25.09.2014

Expe­di­tionen fernab der Strömung

Nordische Filmtage
Kimmo Koskelas Soundbreaker

Die Nordischen Filmtage zeigen Sehenswertes aus Finnland, Dänemark, Schweden und Norwegen

Von Natascha Gerold

Krimis und Jazz aus Schweden und Norwegen, Kult­se­rien aus Dänemark, ein „cooles“ Finnland als Ehrengast bei der dies­jäh­rigen Frank­furter Buchmesse mit vielen ausge­fal­lenen Live-Acts sind nur einige der populären skan­di­na­vi­schen Kultur­ex­porte. Und im Film? Düstere Fami­li­en­ge­mälde, aufwen­dige Dramen, cine­as­ti­sche Expe­ri­mente, die sich einem Manifest ver- und Film­ge­schiche geschrieben haben, schwarze aber­wit­zige Komödien – das alles kam in den vergan­genen Jahr­zehnten aus Skan­di­na­vien und hat uns erfolg­reich in die heimi­schen Kinos geholt.

Einen aktuellen Überblick über das filmische Schaffen im hohen Norden geben die Nordi­schen Filmtage, die die Medi­en­gruppe München in Zusam­men­ar­beit mit dem Münchner Kultur­re­ferat vom 26. September bis 2. Oktober in den Museum Licht­spielen veran­stalten. Festivals wie diese dienen nicht nur dazu, den Bekannt­heits­grad der Filme aus den jewei­ligen Regionen zu erhöhen. Sie verschaffen den Werken, beispiels­weise Künst­ler­por­träts, den Zugang zu einem Publikum jenseits der (heimi­schen) Fange­meinde des Prot­ago­nisten im Fokus. Ganz sicher ist dies der Fall bei dem finni­schen Hyper-Akkor­deo­nisten Kimmo Pohjonen, den Kimmo Koskela in Sound­breaker (Fr., 26.09. 19 Uhr) porträ­tiert. Koskela, dessen Hingabe an unter­schied­liche Kunst­formen sich unter anderem in seinen Tanz­filmen und Instal­la­tionen wider­spie­gelt, zeigt den Tasten­vir­tuosen in Räumen und an Schau­plätzen, die so unge­wöhn­lich, roh und einzig­artig scheinen wie dessen Spiel.

Pohjonen ist ein Grenz­gänger, ein Aben­teurer, der wissen will, was möglich ist. Diese unbe­zwing­bare Energie bringt ihn in die geistige Nähe des norwe­gi­schen Ethno­logen Thor Heyerdahl (1914-2002), der im Mittel­punkt von zwei Filmen der Nordi­schen Filmtage steht: Während Heyer­dahls Doku­men­tar­film Kon-Tiki (Di., 30.09. 19 Uhr) von 1947 den Zuschauer die 8000 Kilometer lange Odyssee von Peru nach Poly­ne­sien im nach India­ner­technik zusam­men­ge­bauten Balsafloß miter­leben lässt, beschreibt der gleich­na­mige Spielfilm Kon-Tiki (Mi., 01.10. 18.45 Uhr) von Joachim Renning und Espen Sandberg die Hinter­gründe des Wagnisses, das die fünf­köp­fige Crew um Heyerdahl auf sich nahm. Es empfiehlt sich, in beide Filme zu gehen, da das Bio-Pic es möglich macht, das am Vortag erlebte, Oscar-prämierte Origi­nal­ma­te­rial im Rückblick nochmal mit anderen Augen zu sehen.

Einen ganz anderen biogra­phi­schen Spielfilm drehte der Schwede Per Fly: Jedem seiner Lands­leute ist die Jazz­sän­gerin Monica Zetter­lund ein Begriff, jeder weiß von ihrer beispiel­losen Karriere, die Ende der 1950er Jahre startete, ihrem Rückzug von der Bühne und ihrem tragi­schen Tod 2005, als sie, im Bett liegend, das Feuer in ihrer Wohnung nicht bemerkte. Mit Ein Walzer für Monica (27.09. 19 Uhr) wollte Fly seinen Lands­leuten vor allem ein Alter­na­tiv­an­gebot machen, wie sie den Star von einst erinnern könnten: In elegant-pracht­voller Ausstat­tung zeigt er Zetter­lunds Aufstieg zur talen­tierten Jazz-Queen, aber auch ihre Exzesse und Rück­schläge. Beacht­lich ist die Leistung von Edda Magnason: die Musikerin gab in der Rolle der Zetter­lund ihr Schau­spiel­debüt und inter­pre­tierte sämtliche Songs im Film selbst.

Die Natur braucht den Menschen nicht, hat ihn noch nie gebraucht. Er konnte immer nur versuchen, sich ihre wandel­bare Schönheit mit seinen Worten erklärbar zu machen. So entstanden Sagen, Legenden und Mythen, wie sie im finni­schen Doku­men­tar­film Wunder des Waldes (So., 28.09. 19 Uhr) von Ville Suhonen und Kim Saar­niluoto zu hören sind, während man ihren über­ra­genden Natur­auf­nahmen aus den Urwäldern des finni­schen Nordens durch die Jahres­zeiten folgt. Dras­ti­scher und schmerz­hafter kann der Kontrast nicht sein, wenn man diesen magischen Momenten die grausamen Sequenzen von Massen­tier­hal­tung und -schlach­tung aus dem ebenfalls finni­schen Doku­men­tar­film Canned Dreams – Träume in Dosen (Mo., 29.09. 19 Uhr) gegenüber­stellt: Regis­seurin Katja Gauriloff begibt sich darin auf inter­na­tio­nale Spuren­suche jeder Produk­ti­ons­zutat einer ordinären Dose Ravioli. Die scho­ckie­renden Schau­plätze gleichen oft denen von Nikolaus Geyr­hal­ters Doku­men­tar­film Unser täglich Brot. Doch im Gegensatz zum Öster­rei­cher, bei dem die an der Nahrungs­mit­tel­her­stel­lung betei­ligten Menschen lediglich wie ein weiteres willen­loses Glied im Produk­ti­ons­pro­zess scheinen, lässt die Finnin die Arbei­te­rinnen und Arbeiter jeweils ihre ganz persön­li­chen Geschichten im Off erzählen – und gibt den in einer entmensch­lichten Branche Tätigen die Würde zurück, die die Uner­bitt­lich­keit des Gezeigten und seine Absur­dität noch schwerer erträg­lich macht.

Wer sich über diesen soge­nannten Sommer hier­zu­lande im Nach­hinein mit einer roman­ti­schen Komödie hinweg­trösten möchte, sollte sich Love Is All You Need (Do., 02.10. 18.45 Uhr) der Dänin Susanne Bier ansehen. Ein ungewohnt ruppiger Pierce Brosnan als smarter Geschäfts­mann, eine liebens­werte unkom­pli­zierte Braut­mutter in Nöten, über­ra­schende Plot-Turns und spaßige Hoch­zeit­stur­bu­lenzen vor der male­ri­schen Amalfi-Küsten­ku­lisse lassen uns dran glauben: Es kann alles nur besser werden …

Die Nordi­schen Filmtage vom 26. September bis 2. Oktober ist eine Veran­stal­tung der Medi­en­gruppe München mit der Unter­s­tüt­zung des Kultur­re­fe­rates der Landes­haupt­stadt München.