Civil War

USA/GB 2024 · 109 min. · FSK: ab 16
Regie: Alex Garland
Drehbuch:
Kamera: Rob Hardy
Darsteller: Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny, Jesse Plemons, Stephen McKinley Henderson u.a.
Die Fotografen schießen zurück
(Foto: DCM)

Geschossen wird durch die Kamera

In Alex Garlands Civil War trifft der Schrecken des Krieges auf seine mediale Darstellung – das verschiebt die ästhetischen Kategorien der Grausamkeit

Der Brite Alex Garland kann auf eine umfang­reiche Karriere zurück­bli­cken. Zunächst beginnend als Roman­autor fasste er durch Dreh­bücher zusehends Fuß in der Film­in­dus­trie. 2015 folgte dann mit dem beju­belten Ex Machina sein Debüt als Spiel­film­re­gis­seur. Seitdem folgten mehrere Projekte, sowohl für den Kino- als auch Strea­ming­markt. Seine Filme behandeln grund­sätz­lich unter­schied­liche Themen und Ästhe­tiken, bleiben dabei stets dem Genre-Film treu. Haupt­säch­lich insze­niert er Science-Fiction, zuletzt auch Folk-Horror in dem von den Kritiken regel­recht vernich­teten Men. Bereits dieser Film wurde vom ameri­ka­ni­schen Inde­pen­dent-Label A24 produ­ziert, die nun erneut mit Garland zusam­men­ar­beiten, um ihren bislang teuersten Film zu veröf­fent­li­chen: Civil War.

Dieser ist also nicht nur für den Regisseur ein wichtiger Film, kamen nach Men doch ernste Zweifel über dessen Können auf. Civil War stellt wirt­schaft­lich einen besonders inter­es­santen Punkt im zeit­genös­si­schen Kino dar. Nach den ganzen kleineren A24-Produk­tionen, die zwar große Fange­meinden und Kriti­ker­lob­ge­sänge mit sich brachten, wird jetzt ein völlig neuer finan­zi­eller Raum erschlossen. Speku­la­tionen über eine Annähe­rung an den Main­stream waren die Folge und wurden durch das Marketing des Films, das ihn als Kriegs­film mit Verweisen auf die derzei­tige poli­ti­sche Situation in den ameri­ka­ni­schen Staaten anpries, noch zusätz­lich unter­s­tützt.

Ein solcher Film ist es nun aber nur bedingt geworden.

Die inter­es­sante Heran­ge­hens­weise Garlands zeigt sich in der Wahl der Genres, die in Civil War kulmi­nieren: Kriegs­film, ja, aber nur ober­fläch­lich, ohne einen akuten Bezug zu einem realen Krieg. Science-Fiction, ja, auch, aber auch hier nicht so ganz, der Film spielt in einer nicht näher zu bestim­menden Zukunft, die unserer gleicht und nur durch einen die USA beherr­schenden Bürger­krieg gebrochen wird. Und dann – wir sind ja schließ­lich in den Staaten – das ameri­ka­nischste Genre überhaupt: Das Road-Movie.

Diese Zusam­men­set­zung lässt es bereits anklingen: Einen ganz klas­si­schen Film, der auf Nummer sicher geht, liefern mit Civil War weder Garland noch A24 ab. Der Eindruck verstärkt sich, wenn das eigent­liche Thema des Films ins Auge genommen wird: Die Foto­grafie, genauer gesagt Kriegs­fo­to­grafie, und das damit verbun­dene – man muss es so nennen – Business.

