Die Herzogin

The Duchess

Großbritannien/I/F 2008 · 110 min. · FSK: ab 12
Regie: Saul Dibb
Drehbuch: , ,
Kamera: Gyula Pados
Darsteller: Keira Knightley, Ralph Fiennes, Charlotte Rampling, Dominic Cooper u.a.
Im Schatten des Co-Darstellers: Keira Knightley

Adel vernichtet

»Im Glanz des Adels – im Schatten der Liebe« lautet der Zusatz­titel des deutschen Verleihs und bringt damit den Inhalt von Die Herzogin in wenigen Worten auf den Punkt. Einer­seits gut, denn so weiß der Zuschauer sofort, was er erwarten kann: Herz, Schmerz und prächtige Kostüme. Ande­rer­seits schlecht, denn der Zuschauer weiß auch sofort, was ihn erwartet.

Die junge Georgiana (Keira Knightley) wird mit dem Herzog von Devonshire (Ralph Fiennes) verhei­ratet. Der reiche, mächtige und ahnsehn­liche Mann entpuppt sich als eiskalter Sadist und die Ehe wird für Georgiana zum kaum erträg­li­chen Martyrium. Auf Grund ihrer Schönheit, ihres modischen Geschmacks und poli­ti­schen Inter­esses wird die Herzogin von allen verehrt – außer von ihrem Gatten. Dieser schärft ihr lediglich immer wieder ein, dass ihre Exis­tenz­be­rech­ti­gung ausschließ­lich darin besteht, einen Stamm­halter zu gebären. Wegen der Liebe zu ihren Kindern bleibt Georgiana nichts anderes übrig, als sich schließ­lich in den kalten Mauern des präch­tigen Anwesens, in der Rolle der Unge­liebten und schließ­lich sogar in der ihr aufer­zwun­genen ménage à trois einzu­richten.

Keira Knightley ist so ätherisch schön wie immer, ihr Spiel dagegen kann nur manchmal über­zeugen. Oft zeigt es sich in Form einer wie einge­froren wirkenden Mimik, mit zusam­men­ge­pressten Lippen und starrem Blick. Ein nach­voll­zieh­barer Gesichts­aus­druck zwar, wenn man mit einem Egomanen wie dem Herzog verhei­ratet ist – und doch bleibt das Gefühl zurück, dass diese Ausdrucks­lo­sig­keit weniger das Resultat von bewusster Insze­nie­rung als von mangelnden Expres­sions-Alter­na­tiven ist.

Insgesamt gesehen über­rascht Die Herzogin nur selten. Die Ausstat­tung, das Licht, die Musik und die Schau­plätze sind erwar­tungs­gemäß perfekt. Alles schön anzusehen und anzuhören – aber eben dadurch stre­cken­weise auch entsetz­lich lang­weilig.

Was den Film trotzdem sehens­wert macht, sind die raren Ecken und Kanten, die weniger glatten, subti­leren Momente. Für die sorgen vor allem Ralph Fiennes in seiner Rolle als Herzog und Hayley Atwell in ihrer Darstel­lung als seine Geliebte und Zweitfrau Bess Foster.

Fiennes liefert eine über­zeu­gende schau­spie­le­ri­sche Leistung ab. Dass man gut daran tut, ihn für dunkle Charak­tere zu casten, weiß man seit seinem Auftritt als sadis­ti­scher SS-Offizier in Schind­lers Liste und als Inbegriff des Bösen, des Lord Voldemort in den Harry Potter-Filmen. In seiner Darstel­lung als Herzog von Devonshire gelingt es ihm, über­zeu­gend grausam und zugleich oft auch lächer­lich zu wirken, eine Mischung, die einer schau­spie­le­ri­schen Grat­wan­de­rung gleich­kommt, bei der Fiennes jedoch kein einziges Mal abstürzt. In den Szenen mit seinen beiden Hunden etwa muss man zunächst schmun­zeln, um kurz später erschro­cken inne­zu­halten: Lässt er den Tieren doch eine liebe­volle Aufmerk­sam­keit zukommen, von der seine Frau nur träumen kann.

