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Der weibliche Blick

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Liebe Kinofreundinnen und Kinofreunde,

vom Freitag, den 5. bis Sonntag, 14. Mai findet das 15. INTERNATIONALE DOKUMENTARFILMFESTIVAL MÜNCHEN statt. Zehn Tage KINO TOTAL und DOKUMENTARFILM INTERNATIONAL unter dem Motto "DER WEIBLICHE BLICK": nicht weniger und nicht mehr als eine Anregung, IHN in unserem Festivalprogramm festzumachen: den virtuellen oder den realen weiblichen Blick - im Film - beim Zuschauen.
Gibt es ihn denn wirklich, den weiblichen Blick? Oder ist er nur ein Klischee wie die chauvinistischen Denkmuster über das weibliche Geschlecht, die seit Jahrhunderten in den Köpfen von Männern und Frauen sitzen?
Wir finden es anregend und vielleicht spannend, einmal ein gesamtes Festivalprogramm unter dieser Prämisse zu betrachten. Dabei hat es sich - beabsichtigt, unbeabsichtigt - ergeben, daß fast die Hälfte der Filme im Gesamtprogramm von Dokumentaristinnen stammt: Das ist ein sensationell hoher Anteil, wie er nie in den Vorjahren erreicht wurde.

Das Gesamtprogramm ist in diesem Jahr wieder in vier Münchner Kinos zu sehen: im FILMMUSEUM, RIO-PALAST, MAXIM Kino und im VORTRAGSSAAL DER MÜCHNER STADTBIBLIOTHEK AM GASTEIG.

Im FILMMUSEUM wird das Festival am 5. Mai mit dem Film CHRONIQUE VIGNERONNE von Jacqueline Veuve über die traditionelle Arbeit einer Winzerfamilie am Genfer See eröffnet. Seit einem Jahrzehnt zeigen wir Werke von Jacqueline Veuve, 1991 CHRONIQUE PAYSANNE EN GRUYÈRE, 1995 L'HOMME DES CASERNES und 1997 JOURNAL DE RIVESALTES 1941-42. Insgesamt hat sie seit 1966 mehr als 50 Filme gedreht mit ebenso sensiblem wie präzisem Blick auf die Wirklichkeit, ist dafür auf vielen Festivals mit Preisen ausgezeichnet und Retrospektiven geehrt worden.

Im MAXIM eröffnet das Festival mit THE MAKING OF A NEW EMPIRE des Niederländers Jos de Putter über eine schillernde Figur der Zeitgeschichte: den tschetschenischen Paten, Warlord, Politiker, Religionsphilosoph und verhinderten Staatsgründer Chosch Ahmed Nuchajew.

Das INTERNATIONALE PROGRAMM umfaßt den WETTBEWERB mit 23 Filmen und das Programm POINT OF VIEW mit 49 Filmen.
Drei argentinische Filme, darunter BOTÍN DE GUERRA (KRIEGSBEUTE) von David Blaustein, der brasilianische Film SANTO FORTE, eine indische Produktion, INORI NO ODORI (DANCE OF REQUIEM), ein kleiner, aber feiner japanischer Film von und über einen Straßenkünstler, der sich persönlich angesagt hat, um auch auf Münchens Plätzen seine Tanz-Performance aufzuführen, VACANCES AU PAYS des Kameruner Filmemachers Jean-Marie Téno - vor Jahren mit BIKUTSI BLUES auf dem Festival vertreten -, Koproduktionen aus Südafrika und Zimbabwe, große Filme aus den USA wie der vierstündige BELFAST, MAINE von Frederick Wiseman, LONG NIGHT'S JOURNEY INTO DAY von Frances Reid und Deborah Hoffmann - sie erhielt hier 1995 mit COMPLAINTS OF A DUTIFUL DAUGHTER den Preis für den "Besonderen Dokumentarfilm" - und der für alle Cineasten absolut obligatorische CINÉMA VÉRITÉ: DEFINING THE MOMENT von Peter Wintonick stehen für die globale Spannweite des Programms.
Dazu kommen Filme aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Großbritannien, Irland, Schweden, Finnland. Filme aus Osteuropa und Rußland zeigen, daß große Dokumentarfilmtraditionen auch dort allen widrigen Umständen zum Trotz weiterleben.
Gleich fünf brandneue deutsche Spitzenfilme sind bei uns im Wettbewerbsprogramm und feiern ihre Uraufführung bzw. deutsche Premiere in München: AUTOMAT KALASCHNIKOW von Axel Engstfeld und Herbert Habersack, MAKAH - DIE DEN WAL FANGEN von Ralf Marschalleck, OSKAR SALA - DIE VERGANGENE ZUKUNFT DES KLANGES von Oliver Rauch und Ingo Rudloff, DER BOXPRINZ von Gerd Kroske sowie ENTER des jungen Münchner Regisseurs Veit Bastian.

In der Sektion SPECIAL SCREENINGS zeigen wir alle sechs Filme der grandiosen Langzeitbeobachtung BERLIN - ECKE BUNDESPLATZ von Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich, die 1999 von der AZ München den "Stern des Jahres" verliehen bekam.