Wir folgen der Kriegs­be­richt­erstat­terin Lee (gespielt von Kirsten Dunst), die mit drei ihrer Kollegen durch das zerrüt­tete, umkämpfte Amerika zieht, um in Washington D.C. den Präsi­denten zu inter­viewen (und zu foto­gra­fieren). Das Team setzt sich neben Lee, die mit eigenen Traumata zu kämpfen hat – sie verar­beitet, was sie in ihrem Job sehen musste –, aus dem über­mü­tigen Joel, dem erfah­renen Jour­na­listen-Veteran Sammy und der jungen, noch uner­fah­renen Jessie zusammen (gespielt von Cailee Spaney, der großen Entde­ckung aus Coppolas Priscilla). Ihr Road Trip führt sie vorbei an verschieden Gefahren und Konfron­ta­tionen, lässt sie streiten, sich versöhnen und als Gruppe wachsen. Ganz so also, wie man es sich vorstellt: Das Hand­lungs­gerüst verläuft in altbe­kannten Hollywood-Gefilden, zu denen sich die Figuren gesellen. Jessie ist die Schülerin, sie wird von der Mentorin Lee trainiert und bekommt von ihr die Welt erklärt – damit wird sie zur Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur, denn sie nimmt die Welt auf dieselbe Weise wahr und entdeckt sie wie wir als Zuschauer. Jessie ist der Dreh- und Angel­punkt des Films, das neutrale Medium, das nach und nach ideo­lo­gisch geschult wird, und dadurch auch ihre umlie­genden Figuren erklärt.

So weit so gewöhn­lich, doch gar so einfach macht es uns der Film nicht. Das Setting ist nämlich unan­ge­nehm vertraut, handelt von Kriegs­schau­plätzen und ihrer Doku­men­ta­tion, wie es seit Monaten in den Nach­richten beob­achtet werden kann. Genau diese Media­lität nimmt sich Garland auch in seinem Film vor: Um den entbrannten Krieg geht es nur in zweiter Linie, im Zentrum steht der Umgang mit ihm, sowie seine Spie­ge­lung nach außen. So wird auch nie völlig klar, wer genau, warum und wozu gegen wen kämpft, eine genaue Posi­tio­nie­rung seitens des Films wird ausge­spart. Statt­dessen der Fokus auf die Kriegs­fo­to­grafen, die das Geschehen verfolgen und doku­men­tieren. Die zentrale Frage dabei ist, was dieses Prozedere denn genau zur Folge hat. Dient es tatsäch­lich der reinen (aufklä­re­ri­schen) Infor­ma­tion über das Welt­ge­schehen, oder ist es nicht schon Teil davon geworden, befeuert den Krieg, hat seine außen­ste­hende, beob­ach­tende Position aufge­geben?

Susan Sontag spricht vom Foto­grafen als Touristen. Diese Funktion haben die Jour­na­listen im Film aber längst überholt, wenn sie aktiv in Krisen­herde eingreifen, die Soldaten nicht nur begleiten sondern regel­recht unter­s­tützen, ihnen Türen öffnen oder helfen, in belagerte Gebiete einzu­bre­chen. Die Kamera wird in diesen Situa­tionen selbst zur Waffe: Die Anweisung »shoot« lässt sich auf Soldaten wie auf Foto­grafen über­tragen. Kame­ra­ob­jek­tive werden verwendet wie Ziel­fern­rohre von Scharf­schüt­zen­ge­wehren, die Aufnahme eines bren­nenden oder ster­benden Menschen wirkt wie der endgül­tige Abschluss dessen Lebens. Der tatsäch­liche Tod tritt in der Folge nur noch ein, wenn er fest­ge­halten, doku­men­tiert und verbreitet werden kann.

Der hier gezeigte – moderne – Krieg ist so gesehen auch ein ästhe­ti­scher, seine Doku­men­ta­tion verläuft nicht nüchtern und anklagend, sondern hebt ihn auf die formale Ebene. Was nicht gefilmt wird, findet so gesehen nicht statt, erst das Fest­halten, das ästhe­ti­sche Ausstellen gibt den Taten die nötige Form, um real zu werden. Der Krieg ist schon längst ein medialer, richtet sich nach den dort entste­henden Kate­go­rien, und ahmt jene nach.

