Dem Filmfest
München wird gerne vorgeworfen, dass dort viele Filme laufen,
die ohnehin wenige Wochen später regulär in unsere Kinos
kommen. Ein schlichter Blick in das letztjährige Programm
beweist (leider) das Gegenteil und zeigt zudem ein selten
diskutiertes Problem der Filmindustrie auf.
Natürlich gab es auch beim FFM 99 einige Filme, die kurz darauf
ihren regulären Start hatten, aber sie waren aber die Ausnahme. Auf
manche Filme mußte man dagegen monatelang warten, wie etwa auf
AGNES BROWNE von Anjelica Huston, der jetzt (also ein Jahr später)
in unseren Kinos läuft. Auf den weitaus größten Teil der Filme
jedoch wartete man vergeblich.
Von den nichtamerikanischen Filmen, die vor einem Jahr auf
dem FFM liefen haben es keine 5 Prozent in unsere Kinos geschafft,
bei den amerikanischen Produktionen (incl. der Independents)
lag die Quote nur etwas höher.
Tragisches Musterbeispiel für dieses Dilemma ist RUSHMORE
von Wes Anderson. Im Programmheft des FFM 99 noch mit einer
ganzen DIN A 4-Seite beworben und mit Starttermin am 16.6.99
angekündigt, tauchte er niemals auf den Spielplänen auf. Die
seit Monaten auf diesen Seiten bereitstehende Kritik zu diesem
Film unter der Rubrik "Demnächst" ist trauriges Zeugnis für
sein Nichterscheinen. [Doch wir geben die Hoffnung nicht
auf - AGNES BROWN hat es, wie gesagt, nach einem Jahr auch
geschafft...]
Man fragt sich zwangsläufig, warum so etwas geschieht. RUSHMORE
ist nicht nur ein sehr guter Film (was einen Verleih ohnehin nur
zweitrangig interessiert), sondern durchaus auch publikumswirksam
und damit potentiell wirtschaftlich erfolgreich. Wenn man weiterhin
bedenkt, dass die Produktion dieses Film einige Millionen gekostet
hat und bereits Geld für Werbung ausgegeben wurde, kann man sich
nur schwer vorstellen, warum der Film nicht zumindest für kurze
Zeit in die Kinos kam.
Dabei ist RUSHMORE nur einer von vielen. Zu finden sind diese
unterschlagenen Filme eben auf Filmfesten oder in der sogenannten
Zweitverwertungsschiene, sprich dem Fernsehen oder auf Video. Denkt
man auch noch an die guten Filme, die nur für eine Woche in ein
oder zwei Kinos laufen, dann kommt man zu einer bedrückenden
Erkenntnis. Das Problem ist nicht, dass zu wenig gute Filme
gemacht werden (was manche gerne behaupten), sondern dass man keine
Gelegenheit hat, viele davon überhaupt im Kino zu sehen.
Warum manche Filme keinen Verleih finden bzw. von diesem nicht in
die Kinos gebracht werden und andere, ähnliche Filme dagegen schon,
ist eine Frage, über der man schnell den Verstand verlieren kann.
Im Hintergrund steht natürlich immer die Überlegung, ob sich
ein Kinostart wirtschaftlich rentiert. Wie es sich aber rentieren
soll, einen x-Millionen Dollar Film wie RUSHMORE verstauben zu
lassen, dass wissen nur die Verleiher.
Da nicht absehbar ist, dass die großen Verleiher irgend etwas an
dieser undurchsichtigen Praktik ändern werden, wird das Filmfest
auch in diesem Jahr wieder die einzige Möglichkeit sein, eine Reihe
von guten Filmen zu sehen. Welche Filme das im einzelnen sind, dass
steht aber in den Sternen bzw. den Geschäftsbüchern der
Verleihfirmen.
Michael Haberlander
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