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08.12.1999
 
 
   
 

Lizenz zum Denken
Ein schwaches Buch über ein gutes Thema

 
     
 
 
 
 

Ian Flemmings "Liebesgrüße aus Moskau" soll zur Lieblingslektüre von John F.Kennedy gehört haben. Und ist es nur Zufall, dass Gerhard Schröder die gleichen Anzüge trägt, wie 007?

James Bond ist ein Cold-War-Zombie, ein Chauvi, ein Imperialist – und eine wunderbare Comic-Figur. Wer ihn ganz ernst nimmt, hat schon von vornherein verloren, denn er hängt einem Anachronismus an. Schon in den ersten Filmen etabliert sich um den besten Geheimagenten Ihrer Majestät ein bestimmter Doublespeak, eine Mehrdeutigkeit, die entschlüsselt werden will.
Umberto Eco hat das ganz gut getroffen, als er in der Bond-Figur "gleichzeitig Spiel und Beschwörung" erkennt, das letzten Aufleben eines viktorianischen Gentleman-Ideals und das ironische Spiel mit ihm, das Wissen um dessen Zerstörung.
Wenn die Frauen diesem Typ gleich dutzendweise ins Bett fallen, wenn er aus jeder noch so idiotisch ausweglosen Situation mit sauberem Anzug und naßforschem Spruch herauskommt, dann ist dies offensichtlich die Parodie eines Männerideals, dass bereits in den 60er Jahren nur noch als Pose überleben konnte.

In James Bond wurde der klassische Snob zur Massenware. Denn nur die Hänschen Müller will heute vielleicht tatsächlich so sein, wie dieses Ekelpaket: Einer dieser Typen, die stets alles besser wissen, dem neuesten "Playboy" entnehmen, mit welchen Nobelmarken sie sich umgeben müssen, um "dazu" (wozu?) zu gehören, die glauben, der gute Anzug garantiere die Zugehörigkeit zur Oberklasse, obwohl heute doch nur noch Bodyguards und BDI-Präsidenten Smoking tragen.
James Bond ist ein Repräsentant des alten England. Manierlich und gebildet, stets korrekt gekleider, stets bereit, fürs Vaterland sein Leben zu riskieren, erfüllt vom Sportsgeist einer Zeit, in der es selbst in Krieg und Todesgefahr noch um fairplay ging, ein älterer Herr eben, ein Anachronismus, der unser Mitleid verlangen dürfte, müßten wir ihn ernst nehmen. Gottlob bleibt uns das erspart,

Parodiert wurde hier auch das Agentengenre, die Hysterie zur Zeit von Kaltem Krieg und Kuba-Krise. Es überrascht, das eine derart lässige Handhabe der ernsten Sache ausgerechnet in dem Jahr Erfolg haben konnte, als Ulbricht die Mauer bauen ließ. Denn übersehen wir nicht Bonds Anarchismus: Wenn er schnell noch eine Schöne flachlegt, bevor er seinen Auftrag erledigt, dann zeigt er uns auch, dass die Rettung der Welt ein ganz so wichtige Sache nicht sein kann, dass auch Männer etwas anderes haben, als ihre Arbeit, dass selbst Frauen, die Pussy, Baby oder Bunny heißen interessanter sein können, als der Auftrag des Chefs.

Siegfried Tesches großes "James-Bond-Buch" ist ein Buch für Fans und solche, die es werden wollen. Kaum eine Information sucht man vergebens. Übersichtlich gibt der dicke Band nicht nur Faktenwissen über die Verfilmungen –inklusive unorthodoxer wie dem frühen ersten "Casino Royale" von 1954 und Sean Connerys Paralellaktion "Never say never again" von 1983 -, sondern auch über Flemmings Romane, über den "Mythos James Bond" und "Die Bond-Manie in den sechziger Jahren". Interpretationen und irgendwelche Urteile wird man hier nicht finden. Tesche ist affirmativ im schlechtesten Sinn – er denkt nicht, und findet doch alles toll. Denn Tesche ist selbst ein Bond-Anhänger, und so liest sich sein Band manchmal wie ein Fan-Magazin – was zumindest ermüden kann.
Das heißt nicht, dass man aus seinem Buch nichts lernen könnte. Im Gegenteil bekommt der Leser eben unzählige Details geliefert, viele davon sind interessant. Nur ersetzen sie, weil Tesche den Wald vor Bäumen nicht mehr sieht, das eigene Nachdenken an keiner Stelle. Was auch ein Vorteil sein kann.

Siegfried Tesche: "Das große James-Bond-Buch"; Henschel Vlg., 1999, 448 S.; 25 Mark

Rüdiger Suchsland

Lesen Sie auch die Kritik zum neuen Bond-Film Die Welt ist nicht genug von Thomas Willmann.

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