21.08.2014

Sweet, Bad, Blackness

Subjektiv - Dokumentarfilm im 21. Jahrhundert
Hier ist viel mehr als Sex zu sehen: schwarze Haut, selbstbewusste Selbstinszenierung – Sweet Sweetback’s Baadasssss Song begründete das Blaxploitation

Das Filmkollektiv Frankfurt hat am Wochenende Melvin Van Peebles, den Begründer des »Blaxploitation«, zu Gast

Von Dunja Bialas

Shoot Don’t Shoot, so heißt ein Trai­nings­film aus den 70er Jahren für New Yorker Straßen­po­li­zisten. Ein Afro­ame­ri­kaner, der einem Verdäch­tigen verdächtig ähnlich sieht, nähert sich an einer belebten Ecke einer Kinokasse. Hier ist der Cop gefragt: Schießen oder nicht schießen? Der ameri­ka­ni­sche Expe­ri­men­tal­filmer William E. Jones hat in der Wieder­ho­lung immer­glei­cher Schlüs­sel­mo­mente des Trai­nings­films die zugrun­de­lie­genden gesell­schaft­li­chen Vorur­teile heraus­ge­ar­beitet, die letztlich, als der Schwarze die Waffe zückt, sich bestä­tigen. Bleibt die Frage, weshalb hier ausge­rechnet eine Kinokasse über­fallen werden soll?

Das ganze Szenario ist jedoch in Wirk­lich­keit eine ziemlich perfide Anspie­lung auf den Massen­er­folg einer neuen Genre­welle, die Amerika in den 70er Jahren erfasst hatte: Blax­ploi­ta­tion. Schwarze traten in den Filmen selbst­be­wusst als Gauner, Drogen­bosse, Zuhälter und Lover auf, als all dies, wofür sie in den Filmen bislang immer im Vorurteil herhalten mussten, und gaben sich daraus eine neue, aufrechte Identität. »Proud to be black« lag seit dem Number-1-Hit James Browns von 1968 überall in der Luft. Das Genre erfasste die ameri­ka­ni­schen Kinos und mit ihnen die großen Studios und führte zu unzählig schnell und billig herge­stellten B-Movies, die den späteren Kult­cha­rakter begrün­deten und denen nicht zuletzt Quentin Tarantino 1997 mit Jackie Brown ein Denkmal seiner kulti­schen Verehrung setzte. Pam Grierson, von Roger Corman entdeckt und in Frau­en­gefäng­nis­filmen nach allen Regeln der Kunst insze­na­to­risch exploi­tiert, wurde die Diva des Blax­ploi­ta­tion, bei Taran­tinos Jackie Brown noch einmal gebührend black in Szene gesetzt.

Godfather des Genres ist Melvin Van Peebles, der in vielen seiner Filmen selbst oft die Haupt­rolle innehatte, als extrem cooler Gangster, Stricher oder Zuhälter, bis zum Bauch­nabel dekol­le­tiert, der sich selbst Geschichten auf den Leib schrieb, die direkt aus dem Ghetto zu kommen schienen. Sweet Sweetback’s Baadasssss Song ist der Film, der ihn und anderen schwarzen Regis­seuren und Schau­spie­lern 1971 schlag­artig die alle Kinos des ameri­ka­ni­schen Konti­nents erobern ließ, vers­tö­rend durch seine direkte Thema­ti­sie­rung von Sex und Crime, darüber aber umso gelas­sener, und in der Coolness der Blackness direkt zur Iden­ti­fi­ka­tion einladend.

»Wir waren in Filmen zumeist nur als Sklaven, Kellner oder Verbre­cher zu sehen. Ich habe einen Film gedreht, mit dem sich das schwarze Publikum iden­ti­fi­zieren konnte.« – Melvin Van Peebles hat nicht nur die US-Film­land­schaft umge­krem­pelt, sondern filmisch eine Entspre­chung zu dem gefunden, was sich politisch mit der Black Panther Bewegung auf den Straßen und in den Ghettos der USA abspielte.

Der Godfather des Blax­ploi­ta­tion, der am heutigen Donnerstag 82 Jahre alt wird, kommt am Woche­n­ende nach Frankfurt zu einer Werkschau seiner Meilen­stein-Filme und zweier Nach­fol­ge­filmen, die das Film­kol­lektiv Frankfurt orga­ni­siert hat. Melvin Van Peebles Karriere begann mit Kurz­filmen, die er in Frank­reich als Auto­di­dakt reali­sierte, wurde mit dem Kurzfilm Cinq cent balles (1963) und seinem Langfilm-Debüt The Story Of A 3-Day Pass (1968) bei den Produ­zenten Holly­woods zunächst fälsch­li­cher­weise als fran­zö­si­scher Auteur bekannt, aber ange­heuert. Seine erste, unter dem Studio-System von Hollywood entstan­dene Produk­tion wurde ihm zum persön­li­chen Alptraum, kehrte ihm den Rücken, und wurde mit dem bahn­bre­chenden und selbst­fi­nan­zierten Sweet Sweetback’s Baadasssss Song der erste schwarze Inde­pen­dent-Regisseur. Es folgte im selben Jahr der mitt­ler­weile zum Klassiker des Genres erhobene Shaft von Gordon Parks, wiederum von Hollywood produ­ziert, das jetzt von dem großen Erfolg der Blax­ploi­ta­tion an den Kino­kassen profi­tieren wollte und ihre Produk­ti­ons­gelder jetzt nicht mehr zurück­hielt, und ein Jahr später Blacula, eine schwarze Vampir-Verball­hor­nung von William Crain und ebenfalls eine Hollywood-Produk­tion.

Melvin Van Peebles, der mit Sweet Sweetback’s Baadasssss Song diese in den weiteren Jahren immer größere werdende Welle begründet hatte, kehrte dem Blax­ploi­ta­tion jedoch gleich wieder den Rücken. Den Film, den er nach seinem großen Inde­pen­dent-Erfolg, immer noch als unab­hän­giger Regisseur, drehte, war ein Musical, das in Harlem auf einer Party spielt. Andere, genre­ferne Filme folgten. Und machten aus Van Peebles den unum­strit­tenen Meister der Cool Blackness, die sich nichts um Konven­tionen und Erfolge schert.