Blood Work

USA 2002 · 108 min. · FSK: ab 16
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch:
Kamera: Tom Stern
Darsteller: Clint Eastwood, Jeff Daniels, Wanda De Jesus, Tina Lifford u.a.
Herr Eastwood bei Frau Dr. Houston

Zu stark für Schwächen

Es gab Zeiten, da waren Action­helden schweigsam, hart, entschlossen und kompro­misslos. In dieser Tradition standen auch die Rollen von Clint Eastwood, als er mit Filmen wie Für eine Hand voll Dollar oder Dirty Harry seine Karriere begrün­dete. Doch Eastwoods Figuren erreichten dabei einen solchen Grad an Coolness, dass sie bei einer weiteren Stei­ge­rung wohl zwangs­läufig erstarrt wären. Deshalb begann Eastwood als einer der ersten, das Klischee des Action­helden vorsichtig aufzu­bre­chen, manchmal drama­tisch, meist aber ironisch, und ebnete damit den Weg für süffi­sante Action­stars wie Mel Gibson oder Bruce Willis.

Heute ist Eastwood 72 Jahre alt, ein Alter, in dem es (selbst wenn man wollte) wenig Sinn macht, den jugend­li­chen Haudegen zu geben. Eastwood fügt sich dem, dreht den Spieß einfach um und spielt gebro­chene, müde, alte, zynische Männer (etwa in Unfor­given, Space Cowboys),denen er dann aber eine ordent­liche Portion seiner alten Coolness und Härte mit auf den Weg gibt. Sein aktueller Film Blood Work, bei dem er einmal mehr die Regie und die Haupt­rolle übernahm, läuft genau nach diesem Muster ab.

Dabei beginnt alles ganz klassisch. Terry McCaleb (Eastwood) ist FBI-Profiler und wird an einen Tatort gerufen, an dem ein Seri­en­killer wieder einmal einige Leichen und eine mit Blut geschrie­bene Nachricht für ihn hinter­lassen hat. Das geheim­nis­volle Katz-und-Maus Spiel zwischen dem Profiler und dem Mörder wird über­ra­schend schnell konkret, als McCaleb den Killer in der Menge vor dem Tatort entdeckt und (der zahllos herum­ste­henden Poli­zisten zum Trotz) alleine die Verfol­gung aufnimmt. Ein Herz­in­farkt McCalebs beendet vorzeitig diese Jagd, der Killer entkommt und der Film setzt zwei Jahre später wieder ein.

Der harte Cop ist nun im Ruhestand, wohnt auf einem gemüt­li­chen Hausboot und in seiner Brust schlägt ein neues Herz, das ihm umgehend neue Probleme einbringt, da es von einer jungen Frau, die Opfer eines Gewalt­ver­bre­chens wurde, stammt. Die Schwester des Opfers (Wanda de Jesus) bittet McCaleb, als »Preis« für das Herz, eine letzte Ermitt­lung durch­zu­führen und denn Mörder zu finden. Es dauert nicht lange, bis auch der alte Wider­sa­cher McCalebs neue Tote und kryp­ti­sche Spuren hinter­lässt und somit für weitere Probleme sorgt.

Geschichten vom kranken Fahnder, wie etwa dem höhen­kranken Jimmy Stewart in Vertigo oder, erst kürzlich, dem schlaf­losen Al Pacino in Insomnia, sind meist sehr reizvoll, da sie am Mythos des unver­wund­baren und unfehl­baren Geset­zes­hüter kratzen. Blood Work hätte diese Möglich­keit auch gehabt, spielt sie in einigen wenigen Szenen auch geschickt aus, doch auf den ganzen Film gesehen, ist die Krankheit McCalebs nur ein beliebig einge­setzter McGuffin. Der Regisseur Eastwood ist scheinbar nicht stark genug, den Schau­spieler Eastwood als echten Schwäch­ling zu zeigen.

Wie viel sind die Szenen, in denen er seine Pillen schluckt oder schwer atmend an einem Telefon steht oder kein Auto fahren darf oder sich anhören muss, wie schlecht er aussieht, wert, wenn er im nächsten Moment Türen eintritt, sich wilde Schieße­reien liefert und sich vor einem heran­na­henden Auto mit einem Hecht­sprung rettet? Dass an seiner strammen und breiten Brust, trotz häßlicher Opera­ti­ons­narbe, immer noch Platz für eine hübsche Frau auf der Suche nach Zärt­lich­keit ist, versteht sich dabei von selbst.
Ab einem gewissen Punkt des Filmes erwartete man regel­recht, dass sich Eastwood vor einem weiteren male­ri­schen Sonnen­un­ter­gang vertrau­ens­voll der Kamera zuwendet und erklärt: »Ja, ich hatte eine Herz­ope­ra­tion. Aber heute kann ich all die Sache von früher wieder machen, dank Sani­med­tri­podal. Ich würde mit meinem Arzt reden.«

Ohne das Handicap McCalebs bleibt aber nur ein schlichter Psycho­thriller zurück, der sich zudem zu sehr in der Kiste mit Klischees und Versatz­stü­cken des Genres bedient und selbst in der Zusam­men­stel­lung der einzelnen Bausteine keine wirklich neuen Aspekte bietet.
Bleibt die Frage, welchen Anteil an der dünnen Geschichte der oscar­de­ko­rierte Dreh­buch­autor Brian Helgeland hat, der schon sehr gute Dreh­bücher wie zu L.A. Confi­den­tial oder Payback (bei denen er auf sehr gute Roman- bzw. Film­vor­lagen bauen konnte) geschrieben hat, der aber auch Unsinn wie A knight’s tale zu verant­worten hat.

