noch an die sowje­ti­sche Plakat­kunst der zwanziger Jahre erinnert hatte, in ein nicht ganz scharf­ge­sto­chenes Schwarz­weiß. Man sieht eine schnee­be­deckte Land­schaft, einen weißgrauen Himmel, der plötzlich von dutzenden Fliegern der deutschen Luftwaffe mit bedroh­lich schwarzen Schatten bedeckt wird. Es folgen Panzer, »Säube­rungen« mit dem Flam­men­werfer, Soldaten, die mit Schä­fer­hunden Jagd nach Menschen machen. Auch diese Bilder des Terrors hinter der Ostfront im Herbst 1942 bleiben nur kurz auf der Leinwand stehen, dann springt der Film in eine Idylle in Grün und Sonnen­blu­men­gelb, die schnell als Erin­ne­rungs­traum entlarvt ist, bevor die Haupt­figur, das junge Waisen­mäd­chen Nadja, ihren Kampf aufnimmt gegen Nazis und Deutsch­her­ren­or­dens-Kreuz­ritter zu Pferde, die als Dämonen des Mittel­al­ters mitten im Zweiten Weltkrieg wieder­auf­er­standen sind. First Squad: The Moment of Truth erlebte jetzt in Locarno seine inter­na­tio­nale Premiere – ein Höhepunkt der dies­jäh­rigen Retro­spek­tive zum japa­ni­schen Anima­ti­ons­film. In der Geschichte, die Ashino und das renom­mierte »Studio 4°C« (Animatrix) erzählen, kämpft ein blondes russische Girlie mit japa­ni­schem Einschlag und Samurai-Schwert in einer Elite­ein­heit gegen die deutschen Truppen und ihre Helfers­helfer aus dem Geis­ter­reich.
Der Kostüm­film, der histo­ri­sche Details weniger wichtig nimmt, als die grund­sätz­liche Haltung, treibt auch das Spiel mit Stilen und Zitaten aus der Kultur­ge­schichte: Eisen­steins Filme, futu­ris­ti­sche und konstruk­ti­vis­ti­sche Malerei, sowje­ti­sche Musik aus den 30ern, Märchen und japa­ni­sche Popkultur sind noch längst nicht alles, was in diesem Potpourri zusam­men­ge­wir­belt wird, das trotz seiner Wildheit immer Sinn ergibt. Die Einfälle, die hier auf den Betrachter eins­türzen, könnten für drei Filme reichen, konden­siert zu den nur knapp 70 Minuten ist First Squad... ein großar­tiger, ebenso kurz­wei­liger wie intel­li­genter Film.

Keine »jüdische Rache­phan­tasie«

Inglou­rious Basterds aber noch mehr. Es ist, und das ist ganz wichtig, auch eine Komödie. Man muss dabei natürlich an Mel Brooks und dessen The Producers denken. Doch die Nazis, bzw. faschis­to­ides Gedan­kengut mit Humor, auch dreistem, und mit kalku­lierten Tabu­ver­let­zungen und Brüchen des »guten Geschmacks« zu bekämpfen, das versuchten aber schon Ernst Lubitsch und Charlie Chaplin. Auch ihre Filme der vierziger Jahre – die dem Wissen um das Ausmaß und die mora­li­sche Dimension der Shoah voraus­gingen – stehen so bewusst wie provo­kativ gegen ein mindes­tens naives Aufklä­rungs­kino, wie noch stärker gegen den Histo­rismus jener bewusst abwie­gelnden Geschichts­schinken a la Der Untergang oder Schlach­ten­ge­mälde wie Stalin­grad.