Ein fast schon essay­is­ti­scher Ansatz also, der durch gele­gent­liche Verfrem­dungen wie den rockigen Sound­track oder ausge­fal­lene Kostü­ment­schei­dungen (Jesse Plemons knallrote Sonnen­brille etwa), sowie die zu Grunde liegende Holly­wood­struktur aufge­lo­ckert wird. So wirkt der Film nie erschla­gend, ist und bleibt eine Produk­tion für den Main­stream, ist sich dessen aller­dings angenehm bewusst, und genau über diese Ausrich­tung entwi­ckelt er seinen Subtext. Dieser könnte zwar gele­gent­lich konkreter sein, oder noch stärker ins Zentrum gerückt werden, es bleibt aber stets eine Freude, Garland bei seinem Spiel mit filmi­schen Erzähl­weisen beizu­wohnen.

All das macht Civil War zu seinem bis dato besten Film.

Demokratie als Identifikationsfigur

Alex Garlands so dystopischer wie realistischer Film zeigt die Auflösung unserer Demokratie wie wir sie kennen, ist aber auch ein faszinierender und kluger Blick auf die Entstehung und Wirkung von Bildern und vermeintlicher Wahrheit

To suffer is one thing; another thing is living with the photo­gra­phed images of suffering, which does not neces­s­a­rily streng­then consci­ence and the ability to be compas­sio­nate. It can also corrupt them. Once one has seen such images, one has started down the road of seeing more – and more. Images transfix. Images anes­the­tize.
― Susan Sontag, On Photo­graphy

Im Westen nichts Neues: Filme über das Zerbre­chen unserer Zivi­li­sa­tion und die Folgen. Sei es in Europa wie die vor drei Jahren erschie­nenen Tribes of Europe oder in Amerika, mal als laute Zombie-Apoka­lypse in kaum zählbaren Ausfüh­rungen oder ganz still wie in John Hillcoats Verfil­mung von Cormac McCarthys The Road (2010).

Doch selten war ein Film dieses Genres so nah an unserer Gegenwart wie Alex Garlands Civil War. Das liegt nicht nur daran, dass Garland seinen ersten Dreh­buch­ent­wurf kurz nach dem Sturm auf das Capitol durch Trump-Anhänger nach den letzten Wahlen in den USA geschrieben hat, sondern auch daran, dass sich die Lage trotz aller Aufar­bei­tung eher noch verschärft hat, dass eine Nieder­lage Trumps bei den kommenden Wahlen durchaus zu dem natio­nalen Riss führen könnte, den Garland in seiner beklem­menden Dystopie durch­de­kli­niert. Und es liegt daran, dass Alex Garland als Engländer mit dem Blick von außen eine andere, ungewohnt irri­tie­rende Perspek­tive auf die kolla­bie­rende US-Kultur wirft, so wie das bereits die Englän­derin Andrea Arnold in ihrem groß­ar­tigen American Honey getan hat. Auch dort steht Amerika am Abgrund, und sie hat Bilder dafür gefunden, die weit über den ameri­ka­ni­schen Blick hinaus­gingen.

Auch in Alex Garlands Civil War ist das so, noch einmal mehr, weil Amerika hier nicht am Abgrund steht, sondern in den Abgrund gestürzt ist. Ein von poli­ti­schen Frak­tionen gespal­tenes Land mit einem Präsi­denten, der nur mehr in der Defensive und kurz vor dem Sturz steht. Diese Situation präsen­tiert Garland so, wie wir es aus Gegen­warts­nach­richten zuhauf kennen, aus Regionen, die uns einen Dreck inter­es­sieren, weil sie uns fremd sind, und weil es unserer Ansicht nach immer schon Regionen am Abgrund waren. In Civil War ist alles anders. Denn es ist unser Amerika, es ist unsere Kultur und unsere Gegenwart, die seit Jahren durch rechts-popu­lis­ti­sche Demagogie so einge­kes­selt wird wie die hier gezeigten letzten Schnipsel eines einst funk­tio­nie­renden Rechts­staates.

Garland gelingt schon in diesen ersten Bildern etwas fast schon Uner­hörtes, selten Gesehenes, weil er uns als Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur für unser iden­ti­fi­ka­to­ri­sches Sehen keine Menschen, sondern ein System anbietet. Und erstaun­lich genug: das funk­tio­niert.