Im schau­spie­le­ri­schen Bereich ist Blood Work ähnlich belanglos bis enttäu­schend. Eastwood kann sich eben nicht von seinem alten Image verab­schieden, Anjelica Huston bleibt als resolute Ärztin weit hinter ihren üblichen Fähig­keiten zurück und Jeff Daniels als gammelnder Nachbar ist so (gut?) wie Jeff Daniels eben sein kann. Die restliche Besetzung setzt sich aus mehr oder minder bekannten (und begabten) Schau­spie­lern zusammen, wobei die Regie hier so manchen Fehler macht, wenn etwa der lati­no­ame­ri­ka­ni­sche Schau­spieler und Komiker Paul Rodriguez als Detective Arrango durch sein endloses Gelabere nervt, während sein Partner Det. Waller (darge­stellt vom durchaus begabten Dylan Walsh, zu sehen etwa in Nobody’s fool) im ganzen Film keine fünf Sätze sagen darf.

Ansonsten leistet der Routinier Eastwood bei der Regie solide Arbeit, die keine tech­ni­schen Fehler aufweist, die einen aber (so wie die Musik oder die Bild­ge­stal­tung) auch nie wirklich über­wäl­tigt.
Manchmal ist seine Insze­nie­rung beinahe rührend anti­quiert, wenn etwa bei einer nächt­li­chen Verfol­gungs­jagd der im Halb­dunkel kaum zu erken­nende McCaleb über einen hohen Zaun springt, unsanft auf der anderen Seite, hinter einigen (die Sicht verde­ckenden) Kartons landet und der perfekt ausge­leuchtet und frisch frisierte Clint Eastwood hervor­tritt.

Blood Work bietet somit durch­schnitt­liche Unter­hal­tung, die weder die echten Fans dieses Genres über­zeugen wird, noch die Erwar­tungen an Clint Eastwood, der als Regisseur einige sehr gute Filme gemacht hat, erfüllt.
Ein sehr inter­es­santer Aspekt ergibt sich aller­dings, wenn man kurz vor Blood Work Michael Moores Bowling for Columbine gesehen hat. Nun ist Clint Eastwood selbst­ver­s­tänd­lich weit davon entfernt, ein starr­sin­niger Waffen­fe­ti­schist wie Charlton Heston zu sein, aber die selbst­ver­s­tänd­liche Allge­gen­wart, mit der in Blood Work (wie in zahllosen anderen ameri­ka­ni­schen Filmen) Waffen vorhanden sind und (als »Problem­löser«) einge­setzt werden, sieht man nach Moores Film mit anderen Augen.

Weißer Jäger schwarzes Herz hieß einst Clint Eastwoods Spielfilm-Porträt der Regie-Legende John Houston. Der Titel hätte auch prima zu Eastwoods neuestem Werk gepasst.

Terry McCaleb, FBI-Profiler im Renten­alter, ist einer dieser law & order-Machos, dieser großen, harten, weißen Jäger, die Eastwood im Lauf seiner Karriere oft gespielt hat (wohl­ge­merkt: Gespielt!). Und die er stets mit Genuss auf eine Welt prallen ließ, die zu zivi­li­siert und kompli­ziert geworden ist für deren Cowboy-Menta­lität. Aber noch nie ist einem von ihnen dabei das »Andere«, Ausge­grenzte, so nahe gerückt wie McCaleb: Nach einem Infarkt wird ihm das Herz einer Latina einge­pflanzt – er trägt das Nicht-Männliche, Nicht-Weiße nun im eigenen Körper, es hält ihn am Leben.

Der Kampf gegen Abstoßung wird nicht leicht, denn die Spenderin war Opfer eines Mordes, und ihre Schwester Graziella (Wanda De Jesus) verlangt, dass McCaleb den Killer findet. Der Mord entpuppt sich bald als keines­wegs zufällig, die Fährte des einzigen McCaleb entkom­menen Seri­en­mör­ders wird wieder heiß. Und das, wo der Ex-Polizist viel schlafen, nicht rennen, sich nicht aufregen soll und selbst zum Auto­fahren auf seinen Hausboot-Nachbarn Buddy (Jeff Daniels) ange­wiesen ist.

Eastwood, der in diesem Film auch die eigene Vergäng­lich­keit halb ironisch, halb bitter­ernst zum Thema macht, muss niemandem mehr etwas beweisen: Er insze­niert in wohl­ge­reiftem, erzklas­si­schem Stil, hat vor allem sichtlich Freude an der Arbeit mit Schau­spie­lern, die bis in Neben­rollen (John Houstons Tochter Anjelica als Ärztin!) erste Wahl sind. Weil richtig klassisch erzählte Stories in sich geschlos­sene Systeme sind, läßt sich die Identität des Killers unschwer vorzeitig erraten – groß ist die Auswahl nicht. Und ganz klassisch wird dieser eine Böse dann am Ende zur Perso­ni­fi­zie­rung aller Verun­si­che­rung, aller Grenz­auf­lö­sung – die mit brutaler Gewalt (mund)tot gemacht wird.

Doch so leicht läßt sich hier zum Happy End ein Kern der Perver­sität nicht exor­zieren, aus dem Leib treiben: Das Herz, das sich Grazi­ellas Liebe erobert hat, in McCaleb, das sie nachts in seiner Brust pochen hören wird, bleibt das Herz ihrer Schwester.