Bonjour Tristesse

Deutschland/Kanada 2024 · 111 min.
Regie: Durga Chew-Bose
Drehbuchvorlage: Françoise Sagan
Drehbuch:
Kamera: Maximilian Pittner
Darsteller: Chloë Sevigny, Claes Bang, Lily McInerny u.a.
Bonjour Tristesse
Gefangen im Netz der Figurenkonstellation
(Foto: Filmfest München | Durga Chew-Bose)

Scheinbar unantastbare Idylle

Durga Chew-Boses Otto-Preminger-Remake BONJOUR TRISTESSE lässt sich an wie ein mediterranes Stillleben

»This strange new feeling of mine…« Mit diesen Worten eröffnet Françoise Sagan ihren Roman, den sie im zarten Alter von 18 Jahren veröf­fent­lichte. Ein Werk, das 1954 durch seine Immo­ra­lität für Skandale in Frank­reich sorgte, nur um sich danach großer Berühmt­heit zu erfreuen. Diese fremde neue Emotion ist die Trau­rig­keit, die die 17-jährige Prot­ago­nistin Cécile in diesem Sommer zum ersten Mal kosten wird – eine Emotion, die einen nur selten allein verzehrt.

Die Idylle scheint unan­tastbar, während sie und ihr Vater Raymond wie Gott in Südfrank­reich leben. Zwischen den langen, sonnen­ge­tränkten Land­schafts­auf­nahmen und (pseudo-) tief­grün­digen Dialogen schleicht sich nach und nach eine gewisse Unruhe ein.

Nach dem Tod von Céciles Mutter besteht ihre Welt aus Freund Cyril, dem Vater und seiner Gefährtin Elsa – ein vertrauter Kosmos, der mit der Ankunft von Ann-Larson, der Freundin der Verstor­benen, ins Wanken gerät. Zu sagen, dass es sich um ein klas­si­sches Liebes­dreieck oder eine komplexe Vater-Tochter-Beziehung handelt, wäre zu simplis­tisch. Es geht um viel mehr als das: Dieser Film erkundet Eifer­sucht, Liebe und Vertrau­ens­bruch in einer spek­ta­kulären Tiefe, ohne dabei explizit zu werden. Die Vermitt­lung passiert nicht über lange Parolen, sondern über die Schwere der Stille, die Kompo­si­tion und die Bild­sym­bolik. Es sind unauf­ge­regte Gesten, wie die Art und Weise, ein Brot zu beschmieren, was die Personen verbindet oder trennt.

Der Film lässt sich wie ein medi­ter­ranes Still­leben betrachten – aber, Vorsicht! Er schaut zurück! Die Emotionen auf den Gesich­tern der meis­ter­haften Schau­spieler, geframed in der Halb­to­talen, durch­dringen einen mit einer persis­tenten Melan­cholie. Nicht nur das »Was« einem präsen­tiert wird, sondern das »Wie« verdient die Aufmerk­sam­keit. Die Kamera schaut von oben herab, sie bewegt sich mit oder dreht sich komplett um die Personen. Auch die Musikwahl in dieser kanadisch-deutschen Co-Produk­tion fügt sich harmo­nisch in das Gesamt­bild ein. Ein Setting wie im Luca-Guad­a­gnino-Sommer, der einen nicht weniger trist den Kinosaal verlassen lässt. Kein glück­li­cher Film – aber definitiv einer, der einen etwas fühlen lässt.

Mona Mezhoud, LMU München