Denn das Personal, das Garland in schnellen Strichen etabliert, taugt kaum dazu, es ist so gespalten wie das Land selbst. Da ist die von Kirsten Dunst großartig gespielte Kriegs­fo­to­grafin Lee, die mit ihrem Jour­na­listen-Kollegen Joel (Wagner Moura) und ihrem Mentor Sammy (Stephen McKinley Henderson) irgendwie nach Washington kommen will, um den Präsi­denten vor seinem Sturz noch zu foto­gra­fieren und zu inter­viewen, ein altein­ge­spieltes Team, das schon alles gesehen hat und ideo­lo­gisch wie mensch­lich ausge­brannt ist und durch die vierte im Bund, die junge Foto­grafin Jessie (Cailee Spaeny), immer wieder irritiert wird, weil sie nicht die lange etablierten Konven­tionen einhält, die es braucht, um in diesem Job physisch wie psychisch zu überleben.

Doch auch Jessie taugt nicht zur Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur, wie eigent­lich niemand auf diesem Road-Trip Richtung Washington D.C., es ist vielmehr die Sehnsucht nach einer Vergan­gen­heit, die aufgehört hat zu exis­tieren, ein Land, das diese Menschen einmal sozia­li­siert hat. Das ist in der unspek­ta­kulären Trau­rig­keit und Stille, in der Garland hier insze­niert, so mitreißend wie herz­zer­reißend, weil es eine akkurate Beschrei­bung des Endes unseres Lebens ist, wie wir es alle kennen.

Doch Garland, der bereits in seinem Roman Der Strand (1996) und in Filmen wie Ex Machina (2015) oder Auslö­schung (2018) gezeigt hat, dass selbst das einfachste Scheitern komplexe Geschichten verdient, webt auch in diesen Stoff Ebenen ein, die die eigene Geschichte zum einen hinter­fragen, zum anderen illu­mi­nieren. Denn weil die junge Jessie mit einer alten Analog­ka­mera ihres Vaters, einer Nikon Fe2 foto­gra­fiert und ihre Schwarz-Weiß-Filme vor Ort selbst entwi­ckelt, die alte Lee aber digital foto­gra­fiert und dann noch Garlands eigene Bewegt­bilder im Raum stehen, bietet Garland eine ständig und furios geschnit­tene Hinter­fra­gung nach dem besten Foto und der damit besten Wahrheit an (»Don’t miss the sweet stop shot«), sondern zitiert auch aus der langen Geschichte der Kriegs­fo­to­grafie, so dass nicht nur Asso­zia­tionen an Nicolas Borns Bürger­krieg in Die Fälschung möglich sind, sondern immer wieder auch mit dem gespielt wird, was der Viet­nam­krieg mit dem hier gezeigten Krieg zu tun haben könnte.

Doch bei aller Hinter­fra­gung großer, insze­nierter Bilder und bester Foto­grafie liefert Garland sie dann auch, wird sein Film mit jedem geschos­senen Kriegs­foto immer mehr zu einem Kriegs­film, in der sich nicht nur Amerika einen zuge­spitzten Stel­lungs­krieg leistet, sondern auch die Medien, die digitale wie die analoge Foto­grafie zusammen mit den bewegten Bildern.

Und dieser Showdown der medialen »Wahr­heits­fänger«, der dann auch ein inhalt­li­cher Showdown ist, ist dann tatsäch­lich einer der ganz großen Momente dieses Kino­jahres, weil all das, was hinter­fragt wird, im gleichen Moment auch bestätigt wird. Und umgekehrt.

Der kommende Aufstand?

New Future-Film und Roadmovie im Krieg: Alex Garlands Film Civil War ist klug, kurzweilig, differenziert und erschütternd

»We are Americans. Okay?« – »Okay. What kind of Americans are you?«
– Film­dialog

Es beginnt mit einer Rede. Genau gesagt mit der Probe einer Rede. Den Wieder­ho­lungen: Immer wieder in neuer Into­na­tion, neuer Sprech­hal­tung werden die gleiche Sätze gesagt:

»Men of the Western forces of Texas and Cali­fornia...will be welcomed back to this United States as soon as their illegal sezes­sio­nist govern­ment has departed.«

Es ist der US-Präsident, der hier spricht. Dazu sehen wir Zwischen­schnitte auf Demons­tra­tionen, auf Poli­zisten, die Demons­tranten nieder­prü­geln, auf Gewalt; die Stimme des Präsi­denten wird mit jedem neuen Ansetzen selbst­be­wusster, äußer­li­cher, offi­zi­eller.