Die Retrospektive DER WEIBLICHE BLICK, die dem diesjährigen Festival das Motto verlieh, ist drei herausragenden europäischen Dokumentari-stinnen gewidmet, die als Regisseurinnen und als Kamerafrauen ein bedeutendes Werk aufweisen können.
Von Nurith Aviv zeigen wir eine Auswahl ihrer eigenen Filme und der Filme, die sie mit Regisseurinnen zusammen gedreht hat: mit Agnès Varda, Ruth Beckermann, Edna Politi, Dominique Gros, Ariella Azulay, Vivien Ostrovsky, Charlotte Szlovak und Sema Poyraz.
Gisela Tuchtenhagen, die bei vielen Filmen von Klaus Wildenhahn
Co-Autorin und Kamerafrau war, hat aus ihrem riesigen Werk eine Auswahl von nur vier Filmen getroffen, die ihr am meisten bedeuten. Drei von den vier ausgewählten Filmen sind übrigens bereits bei ihrem Erscheinen auf dem Dokumentarfilmfestival gezeigt worden: ihr großer, fünfstündiger, vielfach preisgekrönter Film HEIMKINDER, Claudia Willkes KOMM TANZ MIT MIR und GELD FÜRS BROT - EKMEK PARASI von Serap Berrakkarasu.
Von Molly Dineen zeigen wir ihre wichtigsten sechs Werke, darunter die drei- und vierstündigen Filme THE ARK und IN THE COMPANY OF MEN. Neben ihrem allerneusten Film GERI (über das Ex-"Spice Girl" Geri Halliwell) bringen wir auch ein Interview mit Molly Dineen, geführt auf dem Sheffield Documentary Film Festival, auf die Leinwand.
Alle drei Filmemacherinnen werden auf dem Festival anwesend sein.

In NEUE FILME AUS BAYERN präsentieren sich wieder FilmemacherInnen, die in Bayern leben, produzieren und Themen aus aller Welt filmisch bearbeiten. In diesem Jahr ist es gespickt mit filmischen Highlights. Wir zeigen das eben mit dem LiteraVision-Preis ausgezeichnete Werk "ICH BIN KEINER VON UNS" - DER SCHRIFTSTELLER HANS MAGNUS ENZENSBERGER von Ralf Zöller und 22 andere spannende und anrührende Filme, von denen die wenigsten vorher das Licht der Kinoleinwand erblickten. Wie immer sind die FilmemacherInnen zur Diskussion anwesend. Zur Uraufführung des Films DIE TÖCHTER DER SCHEHEREZADES von Husam Chadat reisen sogar alle vier syrischen Protagonistinnen an.

Ein Jahr nach dem Militärschlag der Nato ziehen wir in der Reihe DER BALKAN NACH DEM KRIEG mit in jüngster Zeit entstandenen Filmen Bilanz. Zum Teil Fernsehproduktionen - aus England, Frankreich, Ungarn, den Niederlanden und Deutschland, aber auch aus Bosnien - zeigen sie ein nuanciertes Bild der historischen Katastrophe, die den Balkan im vergangenen Jahrzehnt heimsuchte.
Ein Diskussionsforum am 11. Mai um 19.30 Uhr soll diese Filmreihe beschließen. Es nehmen teil die Filmemacher und Journalisten.

Die Dokumentarfilmproduktion vieler Länder aus Asien, Afrika und Lateinamerika wird inzwischen - aus vielerlei Gründen - ausschließlich auf Video realisiert. Daher richten wir erstmals eine Video-Reihe mit dem Titel ASPECTS OF FUTURE ein. Wir zeigen darin zwei bemerkenswerte Filme von unabhängigen chinesischen FilmemacherInnen, jeweils einen Film aus Korea, Indonesien, Pakistan, dem Iran und der Türkei.

Während des Festivals veranstalten wir ein ROUND-TABLE-GESPRÄCH über das Thema "DIE POSITION VON MITTEL- UND OSTEUROPÄISCHEN FESTIVALS ZUR EUROPÄISCHEN UNION. DAS VERHÄLTNIS VON DIESEN FESTIVALS ZU DEN FESTIVALS DER EU-LÄNDER". Es wird vom Internationalen Dokumentarfilmfestival und der Europäischen Koordination der Filmfestivals organisiert.
Das Round-Table-Gespräch findet vom 8. bis 10. Mai, jeweils von 10.-12.30 im Literaturhaus, Bibliotheksraum, Salvatorplatz 1, statt. Es nehmen VertreterInnen westeuropäischer Festivals (Florenz, Tampere, Leipzig, Neubrandenburg, Graz), osteuropäischer Festivals (Sankt Petersburg, Krakau, Bratislava, Vilnius), Filmexperten und Filmemacher aus Ost- und Westeuropa sowie eine Vertreterin der Europäischen Koordination der Filmfestivals teil. Auch zahlreiche Teilnahme von interessierten FestivalbesucherInnen ist erwünscht.

Mit freundlicher Unterstützung der Hochschule für Fernsehen und Film, München, ARRI, München, ARTE, Strasbourg, ist ein neuer Festivaltrailer entstanden.

Licht & Ton Cine München stiftet nun schon zum 10. Mal zusammen mit dem Festival den Preis für den "Besonderen Dokumentarfilm" in Höhe von DM 5.000,- und zum fünftenmal wird der Dokumentarfilmpreis des Bayerischen Rundfunks verliehen. Er ist mit DM 20 000,- dotiert. Wieder vergeben wird der "Planet-Zuschauerpreis" in Höhe von DM 5 000,- den der Fernsehsender PLANET auslobt.
Für alle neuen Filme aus Bayern, die im Programm vertreten sind, vergibt der FilmFernsehFonds Bayern zum zweitenmal den "Förderpreis Dokumentarfilm des FFF Bayern", dotiert mit 10 000,- DM .
Die Preisverleihungen finden am 13. Mai um 20.30 Uhr im Filmmuseum statt.

Gudrun Geyer, Festivalleiterin