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15.02.2007
 
 
     
Berlinale 2007
Das Sichtbare als inneres Erlebnis

 
BONNIE AND CLYDE von Arthur Penn
 
 
 
 
 

Ein Gespräch mit Arthur Penn auf der Berlinale über sein Leben und ein Kino, das sich die Freiheit nimmt.

"We were arrogant, confident – and original." (Wir waren arrogant, selbstbewußt – und originell). Es war ein Erlebnis, als Arthur Penn von seiner großen Zeit erzählte, jenen Jahren in den frühen Sechzigern, als er und andere seiner Generation, im krisenerschütterten Hollywood das Zepter übernahmen und mit der amerikanischen Filmindustrie auch das Weltkino umkrempelten. Filme wie BONNIE AND CLYDE (1967) und LITTLE BIG MAN (1970) machten Filmgeschichte und Penn zu einem der wichtigsten Regisseure seiner Epoche, der Zeit des New Hollywood. Sie veränderten auch Amerika. Am Donnerstag wurde Arthur Penn, dem auf der aktuellen Berlinale eine Hommage gewidmet ist, für sein Lebenswerk mit einem "Ehrenbären" ausgezeichnet. Bereits am Mittwoch ließ er bei einem Gespräch in der Deutschen Kinemathek über eine Stunde lang sein Leben und sein Werk Revue passieren.

"What films can do better, than any other artform in the world: They transform the visual into an inner experience. My aim and my idea of cinema has always been: The audience should visually participate, not just observe. That is the movies, movement is everything, the movies is about." (Dass, was Filme besser als alle andere Kunst der Welt vermögen: Sie verwandeln das Sichtbare in ein inneres Erlebnis. Mein Ziel und mein Kinoverständnis ist immer gewesen: Das Publikum soll visuell teilnehmen, nicht bloß beobachten. Das bedeutet Movies, Bewegung, das ist alles, worum es im Kino geht.) Wer Penn in Berlin persönlich erlebte, sah einen sehr lebendigen, hellwachen Gentleman im eleganten Anzug, mit britischer Weste und offenbar noch excellentem Gehör, der mehr als einmal Geräusche aus den Nebenräumen ironisch aufgriff und zum Anlaß für einemn Scherz nahm. Man konnte kaum glauben, hier einen 85-Jährigen vor sich zu haben: Mit seinem hageren Gesicht, dem immer noch vollen, schwarzgrauen Haar, und seinen elastischen Bewegungen wirkt der Mann gut 15 bis 20 Jahre jünger. 1922 wurde er in Philadelphia geboren, eine offenbar eher unglückliche Kindheit, von der Penn freimütig erzählte: "Als ich drei Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden. Ich lebte bei meiner Mutter, aber die konnte sich nicht richtig um mich kümmern. Darum lebte ich bei anderen Familienmitgliedern, meinen Vater sah ich gar nicht, meine Mutter nur unregelmäßig. Aber als ich 14 war, meinte meine Mutter: 'Du solltest einen Mann um Dich haben', und schickte mich zu meinem Vater. Aber wir waren Fremde füreinander und blieben es. Er war ziemlich von meinen Bruder [dem berühmten Fotografen Irving Penn; RS] beeindruckt, der früh Erfolg hatte, und nicht so sehr von mir. Wir haben den Konflikt nie gelöst – ich wünschte, wir wären besser miteinander zurecht gekommen."

In den 50-er Jahren begann Penn beim Fernsehen. Das wurde damals live produziert und Penn berichtete von heute schier unvorstellbaren Produktionsbedingungen: "Wir probten ein paar Mal mit den Darstellern, entwarfen einen groben Ablauf, um zu sichern, dass man nie Kameras sah, und dann nahmen wir eine Spielhandlung live mit mehreren Kameras auf. Sie hatten je vier Linsen, und über Mikrofon gab man Anweisung, mit welcher Linse aufgenommen wurde." Kameras fielen aus, Darsteller versprachen sich – eine Schule, die sich auszahlte: "Was man im Fernsehen lernte, war, mit Bildern zu erzählen ("to speak through the camera"), statt mit Dialogen, Mut zu haben, und zu improvisieren" – Fähigkeiten, die sich bald auszahlten. Denn als Penn 1958 mit "The Left-handed Gun" seinen ersten Spielfilm drehte, war Hollywood durch den Erfolg des Fernsehens bereits in der Krise, und die Studios heuerten junge Fernsehmacher wie Penn an, um vom Fernsehen zu lernen. "Man rannte zunächst gegen eine Mauer aus Orthodoxie. Es hieß immer: "Wir machen das so und so, das haben wir immer schon so gemacht, etc. Zeitlupen waren zum Beispiel verboten." In den 60-ern lösten sich viele Zwänge und mit den alten Studios auch der rigorose "Production-Code" in nichts auf. Penn profitierte von der neuen Freiheit. Und auch in seinen Filmen zeigte er Menschen, die Tabus brechen, sich Freiheit erkämpften. "Vom Japaner Kurosawa habe ich viel gelernt, und von den Franzosen der 'Nouvelle Vague'." In BONNIE AND CLYDE konnten das auch Gangster sein, und wie dieser Film eine Hommage an das Gangsterkino, ist NIGHT MOVE (1975) eine Hommage an den Film Noir, und LITTLE BIG MAN an den Western. Aber immer nimmt sich Arthur Penn die Freiheit, die Perspektive ein bisschen zu drehen, hin ins Gegenwärtige und damit Politische: "Wir waren in den 60-ern im Krieg, und darum ist die Gewalt meiner damaligen Filme natürlich auch eine Kritik an der Gewalt von Vietnam. Es war wie heute, wo wir mitten im dümmsten Krieg seit sehr langer Zeit stehen."

Rüdiger Suchsland

 

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