Bereits zu Anfang des Films wird diese Spur der Zwei­deu­tig­keit angelegt. Als er seine frisch mit ihm vermählte Frau durch die Eingangs­halle führt, ruft er in bestim­mendem Tonfall: »Hier lang!« und man fragt sich: Meint er nun die Hunde oder die Frau? Die Antwort lautet leider: Höchst­wahr­schein­lich Zweitere.

Der Sadismus des Herzogs erreicht seinen vorläu­figen Höhepunkt, als er Georgiana vor ihren Augen – oder besser gesagt Ohren – mit ihrer besten Freundin Bess betrügt. Und obwohl er sein teuf­li­sches Wesen bisher schon mehr als genug offenbart hat, gelingt es Fiennes kurz darauf erneut, die Zuschauer mit seinem nicht eindeu­tigen Spiel in die Irre zu führen. Nach dem Betrug setzt er sich, unbe­holfen wie ein kleiner Junge, zu seiner tief erschüt­terten Gattin auf das Kanapeé. Er scheint sich unwohl zu fühlen, wirkt – wieder einmal – bedau­erns­wert lächer­lich in seinem engen Kostüm. Seine gesamte Körper­hal­tung scheint heraus­zu­schreien: »Ich habe etwas falsch gemacht, bitte hab mich wieder lieb!« Man wartet geradezu darauf, dass er sich nun endlich einmal bei Georgiana entschul­digt. Aber nichts da: Er habe seine Aufgabe erfüllt – sie nicht, ist alles, was die Herzogin zu hören bekommt.

Umso wohl­tu­ender ist es, als die Herzogin sich zu einem späteren Zeitpunkt zumindest für ein paar Sekunden aus der Opfer­rolle befreit. Nach dem zu dritt einge­nom­menen Mahl steht Georgiana, plötzlich seltsam befreit, auf und wendet sich an Bess mit den Worten: »Du kannst ja hier bleiben und Dich um unseren Ehemann kümmern.«

Obwohl Keira Knightley sowohl in ihrer Rolle selbst, als auch in ihrem darstel­le­ri­schen Können als Verlie­rerin des Trios Herzog-Herzogin-Bess gelten muss, hat auch sie ihren großen Moment. Als sie ihr neuge­bo­renes Kind hergeben muss, das aus der Liaison mit ihrer wahren Liebe Charles Grey stammt, hat man tatsäch­lich das Gefühl, dass sie zerbricht. Ihr Innerstes kehrt sich endlich nach außen, die Schmerzen des Verlust sind diesmal zu groß, als dass sie sie hinter einer starren Fassade verbergen könnte.

Firlefanz

Dummer­weise schreibe ich für das falsche Magazin. Schriebe ich für die »Vogue« oder die »Elle«, wäre es ein Leichtes, über The Duchess positiv zu schreiben: Ich würde die Ausstat­tung loben, die Kostüme. Die sorg­fältig aufge­türmten Perücken erwähnen und über den natural look der Korken­zie­her­lo­cken­mähne schwärmen. Ich würde erwähnen, wie toll der Film die Perücke als Status­symbol begriffen hat, wenn er sie am Tiefpunkt der Karriere der Herzogin von Devonshire in Flammen aufgehen lässt. Ich würde über das harte Schicksal dieser mächtigen Frau klagen und darüber, dass Macht und Einfluss einen hohen Preis haben, einen zu hohen viel­leicht. Dann würde ich noch darauf hinweisen, dass die Duchess von Devonshire, geborene Spencer, eine Vorfahrin der Lady Di war, und dass alle treuen und immer noch trau­ernden Fans der »Königin der Herzen« unbedingt diesen Film sehen sollten, um sich zu verge­wis­sern, dass tatsäch­lich weniger blaues als mensch­li­ches Blut in ihren Adern floss. Und abschließend würde ich einen großen Seufzer loslassen und betonen, wie glücklich frau sein sollte, in der heutigen Zeit zu leben, und dafür plädieren, sich ein Beispiel an dieser tapferen Heroin zu nehmen und ihren Platz in der Gesell­schaft einzu­nehmen.

