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04.01.2007
 
 
     
Das Schönste und das Letzte
 
SYMPATHY FOR LADY VENGEABCE - auch von der artechock-Redaktion
 
 
 
 
  Was uns bewegte, beglückte, begeisterte, ärgerte, irritierte, oder was wir einfach scheußlich fanden: schöne und gräßliche Kinomomente 2006, kontrovers zusammengestellt von der artechock-Redaktion - von Michael Haberlander (Gescheiterte Ambitionen), Rüdiger Suchsland (The New World versus Apocalypto) und Thomas Willmann (Von der (fast)-Unmöglichkeit, sich zu entscheiden...)
 

 

Gescheiterte Ambitionen

Meinen Jahresrückblick auf das Gute, Wahre und Schöne im vergangenen Kinojahr kann man hier! nachlesen. Schlechte Filme gab es auch wieder, die meisten versucht man vorab auszusieben und sieht man dann trotzdem mal einen, dann gehört das zum "Berufsrisiko" und ist nicht weiter der Rede wert.

Die folgenden Filme erwähne ich nur deshalb, weil sie alle ein gewisses Potential gehabt hätten, aber darin scheiterten, dieses auch nur halbwegs umzusetzen und so zu einer besonders nachhaltigen Enttäuschung wurden.

Etwa die Doku über Lemmy Kilmister, dem Chef der Band Motörhead. Da hat man eine der schillerndsten und interessantesten Personen der Rockgeschichte, ein wahres Unikum zwischen billigen Rock-Klischees und ironisch intelligenter Reflexion und was kommt dabei raus? Ein derart dilettantischer (aber deswegen noch lange nicht trashiger) Film, dass einem Sehen und Hören vergeht.

Dass "Professionalität" nicht zwangsläufig zu einem besseren Ergebnis führt, zeigt Neil Young: Heart of gold . Jonathan " Stop making sense " Demme dokumentiert das mögliche Abschiedskonzert (eine gefährliche Operation stand Young bevor) einer anderen (im gleichen Jahr wie Lemmy geborenen!!) Rocklegende, was viele spannende Assoziationen und Erwartungen hervorrufen musste.

Leider verkommt das ganze zu einer supernetten Weihe- und Huldigungsveranstaltung an, von und für Neil Young, süßlich, aufdringlich, belanglos in jeder Hinsicht. Jonathan Demme scheint nicht einmal versucht zu haben, dem Pathos etwas entgegenzusetzen. Lemmy von Demme hätte ich (nicht nur wegen der schmissigen Werbezeile) gerne gesehen.

M. Night Shyamalans Filme waren noch nie die ganz große Filmkunst, lebten aber (sehr gut) vom Talent des Regisseurs für (überwiegend gruselige) Stimmungen und clevere Drehbuchideen. Doch solche Stimmungen greifen sich irgendwann ab, die tollen Ideen gehen einem aus, deshalb war The village schon auf der Grenze und ist Das Mädchen aus dem Wasser nun endgültig eine Enttäuschung. Stimmung kommt bei diesem chaotischen, verquasselten Durcheinander gar nicht mehr auf und die einzigen, die diesen Film wirklich lieben dürften, sind eingefleischte Rollenspieler.

Hongkongs Internal Affairs als Vorlage, das Thema die Mafia vs. die Cops, Scorsese die Regie, mit dabei seine Crew, Ballhaus, Zea, Schoomaker, die Musik von Howard Shore und das Beste aus drei Jahrzehnten Popgeschichte, ein Dutzend der besten Darsteller, ein Budget von 90 Mio. Dollar, die Erwartung entsprechend hoch, das Ergebnis Departed .

Der Film ist eine schwere Enttäuschung und glauben Sie mir, dieser Satz tut mir mehr weh, als Scorsese.