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Ein sehr guter, ein sehr intel­li­genter Anfang. Gleich ist klar: Politik ist nicht, was sie scheint. Ehrlich­keit ist oft nur eine Pose. Alles ist gemacht für die Medien, alles ist gestaltet und designed, und die Medien spielen das Spiel mit; sie sind immer ein bisschen draußen und ein bisschen drinnen. Es gibt nicht die guten und die bösen Medien, sondern nur die, die besser sind, und besser umgehen mit den Heraus­for­de­rungen des Berufs:
»When you start asking yourselve these questions, you can’t stop. So we don’t ask. We record so that other people ask. You wanna be a jour­na­list? That’s the job.«

Die, die das sagt, ist Lee Smith, im Namen nicht zufällig angelehnt an Lee Miller, die berühmte US-Kriegs­pho­to­gra­phin im Zweiten Weltkrieg, gespielt von Kirsten Dunst.
Kirsten Dunst begleitet uns durch unser Filmleben seit den 90er Jahren. Zuerst als Vampir­girl, dann als Schul­mäd­chen in der Pseudo-Shake­speare Schul­komödie, dann – denn ohne Super­hel­den­film kein Star – als Gefährtin von Spiderman, dann als Muse von Lars von Trier in Melan­cholia, Avant­garde, mit der wir allzu gern in den Welt­un­ter­gang taumeln.

15 Jahre später ist Kirsten Dunst wieder zurück in einer Haupt­rolle. Wurde auch Zeit.

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Der eigent­liche Film und ihre Geschichte geht los mit einem Selbst­mord­at­tentat auf eine Demons­tra­tion mitten auf der Straße in New York. Viele Tote, Lee ist eigent­lich nur durch einen Zufall gerettet worden. Hier lernt sie Jessie kennen, eine junge Photo­gra­phin, die Lee bewundert.

Die Art, wie der Film dieses Attentat zeigt, ist inter­es­sant: Es gibt nicht großes Chaos, lautes Schreien, kein Krachen, sondern Inne­halten. Man sieht nicht viel Blut im ersten Moment, sondern was man vor allem sieht, ist der Eindruck des Gesche­hens in den Gesich­tern und dazu voll­kom­mene Stille. Gefühlt minu­ten­lang: Stille, Stille, Stille. Es sind am Ende nur Sekunden, aber es ist ein beein­dru­ckender und sehr schlüs­siger Film­mo­ment.

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Es herrscht Bürger­krieg in den USA, Kali­for­nien, Texas und Florida haben sich gegen den Präsi­denten erhoben und dieser Wider­stand steht nun kurz vor Washington.

Ziemlich früh schon sprechen Jour­na­listen im Hotel fast ein bisschen zynisch darüber, dass dies wie das »Battle of Berlin« wäre, die »Schlacht um Berlin«. Hier wird natürlich auch damit gespielt, dass der Präsident faschis­ti­sche Tendenzen hat, dass er eine Art ameri­ka­ni­scher Hitler ist.

Gleich­zeitig ist dies eine Welt, in der die Wirt­schaft herun­ter­ge­kommen und die Dinge knapp sind. Strom ist knapp, Wasser ist knapp, das WLAN funk­tio­niert nicht; es wird im Hotel – und es ist ein Luxus­hotel – empfohlen, nicht den Aufzug zu benutzen, sondern lieber in den zehnten Stock über die Treppe zu laufen.
Der Wider­stand, die Sezes­sio­nisten siegen und stehen 200 Kilometer »vor DC«, also vor Washington. »Jour­na­listen werden dort sofort erschossen. Sie gehören zu den Gegnern.«

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Vier Jour­na­listen, Lee, Jessie und zwei männliche Kollegen wagen den gefähr­li­chen Trip zwischen den Fronten und durch das Chaos des Krieges, die 1000 Kilometer nach Washington zu fahren, um den Präsi­denten zu inter­viewen.