Weder aber schreibe ich für die »Freundin« noch für »Brigitte« oder »Für Sie«. Und auch nicht für die »Gala« und nicht für die »Bunte«. Genau aber die Lese­rinnen der erwähnten Magazine sind die Frau­en­schar, auf die der Film abziehlt. Die »Süddeut­sche«-Beilage »Wohl­fühlen« erwähnte The Duchess mit dem Hinweis auf die Magerkeit und vermutete Mager­sucht der Haupt­dar­stel­lerin, ein oft gehörter Vorwurf, gegen den Keira Knightley in der Vergan­gen­heit schon prozes­siert hat – mit Erfolg. Diese »Kurz­be­spre­chung« der »Süddeut­schen«-Beilage aber bringt auf den Punkt, auf welcher Fallhöhe sich der Film bewegt.

Erzählen möchte der Film von einer einfluss­rei­chen Frau ihrer Zeit, die am Vorabend der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion in den engli­schen Großadel einhei­ra­tete. Mit der Vermäh­lung des Duke von Devonshire brachte sie ihn und die verschla­fene Whig-Party, die für die konsti­tu­tio­nelle Monarchie einstand, gehörig auf Trab. Durch ihre gesell­schaft­liche Rolle, die ihr als Duchess von Devonshire zukam, konnte sie dem Whig-Politiker Charles James Fox zu einer bedeu­tenden Größe verhelfen, kümmerte sich um das kultu­relle Geschehen in ihrem County, begeis­terte durch ihre poli­ti­sche Luzidität und modischen Extra­va­ganzen, die stil­bil­dend für die englische Aris­to­kratie wurden. Sie verspürte bei all dem Seelen­ver­wandt­schaft zu ihrer fran­zö­si­schen Aris­to­kraten-Kollegin, der schil­lernden Marie Antoi­nette. Ihre Chance, die Geschicke der High Society zu bestimmen aber wurden ihr zum Schicksal. In jüngsten Jahren in eine Ehe gedrängt, die nichts mit einer modernen Liebes­heirat zu tun hat, wurde sie vom Duke als Gebär­mutter für einen männ­li­chen Nach­folger instru­men­ta­li­siert, was sich erst nach einigen Mädchen- und Fehl­ge­burten erfüllte. Was für den engstir­nigen Duke so ungefähr das Gleiche bedeutete. Im frei­geis­tigen Fox fand die Duchesse hingegen ihre true love: aus deren liaison dange­reuse ging ein Mädchen hervor, das die Herzogin, um ihre gesell­schaft­liche Position und ihre anderen Kindern bangend, aufgeben musste.

Dies ist der Stoff des Films, der viel Historie, ein wenig Schmon­zette und ganz viel Glamour bereit­hält. The Duchess macht daraus großes Gefühls­kino. Lässt die Violinen immer dann klagen, wenn es der Herzogin gerade besonders schlecht geht. Besonders schlecht ergeht es ihr, wenn der Duke sich eine Neben­buh­lerin, die Duchess-Freundin Bess zu einer ménage à trois ins Haus holt, sie selbst aufgrund ihres modernen Ehe- und Gerech­tig­keits­ver­s­tänd­nisses Gefahr läuft, ihre Kinder zu verlieren. Die Politik und die Historie werden dem Film zum Dekor für eine private Leiden­schafts­ge­schichte, die mit viel persön­li­chem Leid verbunden ist. Dies erzählt The Duchess mit großem Pathos und aris­to­kra­ti­schem Ernst. Auf der Leinwand lässt der Film im Vorbild für die »Königin der Herzen« nur das Abzieh­bild der »Gala«- und »Bunte«-Person­nagen erscheinen, in die sich so viele Frau­en­herzen hinein­sehnen. Und die dann erfahren dürfen: Ach, dem Adel geht’s nun auch nicht besser.

