01.10.2009

Better things: Kino-Crossover bei UNDERDOX

Duane Hopkins, Better Things
Better Things von Duane Hopkins
Brit-Kino vom feinsten

Zum 4. Internationalen Festival für Dokument und Experiment in München (1.-7. Oktober)

Von Dunja Bialas

Dokument und Expe­ri­ment, so der Unter­titel von UNDERDOX, ist eine explosive Mischung. Unsere Filme brechen aus dem geschützten Raum einer klar defi­nierten Gattung aus. Sind Doku­men­tar­filme, die das rein Doku­men­ta­ri­sche opfern zugunsten der Lust am Erzählen, am Verwirr­spiel und an der Gestal­tung. Unsere Filme stellen nicht nur etwas dar, sondern stellen über ihre Form das Medium Film selbst aus. Unsere Filme beinhalten Reflexion, das Nach­denken und den Verweis auf sich selbst, und halten das große Abenteuer neuer Entde­ckungen bereit.

Reflexion und Abenteuer, das könnte ein anderer Unter­titel für UNDERDOX sein: Ein Abenteuer ist es, wenn der Zuschauer mit Crude Oil zwei Tage lang in den Alltag chine­si­scher Ölar­beiter eintaucht, in Echtzeit, mit der radikalen Länge von 14 Stunden. Crude Oil, so der radikale Doku­men­tar­filmer Wang Bing, war von Anfang an als film for exhi­bi­tion gedacht. Die Länge ist also auch eine Einladung, immer wieder in den Film und das Leben der Menschen »hinein­zu­sehen«. Wir zeigen Crude Oil erstmals mit engli­schen Unter­ti­teln, zu sehen ist die monu­men­tale Doku­men­ta­tion in der Galerie Weltraum bei freiem Eintritt. Da sollte man immer wieder mal »vorbei­schauen«, in der Galerie und bei den Menschen, die in der Wüste Gobi eine harte Existenz führen. (Fr.-So., 14:00-21:00 Uhr, Do. 19:00-2:00 Uhr, Galerie Weltraum, Rumfordstr. 26, 80469 München)

Reflexion hingegen ist gefragt, wenn bei unserem Eröff­nungs­film Double Take des Video­künst­lers Johan Grimon­prez die Genre­grenzen gehörig erschüt­tert werden. Der Film ist eine eindrucks­volle Mischung aus Essay, Mock­u­m­en­tary, Found-Footage-Spielfilm und poli­ti­scher Analyse um Paranoia, Alfred Hitchcock und seinen Doppel­gänger, und dies vor der Folie des Kalten Krieges. Das alles macht einen unglaub­li­chen Ratespaß und erfordert konzen­triertes Mitdenken: Wer wird wen umbringen? (Do., 20:30 Uhr, Film­mu­seum)

Eine besondere Veran­stal­tung ist am Sonntag abend geboten. UNDERDOX geht erstmals mit einer Film­pro­jek­tion in einen Thea­ter­raum, mit der Auffüh­rung von Wonder­land von Nicolas Humbert und Martin Otter im i-camp / Neues Theater München. Bei ihnen stand das Abenteuer der Entde­ckung am Anfang des Projekts: Sie beglei­teten die Tournee des fran­zö­si­schen Impro­vi­sa­tions-Trios »Das Kapital« und tauchten jeweils eine Woche in eine Stadt ein, um Aufnahmen zu finden, die sie während des Ciné-Konzerts live zuspielten. Wir zeigen die daraus entstan­dene Film­kom­po­si­tion als Projek­tion auf zwei Leinwände und raum­grei­fende Sound­in­stal­la­tion. (So., 20:30 Uhr, i-camp, Enten­bachstr. 37, U-Bahn Kolum­bus­platz)

Nicht im Theater, sondern im Kino: auch dieser dem bewegten Bild so vertraute Ort kann zum unge­wöhn­li­chen Auffüh­rungs­raum werden. Wir haben Münchner und baye­ri­sche Künstler dazu einge­laden, ihre Video­ar­beiten bei uns auf der Kino­lein­wand zu zeigen. Die volle Aufmerk­sam­keit der Zuschauer im Kinosaal genießen, bei großem Bild und gutem Sound, und sich nach der Projek­tion den Fragen der Zuschauer stellen – das kann man bei uns in geballter Form beim UNDERDOX Sampler erleben. (Di., 22:15 Uhr, Werk­statt­kino)

Unser Film­pro­gramm im Film­mu­seum München und Werk­statt­kino umfasst eine Vielzahl deutscher Erst­auf­füh­rungen, darunter mit den Filmen von Claire Angelini (Le retour au pays de l’enfance, Fr. 18:00 Uhr, Film­mu­seum) und Simone Fürbringer (I’m a Crow, So., 11:00 Uhr, Film­mu­seum) zwei Welt­pre­mieren, insgesamt fünf­und­dreißig inter­na­tio­nale Produk­tionen aus siebzehn Ländern.

Die Grenzen über­winden wie der frei­heits­lie­bende Büffel in dem arme­ni­schen Border (So., 20:30 Uhr, Werk­statt­kino), oder überleben in der Abge­schie­den­heit des chine­si­schen Hinter­landes wie die Wald­ar­bei­ter­fa­milie in dem mit zahl­rei­chen Preisen ausge­zeich­neten Survival Song (Sa., 3.10., 20:15 Uhr, Werk­statt­kino) – das kann sinn­bild­lich auch für die UNDERDOX-Filme gelten. Sie brechen aus den Genre­ge­fäng­nissen aus und begeben sich auf unbe­ackertes Terrain. Drängen als Mark­steine der Verän­de­rung auf die kine­ma­to­gra­phi­sche Landkarte und schreiben Film­ge­schichte.
UNDERDOX-Filme brechen Sehge­wohn­heiten auf und geben eine neue Lust am Kino. Davon sind wir überzeugt.

Artechock-Redak­teurin Dunja Bialas, die zusammen mit Bernd Brehmer das Festival UNDERDOX 2006 gegründet hat und es seither mit minimalem Budget und uner­schüt­ter­li­cher Über­zeu­gung leitet, gibt für artechock einen Ausblick auf das anste­hende Programm (siehe auch www.underdox-festival.de).