So ist dieser Film ein Roadmovie durch den Südosten der USA, auch ein Kriegs­film, vor allem aber ein Kriegs­be­richt­erstatter-Film, der mit den entspre­chenden Klischees und Tropen des Genres spielt, sie teilweise tran­szen­diert und ein »near future drama«, also eine Art Science-Fiction-Film, in dem die Wirk­lich­keit aber der Gegenwart zum Verwech­seln ähnlich sieht.

Die Jour­na­listen begegnen großer Bruta­lität, sehen Tod und Zers­törung, Folter und Gehenkte unter Brücken. Aber auch wie auf einer Zeitreise plötzlich totalem Frieden.
In einer Stadt, die sie besuchen, sehen sie ein Geschäft mit einer gelang­weilten Verkäu­ferin.
Die erklärt (auf die Frage): »wir versuchen uns da raus­zu­halten. Wenn man die Nach­richten sieht, ist das wohl das Beste.«

Der Film zeigt auch, wie gewalt­tätig und brutal und oft innerlich kaputt die Verhält­nisse in den USA heute schon sind. Der Bürger­krieg scheint sehr nahe.

Durch die Augen der Jungen sehen wir alles. Und wir sehen auch die Solda­teska auf allen Seiten, ihre Bruta­lität, ihre Menschen­ver­ach­tung. Alle foltern, die Opfer haben Kapuzen auf. Das Lachen der Männer über die Toten und über das Töten.

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Am Ende ist Jessie, mit deren Augen wir das alles sehen, erwachsen geworden. Lange hatte sie immer ein weißes T-Shirt an. Jetzt hat sie ein neues tarn­grünes Shirt. Abgesehen davon, dass dieses weiße T-Shirt nun von Schmutz und Blut besudelt ist, ist dies natürlich auch ein symbo­li­sches Erwachsen-Werden, ein symbo­li­scher Wechsel: Weiß ist das unbe­schrie­bene Blatt, weiß ist die Unschuld. Tarngrün ist die Farbe eines Menschen, der aus dem Mili­täri­schen, aus dem Kriegs­zu­stand nicht mehr heraus­kommt.

Wir sehen sehr schöne Hubschrau­ber­flüge und dann den Angriff auf Washington: Eine Bazooka schießt auf den Kongress. Ikonische Bilder. Es gibt Straßen­kampf und der Kreis um das Weiße Haus schließt sich. Dort es ist ein sehr sehr harter Kampf, es gibt einen getarnten Ausbruch von drei Wagen, in denen aber nicht der Präsident drin ist, und der Instinkt von Lee – und ich gebe zu, auch von mir im Kino – sagt: der Präsident ist nicht drin in den Wagen, der ist weiter im Weißen Haus.

Und dann ist es ein Nahkampf durch die leeren Räume und die Reste von den Menschen in diesem Weißen Haus und das sieht ziemlich toll aus: die Räume, in denen die verlas­senen Büros, die Reste der Essens­ver­pa­ckung des Fast Foods und so weiter unter­ge­bracht sind.

Am Ende dann werden Washington und das weiße Haus in heftigen Kämpfen erobert. Ist das ein Erfolg, ein Happy End? Der Film lässt das offen.

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Civil War ist ein kluger Film, ein guter Film, kurz­weilig und diffe­ren­ziert. Zugleich fast eine Satire und Farce auf die poli­ti­schen Verhält­nisse.

Es dauert eine Weile, um zu verstehen, dass diese Sezes­sio­nisten eher die »Guten« im Krieg sind, und der Präsident jeden­falls böse.

Civil War verur­teilt Gewalt und zeigt doch den kommenden Aufstand gegen Trump. Oder gegen einen, der ihm zum Verwech­seln ähnlich ist.

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Last words of a president. »Lassen Sie nicht zu, dass die mich erschießen.« – »This will do.«

So ist das Leben. Jour­na­lismus!