Hier liegt die Moral von Inglou­rious Basterds: Dies ist ein Film über und gegen Kolla­bo­ra­tion, zuerst und vor allem über die visuelle mancher Filme­ma­cher. Ein Film, der die Kolla­bo­ra­tion der Franzosen mit den Nazi-Besatzern ebenso beim Namen nennt, wie die (indi­rek­tere) Kolla­bo­ra­tion der Ameri­kaner und Briten nach dem Krieg, als man deutsche »Experten« zu Hauf in eigene Dienste stellte, und ihre Verbre­chen zu vergessen bereit war, weil man Helfers­helfer im Kalten Krieg wollte. Aber nie vergisst der Film dabei klar zu machen, dass durch solche Kritik sich keines der Verbre­chen der Deutschen rela­ti­vieren lässt. Weil Tarantino auch auf der mora­li­schen Ebene universal argu­men­tiert, ist es auch eine Infamie, wenn dieser Film mitunter als »jüdische Rache­phan­tasie« (oder »Weinstein Brothers ultimate fantasy«) bezeichnet und damit auch abgetan wird.
Dieser Film ist keine Rache­phan­tasie. Sehr wohl aber ist dies Wunscher­fül­lungs­kino. Tarantino macht sich und uns seine Kinder­träume wahr.

Über­schreiben, Übermalen, Verfäl­schen, Abweichen

Was tut Tarantino außerdem? Er spielt mit visuellen Versatz­stü­cken: Sein Frank­reich sieht aus, wie eine Western­land­schaft von John Ford, sein Paris wie das Warschau in Lubitschs To Be or Not to Be. Großartig in ihrer Doppel­bö­dig­keit und Schönheit ist die Kamera Robert Richard­sons. Erzählt ist der Film im herkömm­li­chen Sinne undis­zi­pli­niert und unöko­no­misch – die ganz Tarantino-typische Mischung eines Films, der zugleich Auto­ren­kino und B-Movie ist, Auto­ren­kino im Stil von Visconti (Die Verdammten) und Truffaut (Die letzte Metro), B-Movie der niveau­vol­leren Sorte a la Die Kanonen von Navarone. Auto­ren­kino ist dies vor allem in der Aufmerk­sam­keit für Details, in der Geduld, die der Film – ganz Tarantino-typisch- für ellen­lange Dialog­pas­sagen hat, in dem Spaß am Spiel mit vier Sprachen und unzäh­ligen Akzenten – ohne dabei aber je auch nur im Ansatz langatmig zu wirken. Es ist dies auch Auto­ren­kino durch seinen ständigen virtuosen Bruch mit den Erwar­tungen der Zuschauer, in den Finten der Erzählung. Eine solche Finte ist bereits der Titel. Man beachte auch die bewusst falsche Schreib­weise. Spielt sie auf die ungebaue deutsche Aussprache der »Bastards« an? Ist dies ein Spiel mit der Idee des Über­schrei­bens, Über­ma­lens, Verfäl­schens, der Abwei­chung als solcher? Seiten­lang könnte man nun im Hinblick auf Sprach­ge­brauch, auf Kommu­ni­ka­tion und ihre Defizite einzelne Szenen analy­sieren. Manchmal ist das alles fast ein bisschen zu intel­lek­tuell, um ganz großes Kino, denn das heißt dann ja auch: selbst­ver­ges­senes Kino, zu sein.

Taran­tinos Triumph des Willens

Trotzdem: Dieser Film ist, wie alle Filme Taran­tinos, überaus unter­haltsam – voraus­ge­setzt jeden­falls, man kann mit der Erzähl­weise des Regisseur ein wenig anfangen. Es ist – neben Kill Bill und Jackie Brown – sein bester Film. Denn in diesem Fall hat der Regisseur wirklich etwas zu sagen. Und er hat einen starken Gegner, den er atta­ckiert. Zugleich ist dies, spätes­tens, wenn am Ende in einem Kinosaal, während eines NS-Propa­gan­da­films, der wiederum sich um 180 Grad dreht und in Anti­pro­pa­ganda verwan­delt, Hitler tatsäch­lich ermordet wird, eine Feier der Macht des Kinos: Als Ort von Leben und Tod, seines Vermögens, Gang der Geschichte zu ändern, der Phantasie, den Wunsch­vor­stel­lungen freien Lauf lassen. Ein Triumph des Willens: Was sich das deutsche Kino bis heute nicht traut: Den toten Hitler zu zeigen, sein Gesicht und damit den Mythos selbst zu versehren, den untoten Wieder­gänger der Geschichte sterben zu lassen, das tut dieser Film. Auch das könnte als Befreiung wirken.

(to be continued)