22.06.2017
34. Filmfest München 2017

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Un beau soleil intérieur
Vorfreude pur: Claire Denis' Un beau soleil intérieur eröffnet das Filmfest München
(Foto: Pandora Film Medien GmbH)

Das Filmfest München hat de facto die Pressevorführungen abgeschafft. Überlegungen zu einer »frequently asked question«

Von Dunja Bialas

Das Filmfest München hat de facto die Pres­se­vor­füh­rungen abge­schafft. Eine etwas längere Über­le­gung zu einer »frequently asked question«

Am liebsten würde man ja nur über die schönen Filme schreiben, die das Filmfest München wieder an die Isar geholt hat. Und, neu dieses Jahr, über die Stars. Nach der Schelte, die sich Festi­val­lei­terin Diana Iljine einge­han­delt hat, weil es ihr in den letzten Jahren nicht gelungen war, ihr Antritts­ver­spre­chen einzu­lösen und namhafte Stars in ausrei­chender Menge nach München zu holen, wird dieses Jahr groß aufge­fahren: Sofia Coppola, Lucas Belvaux, Claire Denis, Vincent Lindon, Michel Hazana­vicius und andere kommen nach München. Die zwei Bud-Spencer-Stunt­männer Salvatore Borgese und Riccardo Pizzuti darf man hoffent­lich anfassen und den Zustand der Muskeln über­prüfen.

Doch Spaß beiseite. Denn das Filmfest hat noch nicht einmal ange­fangen, und schon muss man sich über den Reform­willen der Festi­val­ma­cher wundern, der empfind­lich das profes­sio­nelle Arbeiten einschränkt. Diesmal sind es die Pres­se­vor­füh­rungen, die als Schikane-Event ins Filmfest eingebaut wurden. Zum ersten Mal muss man sich auf einem Festival (aber wer weiß schon, was hier als Vorbild dient) sich vorab Karten für die Pres­se­vor­füh­rungen holen. Das erhöht die erfassten Zuschau­er­zahlen. Außerdem gibt es als Pres­se­vor­füh­rungen dekla­rierte Vorstel­lungen mit »normalen« Filmfest-Besuchern, die soge­nannten Morgen-Movies. So erklärt es zumindest ein PDF-Dokument, das vorsorg­lich auf der Film­fest­web­site hinter­legt wurde und das den entspre­chenden, viel­leicht auch spre­chenden Titel trägt: »FAQ«. Eine der »frequently asked questions« lautet: »Warum gibt es nicht mehr Pres­se­vor­füh­rungen?« Ja, das fragt man sich tatsäch­lich.

Zahlen helfen ja manchmal weiter, um die Dinge klarer zu sehen. Insgesamt werden in zehn Festi­val­tagen 30 Pres­se­vor­füh­rungen angeboten, hinzu kommen 19 Morning Movies. Von den 49 für die Presse relativ problemlos besuch­baren Vorstel­lungen (es gibt ein großes Kontin­gent) sind 35 deutsche Filme oder Co-Produk­tionen. Bleiben also nur 14 inter­na­tio­nale Filme, die man der Presse zeigen möchte. Nichts gegen die deutsche Sektion, die Christoph Gröner mit großer Souver­ä­nität führt, so dass man sich gele­gent­lich schon fragt, warum er eigent­lich nicht neuer Festi­val­chef in Hof geworden ist. Aber durchaus etwas gegen dieses aufdring­liche Promoting des natio­nalen Film­schaf­fens. Ob hier die Gesell­schafter des Filmfests (allen voran die SPIO und der Baye­ri­sche Rundfunk) mitge­redet haben?

Mit den de facto ausblei­benden Pres­se­vor­füh­rung kann das Filmfest eine wichtige Rolle nicht mehr erfüllen: ein Festival der Begegnung unter den Profes­sio­nals zu sein, mit ange­regten Diskus­sionen über das Programm. Die Pres­se­vor­füh­rungen waren immer maßgeb­lich, um auf dem Filmfest mit seinen vielen Spielstätten ein Zentrum zu finden. Jetzt muss man in die zentrums­ferne HFF fahren, viel­leicht aber soll man ja auch in den Gasteig, da ohnehin von der inneren Festi­val­struktur als Zentrum angelegt. Aber um was genau eigent­lich dort zu tun?

Man soll ja nicht immer von früher sprechen, und gerade beim Filmfest war früher keines­wegs alles besser, im Gegenteil. Aber dennoch: Früher wurden zwei Wochen vor Festi­val­be­ginn täglich zwei Pres­se­vor­füh­rungen im Film­mu­seum abge­halten. Und während des Festival hatte man PVs, die es im zwei-Stunden-Slot bis in den frühen Nach­mittag gab. Das erscheint luxuriös, war aber großartig, um das Programm in umfas­sender Weise kennen­zu­lernen. Wenn das Festival startete, konnte man schon echte Film­emp­feh­lungen ausspre­chen und nicht nur nachbeten, was andere (zum Beispiel die nach-Cannes-Fahrenden) vorge­betet hatten: Dass Sofia Coppolas neuer Film The Beguiled toll sein soll, dass Michael Hazana­vicius irrt, wenn er meint, in Le redou­table das Leben des JLG verfilmen zu müssen (obwohl The Artist und vor allem die beiden Agenten-Parodien OSS 117 sehr großartig waren), dass man sich auf Michael Hanekes eher mau aufge­nom­menen Happy End trotzdem freut, während man sich das dazu­gehö­rige Foto ansieht und sich fragt, ob Isabelle Huppert in diesem Film jetzt endlich mal die Enkel­tochter spielen darf, von dem in der Synopsis die Rede ist. In ihrem Nacht­hemd­chen sieht sie jeden­falls schon wieder deutlich jünger aus als beim letzten Mal.

Nachbeten also ist nicht. Den Katalog abschreiben ist auch nicht. Vorab-Pres­se­vor­füh­rungen sind auch nicht mehr, aber vermut­lich hätte man sich das Filmfest vorab schon mal am Rechner via Streaming-Links zu Gemüte führen können. Ist ja auch safer, bei der Hitze und der immer irgendwie adre­na­lin­ge­tränkten Stimmung, die das nahende Filmfest früher entfachte. Jetzt beschäf­tigt man sich also an seinem Computer mit dem Filmfest, mit der Hand auf der Maus. Click!