26.07.2012

Dem Schuster seine Leisten

Rote Sonne
Uschi Obermeier an einem der fünf Seen und der Roten Sonne entgegen

Das 6. Fünf Seen Filmfestival setzt auch 2012 wieder auf den Schwerpunkt »local goes global«

Von Axel Timo Purr

Wem das gerade zu Ende gegangene Münchner Filmfest wegen seiner ständigen Iden­ti­täts­fin­dungs­krisen als ewiger Zweiter in der Film­fest­land­schaft Deutsch­lands nicht so recht behagt, hat nun zum sechsten Mal die Chance, sich nicht weit vom Krisen­herd ein wenig Klarheit zu verschaffen. Dass dies ausge­rechnet beim ewigen Zweiten der baye­ri­schen Film­fest­land­schaft möglich ist, mag viel­leicht nicht mehr als eine schöne ironische Note sein, aber dass »local goes global« an den Fünf Seen gegenüber »global goes local« in München zumindest charak­ter­lich besteht, sollte doch nach­denk­lich stimmen.

Auch in diesem Jahr liegt der Schwer­punkt des Fünf Seen Film­fes­ti­vals südlich von München dediziert bei Filmen aus Deutsch­land, Öster­reich, der Schweiz und dem Alpenraum. Dementspre­chend entsteht eine dichte Melange unter­schied­lichsten deutsch­spra­chigen Lokal­ko­lo­rits: dies­jäh­riger Ehrengast ist der Schau­spieler Ulrich Tukur (Der Stell­ver­treter, Das Leben der Anderen, Das weiße Band), der das Festival am vom 26.7. – 29.7 im Rahmen einer Retro­per­spek­tive seiner Filme besucht. Martina Gedeck (Das Leben der Anderen, Der Baader Meinhof Komplex) wird als Special Guest am 29.07. zum Screening von Geliebte Clara und Bella Martha anwesend sein. Und dem Schweizer Regisseur Fredi Murer (Vitus, Höhen­feuer) ist vom 28.7. – 31.7. eine kleine Werkschau gewidmet. Aber auch in der histo­ri­schen Sektion entfernt sich das Fünf Seen Festival konse­quent nicht von seinen Ursprüngen und bleibt vernünf­ti­ger­weise bei seinen Leisten: Zum 100-jährigen Stadt­ju­biläum seiner Haupt­spiel­stätte Starnberg präsen­tiert das Fünf Seen Film­fes­tival einen Streifzug durch 100 Jahre Kino-Geschichte der Seege­meinde Starnberg; von der Stumm­film­zeit (König Ludwig II oder Das Schweigen am Starn­berger See (1920)) über Rudolf Thomes Rote Sonne aus dem Jahr 1970 (allein schon wegen Uschi Obermeier als Peggy, die im VW Käfer ans Ufer des Starn­berger Sees und der Sonne entgegen fährt, sehens­wert und dazu noch auf großer Leinwand!) bis zu Achtern­busch.

Und da nicht nur die Welt nichts wäre ohne ständiges Wachstum, wächst sie auch an den fünf Seen. Zu den bereits bestehenden Spiel­stätten in Starnberg, Schloss Seefeld, Herr­sching, Wörthsee und Wessling kommt in diesem Jahr mit dem Kinosaal im Augus­tinum in Diessen am Ammersee eine weitere hinzu. Andere Dinge bleiben, so wie sie sind, etwa das Open-Air-Screening und die Prämie­rung des besten Kurzfilms auf der nächt­li­chen Damp­f­er­fahrt rund um den Starn­berger See am 02.08.2012. Und eine zaghafte Ausrich­tung in die ständig wachsende inter­na­tio­nale Welt des Kinos ist nicht nur an den drei Welt­pre­mieren, acht Deutsch­land­pre­mieren und einer Bayern­pre­miere ablesbar – insgesamt sind mehr als 140 Spiel-, Doku­mentar- und Kurzfilme aus 20 Ländern gelistet.

Aber ohne Nachwuchs kein Wachstum. Erst recht nicht in der so zarten, fragilen regio­nalen Kino­land­schaft. Um das junge Publikum näher an die Festival- und Kinoszene heran­zu­führen wird ein mit einem Gymnasium erar­bei­teter Young-Gene­ra­tion-Award ausgelobt und pünktlich zu Beginn der Sommer­fe­rien ein ausge­dehntes Kinder­film­pro­gramm mit prämierten Kinder­filmen, unent­deckten Neuheiten und einer Retro­spek­tive zum deutschen Kinder­film-Regisseur Arend Agthe (Flußfahrt mit Huhn) angeboten.

Ob dies letztlich dazu beiträgt, dem Vergessen gerade bezüglich Film und Kino vorzu­beugen, ist zwei­fel­haft. In einer vor kurzem vorge­nom­menen Befragung in einem Film­se­minar an einer deutschen Univer­sität war den Studenten nur ein Regisseur von dreien, die zur Auswahl standen, ein Begriff: Alfred Hitchcock. Sowohl Peter Greenaway als auch Michel­an­gelo Antonioni waren ihnen völlig unbekannt. Zumindest für Antonioni stehen die Chancen im Fünf Seen Gebiet ein wenig besser – sein großar­tiger Film L’avventura (1961) wird im Rahmen der Sektion Fokus Drehbuch auf großer Leinwand gezeigt.

6. Fünf Seen Festival
26.7. – 5.8.2012