08.11.2012

Neues von den Geier­wallis

Glenn Close in »Albert Nobbs«
Die Glenn Close als distinguierter Viktorianer-Butler in
Albert Nobbs

Bimovie wird volljährig: Gefeiert wird mit einem ausgesuchten Filmmix aus allen Sparten zum weiten Thema »Gender«

Von Dunja Bialas

München hat starke Frauen. Diese hier nennen sich »Geier­wallis«, nach der mythi­schen Figur der baye­ri­schen Alpen, die durch das Ausheben eines Adler­nestes die männliche Ordnung eines Berg­dorfes auf den Kopf und plötzlich selbst bestimmen konnte, wen sie heiratet. – Selbst bestimmen, wen man heiratet: Über die mythische Figur nähern sich die Veran­stal­te­rinnen des »Bimovie«, die Geier­wallis, ihrem Thema an. Ihr Thema: Wir haben das weibliche Geschlecht, aber wir stellen die natür­liche Gewor­fen­heit, seine Krea­tür­lich­keit, grund­sätz­lich in Frage. Wir wissen um Kultu­ra­tion, die Gender hervor­bringt. Gender, das kulturell gewach­sene und selbst ausge­klei­dete oder inter­pre­tierte Geschlecht, ist der Weg der Geier­wallis hin zu einer Selbst­be­stimmt­heit ihrer Weib­lich­keiten. Und unter diesem sehr theo­re­tisch und dann doch wieder sehr konkreten Gesichts­punkt haben sie ein Film­pro­gramm zusam­men­ge­stellt.

Es ist ein sehr viel­fäl­tiges Programm, dass das 18. Bimovie im 100 Jahre alten Maxim in Neuhausen präsen­tiert. Doku­mentar- und Spiel­filme zeigen unter­schied­liche Spiel­weisen der Wirk­lich­keit, was Geschlecht und Gender anbelangt. Glenn Close brilliert in Albert Nobbs, einem in Vikto­ria­ni­scher Zeit ange­sie­delten Histo­ri­en­drama um eine als Butler verklei­dete Frau, die eines Nachts entdeckt, dass ihr Kollege keines­falls so männlich ist, wie es den anschein hatte. Geschlechter-Camou­flage, um einer über­kom­menen Frau­en­rolle und der Armut zu entkommen, und um eine andere Rolle zu erproben. Close war in dem Film, der in Deutsch­land noch keinen Verleih gefunden hat, an Drehbuch und Produk­tion beteiligt und bekam für ihre schau­spie­le­ri­sche Leistung eine Oscar-Nomi­nie­rung. (Sa., 10.11., 21:00 Uhr und Do., 15.11., 21:00 Uhr)

Ein zweiter Spielfilm im Bimovie-Programm sorgt für ein unbe­dingtes kine­ma­to­gra­phi­sches Highlight. Der türkische Film Zefir von Belma Bas, auf dem Frau­en­film­fes­tival von Ankara (ja, das gibt es) mit dem Preis der Inter­na­tio­nalen Film­kritik ausge­zeichnet, ist ein starkes Drama von einem Mädchen, das von seiner Mutter auf dem Land bei seinen Groß­el­tern zurück­ge­lassen werden soll. Dagegen kämpft es mit unbe­irr­barem Willen. »Zefir« bedeutet wörtlich Westwind und gibt breiten Raum für die poetische Meta­phorik, die still­schwei­gend über dem bilder­starken Film liegt. (Mo., 12.11., 21:00 Uhr und Mi., 14.11., 19:00 Uhr)

Tilda Swinton ist gemeinhin bekannt als andro­gynes, mehr noch äthe­ri­sches Wesen, das irgendwie nicht von dieser Welt stammt. Wie geschaffen für einen Film von Bimovie. In We Need to Talk About Kevin verkör­pert sie eine Mutter, deren Kind sich seltsam abwesend und auch abweisend ihr gegenüber zeigt. Die seelische Last wird als psycho­ti­scher Thriller insze­niert, dessen Zeit­ebenen sich über­la­gern zu einem Gewirr aus Erin­ne­rungen, Erlebtem und reinem Phantasma, das schließ­lich in ein Desaster mündet. (Mi., 14.11., 21:00 Uhr und Fr., 16.11., 19:00 Uhr)

Frauen sind ja nie »nur« Frauen, und die erste Frage, die sich bisweilen stellt, ob frau überhaupt eine Frau ist. Wie die austra­li­sche Filme­ma­cherin Phoebe Hart, die das Androgen-Insuf­fi­zienz-Syndrom hat. Hier wird es kompli­ziert. Genetisch »eigent­lich« ein Mann, ähneln sie aufgrund ausblei­bender Hormonaus­schüt­tungen phäno­ty­pisch einer Frau und werden meist auch so aufge­zogen. Hart macht sich, unter­s­tützt von ihrer Schwester und ihrem Mann, auf die Selbst­er­kun­dung ihrer Inter­se­xua­lität. Orchids – My intersex adventure (So., 11.11., 21:00 Uhr und Do. 15.11., 19:00 Uhr)

Bimovie 18 – Eine Frau­en­film­reihe
10.11.-17.11.2012, Maxim in München