Michael Haberlander

 

 

The New World - Die schönsten fünf Momente

The New World I.: Jeder Blick der Hauptdarstellerin und der Vorspann und die Musik und ganz viele Einstellungen und die schnell geschnittenen Rückblicke und überhaupt der ganze Film SYMPATHY FOR LADY VENGEANCE von Park Chan-wook, der auf dem Münchner Filmfest lief, und nächste Woche endlich in die deutschen Kinos kommt und dann nur noch LADY VENGEANCE heißt, um die Deutschen nicht zu überfordern, die armen.
The New World II.: Plötzlich verliert die Welt ihre Farbe, wird Schwarzweiß - und dann wieder zurück. Diese Farbwechsel sind dramatischer, leidenschaftlicher, als alles, was sonst passiert - und das ist auch eine Menge - in Patrice Chereaus GABRIELLE. Ungesehen.
The New World III.: Die Gänge und ihre Leere in Jessica Hausners HOTEL. Magisch.
The New World IV.: Der Wind und Martina Gedeck in SOMMER '04 von Stefan Krohmer. Beide vergisst man nicht
The New World V.: Ein paar schnelle Schnittfolgen in V 4 VENDETTA und die gelungene Hochzeit zwischen Gegenwartspop und totalitärer 30er-Jahre-Ästhetik. Man möchte dieses Erlebnis nicht missen.

Apocalypto - Die schlimmsten fünf Momente
Apocalypto I.: Ulrich Mühe weint in DAS LEBEN DER ANDEREN, weil der arme Stasi-Mann plötzlich von der Kunst berührt wird. Kitsch as Kitsch can und auch so gespielt. Der peinlichste Moment im überschätztesten Film des Jahres.
Apocalypto II.: Martina Gedeck stirbt in DAS LEBEN DER ANDEREN. Das ist 1. verlogen, 2. ein dummer Drehbuchausweg, 3. frauenfeindlich, weil wieder mal die Frau sterben muss, damit zwei Männer ein tolles zweites Leben führen. Außerdem wird die Frau für ihr Fehlverhalten bestraft, während die Männer davon kommen, Untreue ist halt schlimmer als Folter und Landesverrat. Der wohl ärgerlichste Moment im ärgerlichsten Film des Jahres.
Apocalypto III.: Das Kind im Aufzug redet mit Ulrich Mühe in DAS LEBEN DER ANDEREN. Lassen wir uns den Dialog noch mal auf der Zunge zergehen: "Bist du wirklich bei der Stasi?" - "Weißt du überhaupt, was das ist, die Stasi?" - "Das sind schlimme Männer, die andere einsperren, sagt mein Papi!" - "So? Wie heißt denn dein . . . (zögert) . . . Ball. Wie heißt denn dein Ball?" Tja. Was hätte Brecht, der hier so wohlfeil missbraucht wird, weil er sich nicht mehr wehren kann, wohl zu diesem Film gesagt? Der blödeste Moment im verlogensten Film des Jahres.
Apocalypto IV.: Der Hund in Kaurismäkis LICHTER DER VORSTADT und sein menschlicher Blick. Ein Film für Leute, die zuviel Schwabbelwurst am Grilli gegessen haben und einfach auch ein Fall von "Kunstscheiße" (Aki Kaurismäki).
Apocalypto V.: Der Hauptdarsteller in Kaurismäkis LICHTER DER VORSTADT und sein hündischer Blick. Hoffentlich macht Kaurismäki jetzt wieder ein paar Jahre lang keine Filme.

Rüdiger Suchsland

 

 

Von der (fast)-Unmöglichkeit, sich zu entscheiden...

Für einen ebenso entscheidungsschwachen wie begeisterungsfähigen Vielgucker wie mich sind diese Jahresendlisten die Hölle. Nur FÜNF großartigste Momente? Unmöglich!