Dabei hätte The Duchess durchaus ironi­sches Potential bereit gehalten, das sich dem großar­tigen Film­er­lebnis hätte nähern können, das Sofia Coppola mit Marie Antoi­nette gelang. Die Tableaus, die insze­nieren, wie sich Duchess und Duke an einer langen Tafel im weißen Raum gegenüber­sitzen – am linken Bildrand, zu Seiten des Dukes, malerisch die riesigen Jagdhunde fläzend und auf der langen Strecke zwischen dem unglück­li­chen Ehepaar die dralle, erotisch-mütter­liche Neben­buh­lerin Bess posi­tio­niert – dann hält der Film ein Angebot an Zeichen bereit, die durchaus Spaß machen. Das Problem in dieser Anordnung ist bei dem allzu vielen Ernst, der insgesamt im Film passiert, vor allem die Wahl von Keira Knightley als Duchess. Sie wurde nicht als glaub­hafte, power­volle Darstel­lerin gebucht, sondern als Star, der gerade bei den weib­li­chen Zuschauern und als Coco-Chanel-Werbe­trä­gerin hoch im Kurs steht. Ganz selten sieht man eine reflek­tierte Inter­pre­ta­tion ihrer Figur, die auf die Klugheit der Duchess hinweist und die großen Spaß macht, etwa wenn die Herzogin die Straußen­fe­dern, die über ihrem Kopf balan­cieren, lobt, um dann rheto­risch auszu­holen zur großen poli­ti­schen Invektive. Wurde in Marie Antoi­nette die Historie überboten und mit dem Index von Pop und Punk versehen, so wie es Jeff Koons soeben mit seinen bunten Edel­stahl­herzen im Schloss von Versailles gelang, bemüht sich Regisseur Saul Dibb um kostü­mierte Authen­ti­zität. Zugunsten der ernst genom­menen Verklei­dungs­orgie von 30 verschie­denen Kleidern und Turm­fri­suren von fast einem Meter wurde dem Film jeder Spaß von stili­si­ti­scher Hoch­rüs­tung ausge­trieben. Man will ja schließ­lich das Mode­be­wusst­sein des Ziel­pu­bli­kums nicht lächer­lich machen. Keira Knightley legt ihren ganzen hühner­brüs­tigen Charme in die Darstel­lung der vier­fa­chen Mutter, bewegt sich gekonnt in den schweren Roben, lässt ihre Grübchen spielen und bleibt leider eins: viel zu sehr sie selbst.

Ange­wi­dert und gelang­weilt von so viel Firlefanz gibt Ralph Fiennes in diesem Kostüm­spek­takel einen großar­tigen Herzog ab, erntet als fieses Dreck­schwein nicht nur unsere geheime Sympa­thien, sondern auch eine Golden-Globe-Nomi­nie­rung für sein gekonnt zurück­hal­tendes Spiel. Der Film hingegen gewann einen Oscar für die Kostüme und den Costume Designers Guild Award. Die Gewich­tung ist klar.

Was will er eigent­lich, der Film? Kaum gibt es Orien­tie­rung, in welchem Zeitraum er spielt. Wir (Frauen) sollen, das ist klar, unab­hängig von der Zeit­ge­schichte von diesem Schicksal einer gebro­chenen, aber immer aufrechten Frau bewegt werden. Diese aber ist der heutigen Zeit, unserem Leben und Gesell­schaft so fern, wie man es sich nicht ferner vorstellen kann. Weder gab es damals ein Wahlrecht für die Frau, noch die Möglich­keit einer Scheidung, eine Ehe diente zur freud­losen gesell­schaft­li­chen Pflich­ter­fül­lung. Nur in der Mutter­liebe, so sagt uns der Film, gab es den Weg zur Selbst­be­stim­mung und emotio­nalen Erfüllung. Hier bin ich Mutter, hier darf ich sein.

Trotz aller Gefühls­du­se­lig­keit vermag der Film nicht zu bewegen, wie es jüngst der 50er-Jahre-Film Revo­lu­tio­nary Road konnte. Zu fremd, zu arti­fi­ziell ist uns dieses Frau­en­schicksal, die Frau zu sehr Gefangene in der Zeit der Stan­des­kon­ven­tionen. Ihr Flirt mit der Politik dient nur zur Illus­tra­tion ihrer Welt­ge­wandt­heit und als Anbahnungs­bühne für die wahre Liebe. Was bleibt, ist die Bewun­de­rung für die Kostüme und die Erleich­te­rung, mit der man aus dem Film heraus­geht. Gott sei dank, wir haben nicht in dieser Zeit gelebt. Seufz!