Aber diesmal habe ich mir ein Hilfsmittel besorgt: Die Zeitreise-Polaroidkamera aus THE SCIENCE OF SLEEP. Hab sie in meiner Bastelstube so umgebaut, dass sie nicht mehr eine Sekunde in die Zukunft flasht, sondern fünf Minuten in die Vergangenheit. Und so gehts, hurrah!:

Meine fünf größten Kinomomente des Jahres:

Fantasiefilm:
Gestohlene Sekunden-Zeitreise-Küsse, Ausritte auf lebensgroßem Plüschpferd, utopische Metropolen aus Papprollen in Michel Gondrys traumhaftem THE SCIENCE OF SLEEP.
Elternstunde:
Stummer Hass beim Vater, wortlose Akzeptanz und Liebe bei der Mutter des toten Jack in BROKEBACK MOUNTAIN.
Schöner Satz:
Das "Are you okay?" der Haushälterin gegen Schluss von FRIENDS WITH MONEY, in dem sich all die Doppelbödigkeit und Ironie, alle Themen bündeln dieses großen Films über die Rücksichtnahme und über Los Angeles.
Einfach einsam:
Der einsame Blick voll zerbrochener, enttäuschter Liebe der Imbissbudenbesitzerin in Aki Kaurismäkis LICHTER DER VORSTADT (LAITAKAUPUNGIN VALOT).
The Rebirth of Cool:
Der schwarzweiße Zigarettenqualm und die U-Bootfilm-Atmosphäre in George Clooneys GOOD NIGHT, AND GOOD LUCK.
Aber... Über die habe ich ja schon alle während des Jahrs bei artechock geschrieben. Lieber die Gelegenheit nutzen, ein paar versäumte Lobgesänge anzustimmen.
Drum: KLICK! BLITZ! Rewind...

Meine fünf größten Kinomomente des Jahres:
Einfach einsam:
Die Kutschfahrt am Anfang von MARIE ANTOINETTE - genau so muss es sein, wenn man aus einer gewohnten Welt gerissen wird, und wenn es tagelang durchs Nichts ins Ungewisse geht.
Elternstunde:
Jeff Daniels als durch schriftstellerisches Scheitern zum intellektuellen Snob gewordener Literaturprofessor im New York der '80er THE SQUID AND THE WHALE. The Rebirth of Cool: Das swingende London (inklusive amoklaufendem Womble) in Neil Jordans hinreißendem BREAKFAST ON PLUTO.
Schöner Satz:
"Do I look like I give a damn?": Die Antwort des neuen, grad vom Poker-Duell ziemlich gebeutelten James Bond in CASINO ROYALE auf die Frage, ob er seinen Wodka Martini geschüttelt oder gerührt wünsche.
Fantasiefilm:
Die französischen Ninja-Frösche in FLUSHED AWAY - Aardmans Beweis, dass Einfallsreichtum, Liebe zum Detail und Gag-Genialität wichtiger sind als die Wahl des Mediums Knetfigurenanimation oder Computergrafik.
Aber... Da waren ja ein paar meiner absoluten Topfilme des Jahres noch gar nicht dabei! Halt, so geht das nicht! Also: KLICK! BLITZ! Rewind...

Meine fünf größten Kinomomente des Jahres:
Elternstunde:
Die Riege in Regenmäntel und mit Mordwerkzeug, die in Park Chan Wooks unfassbar großem LADY VENGEANCE auf die Möglichkeit zur grausamen Rache am Mörder ihrer Kinder warten.
Einfach einsam:
Die Kleinstadthölle in Steven Soderberghs BUBBLE, mit den glatten, airbrushbemalten Gummiköpfen aus der Puppenfabrik und den fast hyperrealen Gesichtern der Laienschauspieler.
The Rebirth of Cool:
Gangstergespräche bei von der Mami gereichten Keksen und Milch im mehr als nur cleveren Highschool-film noir BRICK.
Fantasiefilm:
Michael Glawoggers WORKINGMAN'S DEATH. Eine Doku über Arbeit - aber seine indonesischen Schwefelberge, Riesentankerdemontagen am pakistanischen Strand, infernalischen afrikanischen Freiluftschlachthöfe stellten jede Science Fiction-Vision in den Schatten.
Schöner Satz:
"If you are sad and like beer, I'm your Lady": Isabella Rosselini, die später in Guy Maddins THE SADDEST MUSIC IN THE WORLD auf biergefüllten Glasbeinen stakst. (Mmmmmh......, Bier!)

Thomas Willmann

 

 

 

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